Foto: Bartler-Team

Fünfte Jahreszeit beginnt: Über 500 Narren versammeln sich in Rottweil - mit Staubwedel und Regenschirm.

Rottweil - Wer an Dreikönig vormittags Richtung Altes Rathaus zieht, hat verlässlich die mitunter schon fortgeschrittenen Trainingseinheiten der Klepfer als Begleitmusik durch die Gassen. Aus dem Café Schädle dringt Stimmengewirr durch die offene Tür, schwarz-gelbe Details an der Garderobe und Accessoires gehören bei vielen zum Dresscode und in der Luft liegt erwartungsvolle Spannung.

Als die Tagwachkapelle drinnen im überfüllten Café anhebt, wird aus der Spannung so etwas wie ein kollektives Freudestrahlen. Mit der Aussendung der Abstauber wird die Fasnet gewissermaßen »offiziell«. Sogar das Wetter hat ein Einsehen und dreht den Regenhahn bei diesem formalen Akt ein bisschen zurück.

Auf dem Balkon des kirsnerschen Hauses beziehen unterdessen Narrenmeister Christoph Bechtold und seine Vorstandskollegen Aufstellung. Die Ansprache an die »Bürgersleut’ von Rottweil« falle dieses Jahr knapp aus, kündigt er an. Eile ist geboten. Nicht etwa wegen des Wetters oder weil in den Häusern, in denen die Abstauber ihre Arbeit erledigen werden, der Weißwein für die Schorle an Temperatur gewinnt. Nein, »da drüben«, sagt der Narrenmeister und zeigt zum Alten Rathaus hinüber, herrsche ein Chaos, das den Vorstand dazu bewogen habe, zu ungewöhnlichen Mitteln zu greifen.

Nicht erst am Fasnetssonntag werde in diesem Jahr das Stadtregiment übernommen, sondern bereits am kommenden Mittwoch. Und abgeben will man es zum Wohle der Stadt auch nicht mehr. Der Übergang ist bruchlos vorgesehen und funktioniert nach einer einfachen Formel: »Wir ersetzen den Gemeinderat einfach durch den Ausschuss von der Narrenzunft. Fertig.«

Auslöser für diesen Aktionsplan ist die Wechselwelle, die den Wählerwillen in Frage stellt. Der Narrenmeister weiß, wovon er spricht, immerhin ist er selbst einer derjenigen, die im bürgerlichen Leben »meinen, sie müssten sich beruflich verändern«, »selbstverwirklichen« oder nach 31 Jahren einfach aufhören.

In den Reihen des Ausschusses gebe es nicht nur Sachverstand unterschiedlichster Profession und politische Gesinnung bunter Couleur, sondern stilsicheres Auftreten und eine standardmäßige »Mindesthalbwertszeit von 25 Jahren«, und dazu einen weiteren, entscheidenden Vorteil: Bechtold hat als Reiter beider Sättel den zentralen Unterschied zwischen Rat und Ausschuss ausgemacht. Hohes Diskussionspotenzial besteht demnach in beiden Gremien auch bei Banalitäten.

Im Gegensatz zum Gemeinderat kämen bei der Narrenzunft dabei aber neue Ideen heraus. Man wisse ja, wie groß deren Kreativität sei. Oberbürgermeister Ralf Broß werde sich daran gewöhnen. Dass die Narren auch in Bausachen absolute Käpsele sind, sieht man derzeit an der innerstädtischen Paradebaustelle. Wegen der Pracht des angrenzenden Zunfthauses habe die Stadt nachziehen müssen, um zu verhindern, dass das Schwarze Tor allzu sehr verblasst. Der Hinweis auf den Schönheitsfehler, die Uhrzeit auf dem vorgehängten Fassadenbild, kommt aus dem Publikum.