Tatjana Malafy vor dem Thora-Schrank, geschmückt mit den zehn Geboten. Die kleine israelitische Kultusgemeinde hofft, in ungefähr zwei Jahren die Gottesdienste in der bis dahin neu gebauten Synagoge feiern zu können. Foto: Schönfelder Foto: Schwarzwälder-Bote

Seit zehn Jahren besteht eine israelitische Kultusgemeinde in Rottweil / Vielfältiges jüdisches Leben

Von Peter Schönfelder Rottweil. Thora und Synagoge, Bar Mizwa und Sabbath – viele Jahrzehnte waren dies Begriffe aus einer scheinbar untergegangenen Welt. Nach Holocaust und Emigration schien das jüdische Leben in Deutschland weitgehend erloschen.Aber viele jüdische Gemeinden sind aktiv, wenn sie auch von der Öffentlichkeit oft kaum wahrgenommen werden. Seit einigen Jahren besteht eine israelitische Kultusgemeinde auch in Rottweil. Und sie blüht, wie Tatjana Malafy versichert. "Wir sind eine kleine Gemeinde in der großen jüdischen Familie", so drückt es die gebürtige Ukrainerin aus. Aber ohne die "Starthilfe" der anderen "Familienmitglieder" unter dem Dach des Oberrats der israelitischen Religionsgemeinschaft Baden stünde die Rottweiler Gemeinde nicht dort, wo sie heute steht. Im kommenden Dezember jährt sich die Gründung zum zehnten Mal.

Indes, die erste Zeit war alles andere als leicht. Als die Familie Malafy im Jahr 1997 nach Rottweil kam, "war es hier wie in einem Loch". Die nächsten jüdischen Gemeinden gab es in Stuttgart, Freiburg und Konstanz. Für den Gottesdienst mussten lange Wege an den Bodensee in Kauf genommen werden. Die jüdische Gemeinde im Schwarzwald war klein und weit verstreut.

Da lag es nahe, zusammen mit den Menschen jüdischen Glaubens in Villingen-Schwenningen eine eigene Kultusgemeinde zu gründen. Von den inzwischen rund 260 Mitgliedern gehören mehr als 170 zur Rottweiler Gemeinde. Es ist im wahrsten Sinne eine junge Gemeinde, denn rund ein Drittel sind Jugendliche. Die Mitglieder stammen meist aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion.

Tatjana Malafy nahm die Mammutaufgabe zur Gründung einer eigenen Gemeinde an und erhielt, wie sie stolz erzählt, vielfältige Hilfe. Rottweils ehemaliger OB Thomas Engeser habe sie sehr unterstützt und bei der Suche nach geeigneten Räumen für einen Betsaal geholfen, aber auch bei OB Ralf Broß, Verwaltung und Gemeinderat sei die jüdische Gemeinde auf überaus offene Ohren gestoßen. Viel Hilfe kam von Michael Melvin aus Schramberg. Auch die Nachbargemeinden und der Oberrat taten, was sie konnten, um der jungen Gemeinde auf die Beine zu helfen. Auch die Unterstützung ihrer Familie habe ihr viel Kraft gegeben, so Malafy.

Die jüdische Gemeinde trifft sich aber nicht nur zu den Gottesdiensten. Es gibt beispielsweise Angebote für Senioren und Jugendliche, eine umfangreiche Bibliothek und eine eigene Zeitung, in der zu lesen ist, was in der Gemeinde passiert. Das jüdische Leben mit seinen vielfältigen Vorschriften bis hin zum koscheren Essen sei in Rottweil kein Problem, betont Malafy, wenn man den Einkauf richtig organisiert.

Wichtig ist ihr auch der Kontakt mit der Bevölkerung. So kann man, wenn man sich vorher anmeldet, an den Gottesdiensten teilnehmen. Es hat sich inzwischen der Arbeitskreis "Abrahams Töchter" etabliert, in dem Frauen jüdischen und christlichen Glaubens ins Gespräch kommen.

"Wir sind offen und haben deshalb auch viele Gäste in der Gemeinde", freut sich Malafy. Auch dies fördert das gegenseitige Verständnis, denn die Vorstellungen über das Judentum sind bei den Christen meist eher diffus. Malafy lobt die Rottweiler beinahe überschwänglich, wie freundlich die Menschen jüdischen Glaubens aufgenommen worden seien.

Der nächste Schritt soll der Bau einer Synagoge am Nägelesgraben sein. Vor einigen Wochen wurde der Kaufvertrag zwischen Stadt und dem Oberrat als Bauherrn besiegelt. Rund 1,8 Millionen Euro soll der zweigeschossige Bau kosten. Finanziert wird der Bau durch den Oberrat und Spenden. Rund 200 000 Euro muss die Gemeinde selbst zur Einrichtung der Synagoge beisteuern.

Immerhin müssen beispielsweise außer dem Gebetsraum zwei koschere Küchen, eine Empore und ein rituelles Bad (Mikwe) untergebracht werden. Damit werde, hieß es zur Vertragsunterzeichnung, die "große Sehnsucht nach einem jüdischen Zentrum in Rottweil" erfüllt.

Ansonsten schaut die Gemeinde auf die kommenden Tage. So wird es am morgigen Sonntag, 2. September, dem Europäischen Tag der jüdischen Kultur, um 15 Uhr eine Veranstaltung auf dem jüdischen Friedhof in der Hoferstraße geben und am 16. September ist Neujahr. Dann beginnt das 5773. Jahr des jüdischen Kalenders.