Die Argumente im Prozess gegen den ehemaligen Geschäftsführer der Bösinger Fleischwaren GmbH und seine frühere Frau scheinen noch lange nicht ausgetauscht zu sein. So ist mit etlichen weiteren Prozesstagen ab dem 5. Januar zu rechnen. Foto: Schickle

Harte Bandagen bei Untreue-Prozess gegen Ex-Chef der Bösinger Fleischwaren-Firma. Zuhörer im Zeugenstand.

Kreis Rottweil - Drei Zeugen waren am Mittwoch zum fünften Verhandlungstag vom Rottweiler Landgericht im Prozess wegen Betrugs und Untreue gegen den früheren Geschäftsführer der Bösinger Fleischwaren GmbH (BFW) und seine frühere Ehefrau geladen worden. Auf Anregung der Anwältin der angeklagten Frau sah sich plötzlich auch noch ein Zuhörer in den Zeugenstand komplementiert.

Während letzterer dann für die Urteilsfindung belanglos aussagte, machte eine zum Verhandlungsbeginn geladene ehemalige Führungskraft in der Buchhaltung der BFW von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch. Die Frau hat wegen Beihilfe zum Betrug, wie eine Buchhalter-Kollegin auch, bereits einen Strafbefehl erhalten. Offenbar aus Angst, sich mit Aussagen zu ihrer Rolle bei dem im Betrieb inszenierten System einer betrügerischen Geldbeschaffung durch Übervorteilung eines Inkassobetriebs zusätzlich strafwürdig zu machen, hatte sie sich Schweigen auferlegt.

Dafür hatte sie zuvor für Aufsehen und einen Einspruch des Anwalts des Angeklagten zu ihrer vom Gericht beabsichtigten Zeugenvernehmung gesorgt. Die 58-Jährige hatte nämlich am vorausgegangenen Prozesstag im Gerichtssaal die Verhandlung ungeniert mitverfolgt, offenbar im Nichtwissen, dass ihr Status als noch nicht befragte Zeugin solches verbietet.

Aber auch wegen des Mühens der Verteidigung, das turbulente Geschehen in der damaligen Firma bis zum Beginn des Insolvenzverfahrens Mitte 2011 mit Vorwürfen zu Betrügereien zum Nachteil des Inkassounternehmens Südfactoring durch Falschbuchungen, zu notorischen Schwarzverkäufen und zu einem der persönlichen Bereicherung dienenden Fabrikverkauf in einer Gemengelage einzuordnen, bei der es viele verantwortliche Triebfedern gab und der Firmenchef nur eine von mehreren gewesen ist, müssen sich Zeugen teilweise stundenlang den Befragungen stellen.

So gestern Vormittag auch ein Finanzberater des Firmenchefs. Der ehemalige Bankvorstand – ehemals ein guter Freund des angeklagten Geschäftsführers –, der heute mit einer sechsstelligen Einlage Hauptgesellschafter der über eine Auffanggesellschaft wieder in die Spur gebrachten "neuen" BFW ist, schilderte seine damaligen Versuche, die Liquiditätsprobleme der Firma zu lösen. Seine Bemühungen seien aber allesamt gescheitert, insbesondere weil der in seinen Entscheidungen stark von seiner Frau abhängige Firmenpatriarch und Kopf des Unternehmens bei Vorschlägen zur Schaffung einer wieder besseren Betriebssubstanz in letzter Konsequenz immer einen Rückzieher gemacht habe. Zudem habe er – als ab Mitte 2009 tätiger Berater – in Unternehmensvorgänge nur stellenweise Einblick erhalten. Bei kritischen Nachfragen habe ihm der frühere Chef bedeutet, "dass alles seine Richtigkeit hat".

Trotz dessen Beteuerungen, nichts vom Factoring-Betrug gewusst zu haben, ist auch gegen den 58-jährigen wegen der im Zuge der Insolvenz aufgekommenen Vorwürfe ein Strafverfahren vor einem anderen Gericht anhängig.

Zum Schwarzverkauf an ein Unternehmen aus dem Jülicher Land, dessen Erlös laut Anklage dem Beklagtenpaar immer in mehr oder weniger dicken Kuverts zugeleitet werden musste, machte gestern ein für den Bereich Deutschland Nord zuständiger Außendienstmitarbeiter Angaben. Da auch die jüngsten der vorgeworfenen zahlreichen Taten mindestens drei Jahre zurückliegen, tun sich Zeugen generell vor allem mit genauen zeitlichen Einordnungen schwer. An den Tag der letzten Geldübergabe aus dem Schwarzverkauf könne er sich aber noch gut erinnern. Das sei der 14. Mai 2011 gewesen. Da habe der abstiegsbedrohte HSV gegen Gladbach 1:1 gespielt, sorgte der 42-jährige Zeuge mit Schilderung seiner Erinnerungsstütze kurz für ein entspannendes Schmunzeln im Schwurgerichtssaal.

Auch mit Hinweisen auf größere Festivitäten des Geschäftsführers und seiner Frau mit Mitarbeitern in exklusiven Ferienregionen versucht die Verteidigung ein Bild zu entwickeln, bei dem dem Beobachter das Wort Kumpanei einfallen soll. Festivitäten ja – Verquickung in kriminelles Tun aber höchstens auf Befehl des Chefs, heißt zu dieser These die strikte Antwort früherer Untergebener.