Esther Kuhn-Luz ist gespannt auf den Vortrag über "Anstöße und Anstößiges in der Reformation". Foto: Siegmeier Foto: Schwarzwälder-Bote

Vortrag: Interview mit Pfarrerin Esther Kuhn-Luz zum Abend von Athina Lexutt

Rottweil. "Toleranz – Anstößiges und Anstöße der Reformation" ist der Vortrag überschrieben, den die Professorin Athina Lexutt aus Gießen am Donnerstag, 29. Juni, in Rottweil hält. Aber können Religionen überhaupt tolerant sein? Ein Interview mit Pfarrerin Esther-Kuhn Luz:

Frau Lexutt stellt die These auf, dass die Reformation die Toleranz erfunden habe. Ist das nicht sehr provokativ?

Der Toleranzgedanke hat seine Ursprünge durchaus in der Reformation. Doch für die Menschen damals bedeutete Toleranz etwas anderes als für uns heute.

Können und wollen Religionen überhaupt tolerant sein?

Der Frieden ist in allen Religionen ein großes Thema. Es geht immer darum, was wir gemeinsam haben, nicht um das Trennende. Im Trialog von Juden, Muslimen und Christen geht es ebenfalls nicht darum eins zu sein, sondern darum, den anderen wahrzunehmen und Respekt vor der Fremdheit des anderen zu haben.

Mit Blick auf die vielen Terroranschläge in den vergangenen Tagen und Wochen fällt Toleranz doch eher schwer?

Im Blick auf die Terroranschläge muss man ganz klar sagen, dass Religion hier missbraucht wird – das empfinden die Muslime, die in Deutschland leben, übrigens genauso.

Zurück zur Reformation: Ging es damals nicht vielmehr um die Wahrheit als um Toleranz?

Natürlich. Um die Wahrheit und um die Auswüchse der Kirche. Macht und Geld waren der Papstkirche damals wichtiger als die Menschen. Luther sagt, was in den Evangelien steht, ist Wahrheit. Die Papstkirche sagt, was in den Dogmen steht, ist Wahrheit.

Aber wie weit kann man im Streit um die Wahrheit tolerant bleiben?

Die Intoleranz war damals auf beiden Seiten sehr groß.

Noch mal provokativ: gäbe es ohne Religionen den Weltfrieden?

Religion ist eine Frage nach Verwurzelung. Es sind eher die Menschen ohne Wurzeln, denen ihr Handeln egal ist. Menschen, die nicht klassisch religiös sind, haben ihre Wurzeln meist in den humanistischen Werten. Es ist dann spannend, welche Ethik sich daraus entwickelt.

Was sagt denn Frau Lexutt selbst zu ihrer These, dass die Reformation die Toleranz erfunden habe?

Das genau ist die spannende Frage. Deswegen laden wir ganz herzlich ein. Der Vortrag von Athina Lexutt findet am Donnerstag, 29. Juni, ab 19.30 Uhr im evangelischen Gemeindehaus in der Johanniterstraße 30 statt.  Die Fragen stellte Stefanie Siegmeier.