So soll der Testturm (rechts, wo denn sonst) auf dem Berner Feld einmal aussehen. Foto: Montage: ThyssenKrupp

Bebauungsplanverfahren: Weitere Phase endet am 22. August. Stadtverwaltung stimmt sich mit Behörden ab. Mit Video.

Rottweil - Der geplante Test-Turm von ThyssenKrupp Elevator kennt keine Ferien, keine Freizeit, keine Pause. Die Stadtverwaltung arbeitet daran, das Bebauungsplanverfahren in trockene Tücher zu bekommen. Kritiker melden ihre Bedenken an. Bis 22. August bleibt Zeit, sich zum 40-Millionen-Projekt auf dem Berner Feld zu äußern.

Es geht ohne Pause weiter. Eine weitere bedeutende Phase im Bebauungsplanverfahren zum Testturm für Hochgeschwindigkeitsaufzüge der Firma ThyssenKrupp Elevator endet am Freitag, 22. August. Die Frist der sogenannten Offenlage ist dann vorbei. Es bleiben also noch neun Tage Zeit, Bedenken und Anregungen bei der Stadtverwaltung einzureichen. Bislang sind fünf neue Anregungen eingegangen.

Wie es sonst um den Turm bestellt ist? Eine kurze Bestandsanalyse.

 Die Stadtverwaltung ist nicht untätig geblieben. Auf Anfrage des Schwarzwälder Boten teilt Lothar Huber, Leiter des Fachbereichs Bauen und Stadtentwicklung, mit, die Verwaltung habe am vergangenen Freitag die für den Eingriff in das Landschaftsbild notwendigen Ausgleichsmaßnahmen abschließend mit Landratsamt und Regierungspräsidium abgestimmt. Ob er noch Hürden im Verfahren sieht, die das Projekt zum Kippen bringen könnten? Nach derzeitigem Verfahrensstand seien keine grundsätzlichen Hürden mehr erkennbar, so Huber.

 Das sind die geplanten Ausgleichsmaßnahmen: Die Verbindung vom Berner Feld zur Kernstadt solle durch einen "attraktiven Fuß- und Radweg" verbessert, die übrige Spur der Bundesstraße 27 zum Teil in eine Wiese verwandelt werden. Der Stadtgraben, der historisch belegt einer halboffenen Parklandschaft glich, und sich aktuell verbuscht und mit Gehölzen bewachsen darstelle, solle durch Entbuschung und Pflegemaßnahmen wieder in eine artenreiche, vielfältige Erholungslandschaft umgewandelt werden. Zudem solle dem Nägelesgraben wieder Leben eingehaucht werden. Die ebenfalls verbuschten Talhänge sollen freigeschnitten und anschließend durch Ziegen offen gehalten werden. Das ist dann die Habenseite ...

 ... auf der Verlustseite steht, was das Referat 26 des Regierungspräsidiums (RP) Freiburg in Bezug auf Stadtbild und Kulturdenkmale von besonderer Bedeutung äußert: "Vor allem im Bereich der Hochbrücktorstraße, der Nord-Süd verlaufenden Achse des zentralen Straßenkreuzes der mittelalterlichen Stadtanlage, würde der Testturm erheblich in das Stadtbild hineinwirken und eine neue Dominante in Konkurrenz zur historischen Bebauung bilden." Aus fachlicher Sicht wäre einer uneingeschränkten Erhaltung des Stadtbildes unbedingt der Vorzug zu geben. Die Stadtverwaltung nimmt dies zur Kenntnis und entgegnet: "Eine völlig ungestörte Erhaltung des Stadtbildes wäre nur durch Verzicht auf den Turmbau möglich."

