Trotz Beteuerungen der großen Politik: Bei Weitem nicht alles wird erstattet. Kein Geld für Personalaufwand. Mit Kommentar

Kreis Rottweil - Es bleibt mit ein Knackpunkt in der Flüchtlingsdebatte: Wer bezahlt das alles? Der Kreis bleibt bereits jetzt schon auf einem Millionenbetrag sitzen – trotz der Beteuerungen der großen Politik.

Der Rottweiler Landrat Wolf-Rüdiger Michel verweist in dieser Debatte immer wieder darauf, wie die Landespolitik im Wahlkampf versprochen habe, für alle Aufwendungen im Zusammenhang mit der Unterbringung und Betreuung der hilfesuchenden Menschen aufzukommen.

Im Oktober vermeldet der noch amtierende Wirtschafts- und Finanzminister Nils Schmid nach einem Treffen mit Vertretern der kommunalen Landesverbände, man stelle mit der nun getroffenen Vereinbarung der "Spitzabrechnung", also einer auf Euro und Cent genauen Abrechnung, auch künftig sicher, dass die Stadt- und Landkreise eine "auskömmliche Erstattung ihrer Ausgaben für die vorläufige Unterbringung von Flüchtlingen erhalten".

Doch was heißt schon auskömmlich – etwa alles? Mitnichten. Über solche Worte können die Verantwortlichen im Landratsamt Rottweil nur müde lächeln.

Wer vor Kurzem bei der Sitzung des Sozial-, Kultur- und Schulausschusses dabei war, weiß, dass es eben nicht so ist. Der Kreis Rottweil blieb und bleibt auf Kosten sitzen. Beispielsweise auf jenen, die für die Betreuung von minderjährigen Kindern, die ohne Eltern nach Deutschland kommen, aufgebracht werden müssen. Sie haben Anspruch auf Jugendhilfeleistungen, in der Regel auf dem Niveau der Heimerziehung. Das ist teuer.

Die Kosten der eigentlichen Hilfe werden zwar erstattet, berichtete Sozialdezernent Bernd Hamann im Ausschuss, doch Personalaufwand und Sachkosten müssten vom Landkreis zu 100 Prozent aufgefangen werden.

Zwar nehmen die Flüchtlingszahlen insgesamt ab, aber aufgrund einer Umverteilung der allein im Land gestrandeten Flüchtlingskinder auf die Landkreise nehmen diese Zahlen in Rottweil zu. Von null auf 180, könnte man sagen. Vier Personalstellen müssen bei der Kreisverwaltung deswegen zusätzlich geschaffen werden. Im Klartext bedeutet dies eine Belastung des Kreishaushaltes um circa 300.000 Euro jährlich. Wie lange diese Leistung erbracht werden muss, steht in den Sternen. Wie so ziemlich alles in den Bereich der Kaffeesatzleserei zu verorten ist, wenn es um das Asylthema geht. Vernünftige Prognosen lassen sich kaum anstellen.

Dabei streckt die Verwaltung nicht nur bei den elternlosen Kindern das Geld vor. Das wird insgesamt so gehandhabt. 13.000 Euro erhalten die Kreise pro Flüchtling für die ersten 18 Monate. Ausbezahlt wird das Geld mit einer halbjährlichen Verzögerung. Nach diesen eineinhalb Jahren haben die hier Gestrandeten Anspruch auf so genannte Hartz-4-Leistungen – falls sie in der Zwischenzeit keine Arbeit gefunden haben und nicht genug eigenes Geld verdienen. Dann sind auch noch die Unterkunftskosten Sache der Landkreise.

"Als untere Aufnahmebehörde bleibt im Sozialdezernat als letztem Glied der ›Unterbringungskette‹ oftmals nur das Gefühl, der jeweiligen Situation hinterher zu laufen", heißt es in einer Passage der Erläuterungen zum Haushaltsplan für das laufende Jahr. Hinterherlaufen müssen sie der großen Politik schon seit geraumer Zeit. Seit Jahren schon gibt die Kreisbehörde für Flüchtlinge und Asylsuchende mehr aus, als dass sie zurückbekommt. Von 2008 bis 2015 sind es 2,8 Millionen Euro, so Hamann.

Kommentar: Nicht schön

Von Armin Schulz

Der große Druck in der Flüchtlingskrise ist draußen, jetzt, da der Zustrom nach Deutschland verebbt ist. Oder gibt es doch noch ein böses Erwachen? Die Rottweiler Kreisbehörde scheint jedenfalls auf alles gefasst zu sein. Sie kann nichts mehr überraschen nach all den Erfahrungen auch mit den Landesregierungen unterschiedlicher Couleur. Versprochen wurde in Stuttgart schon viel, etwa, dass man für die Kosten der Asylsuchenden aufkommen werde. Doch das sind Lippenbekenntnisse. Über all die Jahre hat die Kreisverwaltung fast drei Millionen Euro mehr ausgegeben, als sie später erhalten hat. Und die Bugwelle kommt erst noch. Dann, wenn die hier Gestrandeten nach 18 Monaten ein Anrecht darauf haben, wie Hartz-4-Empfänger behandelt zu werden. Dann, so ist zu befürchten, geht das Hauen und Stechen erst richtig los. Kein schöner Gedanke.