Wo führt der Weg hin für den Zweckverband Wasserversorgung Oberer Neckar. Mündet er in einer Sackgasse oder hat das Wasserwerk an der Neckarburg, wo das relativ harte Quellwasser mit Bodenseewasser zu der gewünschten Mischung für den Endverbraucher gemacht wird, doch noch eine längere Zukunft? Foto: Scheidel

Zweckverband Oberer Neckar: Sechs Gemeinden suchen nach einem Ausweg. Schönreden zur prekären Situation muss vorbei sein.

Kreis Rottweil - Wie viel ist uns eine gesund sprudelnde Quelle vor der eigenen Haustür wert? Das Lebenselixier Trinkwasser steht im Fokus einer heißen Diskussion um Sein oder Nichtsein des Neckarburg-Wasserwerks.

Dem, was viele Generationen als segensreiche Bescherung der Natur für die Versorgung zahlreicher Menschen betrachteten, könnte jetzt rigoros ein Ende beschert werden. Weil sich für die Zuleitung des Frischwassers an sechs Verbandsmitglieder-Gemeinden ein Kostenberg auftut, ist die Wettbewerbsfähigkeit des Zweckverbands Wasserversorgung Oberer Neckar mit anderen "Liefersystemen" stark in Frage gestellt.

Verbandsspitze: Preis von 1,50 Euro pro Kubikmeter für 2016 aus großer Not geboren

Lange Jahre schien man beim Zweckverband wohlgefällig vor sich hinzuträumen, was die Wirtschaftlichkeit betrifft, mit der das eigene Produkt angeboten werden kann. Der Preis für das ohne Zweifel hochwertige Lebensmittel wird sich für die abnehmenden Gemeinden 2016 mit 1,50 Euro je 1000 Liter Wasser auf absolutem Spitzenniveau bewegen. Versorger, die Bodensee-Wasser einkaufen, zahlen netto etwa 55 Cent je Kubikmeter (cbm).

Der weiter fest an die Zukunft des Verbands glaubende Geschäftsführer Hans Mauch macht nun die Rechnung auf, dass bei Optimierung aller operativen wie rechnungstechnischen Möglichkeiten und dem Zufluss erhoffter hoher Landeszuschüsse (für eine nachhaltige Frischwasserwirtschaft) bald mit einem erheblich niedrigeren, aber immer noch bei vielleicht 80 bis 85 Cent je Kubikmeter liegenden Preis am Markt aufgetreten werden kann.

Da alle sechs Verbandsgemeinden den Frischwasserbedarf zum Teil in erheblichem Umfang über die quer durchs Land führende Bodenseeleitung decken, ergibt sich immerhin ein moderaterer Mischpreis beim Bezug.

In der Gesamtgemeinde Wellendingen zum Beispiel wird der Ortsteil Wilflingen zu 100 Prozent mit Bodenseewasser versorgt, dessen Bezug Bürgermeister Thomas Albrecht aufgrund von Nebenkosten auf einen Bruttopreis von etwa 75 Cent/cbm taxiert. Der Ortsteil Wellendingen, in dem etwa doppelt so viel Wasser verbraucht wird, bekommt das Nass vom Neckarburg-Wasserwerk. Der Mischpreis für Wellendingen beläuft sich demnach 2016 auf etwa 1,25 Euro/cbm.

Nicht nur am Beispiel Deißlingen zeigt sich das Dilemma, in dem der Zweckverband steckt

Wenn man einen Vier-Personen-Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 150 Kubikmetern annimmt, steckt in obiger Kalkulation für Verbraucher in der Gesamtgemeinde Wellendingen über den Daumen gepeilt ein Mehr von etwa 75 Euro im Jahr. Wenn man den Zukunftsoptimismus von Verbandspfleger Mauch mit einem anzustrebenden Neckarburg-Wasserpreis von 80 bis 85 Cent je cbm zugrunde legt, kommt man auf ein Mehr von vielleicht zehn Euro pro Jahr und Familie.

Wenn man in die Gemeinde Deißlingen blickt, die für ihren Ortsteil Lauffen Neckarburg-Wasser bezieht, sieht die Rechnung folgendermaßen aus. Die Ortschaft Deißlingen wird zu 25 Prozent über die Keckquellen versorgt, aktuell für 32 Cent je cbm. Diese Frischwasser-Schiene ist beim Blick in die gesamte Region überragend günstig. 50 Prozent beträgt dort der Bezug von Bodenseewasser, 25 Prozent der über das Neckarburgwerk für Lauffen. So errechnet sich für Gemeindepfleger Daniel Bayer ein Bezugspreis von 75 Cent/cbm. Da ist es nicht verwunderlich, dass in Deißlingen längst mit dem relativ problemlos möglichen Anschluss von Lauffen an die Keckquellen-/Bodenseewasser-Versorgung geliebäugelt wird.