 Erheblich, nicht erheblich, unerheblich? Freiburg stellt sich die Frage, ob der Testturm eine so starke Konkurrenzwirkung entfalten würde, dass die Kulturdenkmale (wie Hochturm, Kapellenturm, Heilig-Kreuz-Münster oder Lorenzkapelle) in ihrem Erscheinungsbild erheblich beeinträchtigt wären? Die Antwort gibt das RP selbst: Es sieht das Erscheinungsbild des Kapellenturms als beeinträchtigt an, jedoch nicht als erheblich. Es handle sich vor allem um eine erhebliche Veränderung des überlieferten Stadtbildes. Das ist demnach kein Hinderungsgrund für den Bau des Testturms.

Das stellt Kritiker wie den früheren Rottweiler Stadtarchivar Winfried Hecht alles andere als zufrieden. Er sorgt sich um das historische Stadt- und das feingliedrige Landschaftsbild. Die Ausgleichsmaßnahmen seien nicht annähernd gleichwertig. Der geplante Testturm würde so dominant, dass dadurch das historische Gesamtensemble beeinträchtigt, wenn nicht zerstört würde. Ähnlich bewertet er die Wirkungsweise des Turms auf das Landschaftsbild des Oberen Neckars. Dieses sei so kleingliedrig und feinfühlig, dass der Testturm zumindest als ein Webfehler anzusehen sei, so Hecht.

Nicht überrascht habe ihn indes, dass das Projekt die Stadt etwas kosten werde. Bis zu 1,3 Millionen Euro kann das sein. Geld für Grunderwerb, Parkplätze, Erschließung oder die Außenstelle der Tourist-Info im Foyer Testturm. Dabei hätte man Oberbürgermeister Ralf Broß in einer der Bürgerversammlung auch anders verstehen können, nämlich, dass das 40-Millionen-Euro-Projekt den Steuerzahler keinen Cent kosten werde. Hechts Ratschlag für die Zukunft: "etwas vorsichtiger formulieren".

 Was denken die Rottweiler Bürger darüber? Der Schwarzwälder Bote hat mehrere Umfragen veranlasst und jedes Mal betont, dass sie keineswegs als repräsentative Meinungsumfrage gedeutet werden könnten. Das Stimmungsbild war immer dasselbe. Eine Mehrheit, die zuweilen zwei Drittel ausmachte, sprach sich für den Testturm aus. Andere sind weiterhin dagegen wie Ute Bott (sie hat im Internet eine Anti-Testturm-Seite unter landschaftschuetzen-stadtbildretten.info eingerichtet) oder Jürgen Kühn. Aber auch eine aktuelle Straßenumfrage kommt zu keinem anderen Ergebnis: Die meisten der Befragten finden den Testturm in Ordnung.

 So geht’s weiter:

Der Gemeinderat wird den städtebaulichen Vertrag voraussichtlich in der Sitzung am 17. September behandeln. Dabei werden die Stadträte auch über die eingegangenen Bedenken und Anregungen informiert. Die weitere Beschlussfassung im Bebauungsplanverfahren erfolgt voraussichtlich am 1. Oktober. 

Kommentar: In den Gully!

Armin Schulz 

Da können wir ja alle froh sein, dass es rund um den so schönen Rottweiler Stadtkern aussieht wie bei (sorry für den Ausdruck) Hempels unterm Sofa: heilloses Durcheinander. In die Sprache der Botaniker übersetzt: Stadtgraben und Nägelesgraben sind total zugewachsen. Da gleicht sogar das Dornröschenschloss einer Prachtbude. Jedenfalls: Gut, dass das so ist. Ansonsten könnte man den schönen, neuen Testturm gleich in den Gully kippen.

Dafür nämlich, dass dieser gebaut wird und das schöne Landschafts- und historische Stadtbild extrem stört, braucht es einen Ausgleich. Und da sind die Planer im Nägelesgraben und im Stadtgraben fündig geworden. Man stelle sich mal vor, in und um Rottweil wäre bereits alles in bester Ordnung, dann könnte man so ein Millionenprojekt ja glatt vergessen. Also ein bisschen Lotterwirtschaft ist schon gut. Für die Zukunft.