Doch was passiert bei der drohenden "Fahnenflucht" von Mitgliedern? Dann bricht das Verbandsgefüge wohl auseinander.

Denn nur in der gemeinschaftlichen Kraft der bisherigen Solidargemeinschaft besteht überhaupt die Chance, den viele Millionen schweren Kraftakt zu schultern. Als Hausnummer stehen etwa zwölf Millionen Euro an Investitionen für die kommenden 25 Jahre im Raum.

Am Montagabend war Verbandsversammlung im Naturfreundehaus Jungbrunnen. Neben den Vertretern aus den Gemeinden Deißlingen, Dietingen, Frittlingen, Rottweil, Wellendingen und Zimmern u.d.B. konnte der Dietinger Bürgermeister Frank Scholz als Verbandsvorsitzender knapp 30 Dietinger Bürger begrüßen, denen die Zukunft des Neckarburg-Wasserwerks ganz besonders am Herzen liegt.

Eigentlich war der Tagesordnungspunkt "Umstrukturierung/Auflösung des Zweckverbandes – Austausch zu den Beschlusslagen in den Mitgliedsgemeinden" wenige Tage vor der Zusammenkunft vom Verwaltungsrat mit Verweis auf weiteren Klärungsbedarf zum wirtschaftlichen und infrastrukturellen Zustand des Verbandes gecancelt worden.

Doch nach der Feststellung der Jahresrechnung, der Genehmigung des Haushaltsplans für 2016 und einiger dringlicher Investitionen ging es in einer lebhaften Diskussion dann doch zu der existenziellen Kardinalfrage rund.

Am vehementesten zieht Wellendingens Bürgermeister Thomas Albrecht vom Leder. Schönreden zur Leistungsfähigkeit des Verbandes müsse man sich künftig abschminken, mit Klartext müsse man den Schwierigkeiten ins Auge sehen.

Der Deißlinger Bürgermeister Ralf Ulbrich drückt es weniger polternd aus, ist sich in der Sache aber mit Albrecht einig: Nicht zuletzt mit Blick auf die Keckquellen-Situation in seiner Gemeinde stellt er die Frage: "Ist uns das Neckarburg-Wasser so viel Wert?"

Redner wie der Rottweiler Oberbürgermeister Ralf Broß, der derzeit in Frittlingen kommissarisch geschäftsführende Rathauschef Raimund Bader und der Dietinger Gemeinderat Ferdinand Graf von Bissingen versuchen Scholz und Mauch ein wenig Rückenwind zu geben mit ihren Appellen, doch die in der Expertise des beauftragten Fachbüros zu erwartenden Einschätzungen zu der komplexen Materie abzuwarten. Dass man dann letztlich doch den Stab brechen muss, wollen aber auch diese Kommunalpolitiker nicht ausgeschlossen wissen.

Wellendinger Schultes: Schönreden zur prekären Situation muss vorbei sein

Die dreiköpfige Wellendinger Delegation lässt trotz solcher beschwichtigenden Töne Dampf ab, auch indem sie gegen die breite Mehrheit stimmt, die die für 2016 vorgeschlagene Wasserpreis-Umlage von 1,50 Euro/cbm – ein Notfall-Obolus", wie es auch genannt wird – absegnet. Mit Bauchweh, und nicht aus Überzeugung, merkt Deißlingens Bürgermeister Ulbrich zu seiner Abstimmung an, nachdem Scholz und Mauch den Spitzenpreis im Hinsehen auf die erhofften wieder besseren Zeiten als überlebenswichtig dargestellt haben.

Auf Antrag Albrechts wurde die Verbandsspitze von ihren Mitgliedern in die Pflicht genommen, das als wichtige Entscheidungsgrundlage angesehene Fremdgutachten zu den Chancen und Möglichkeiten, den Zweckverband Überlebensfähigkeit zu machen, bis April vorzulegen. Zur Jahresmitte 2016 könnte dann ein Urteil gefällt werden, heißt es.

Vor allem die Dietinger Bürger gehen mit dem Streitthema sehr emotional um

Dass neben nüchternen Zahlen zur Wirtschaftlichkeit bei dem Thema auch die Emotionalität eine große Rolle spielt, wurde am Montag besonders bei den Worten des Irslinger Ortsvorstehers Klaus Häsler deutlich.

Dieser bat darum, einmal bei einem Ortstermin die Bereitstellung des hochwertigen Lebensmittels Neckarquellwasser vorzustellen. Das sei ein Lebenselixier aus der Heimat, das seit fast neun Jahrzehnten für die Menschen verfügbar gemacht werde und seinesgleichen suche.

Diese Worte finden vor allem den Beifall der Dietinger Zuhörerschaft im fast aus allen Nähten platzenden kleinen Versammlungsraum.