Die Polizei in der Region kommt nicht zur Ruhe. Mit der neuerlichen Reform könnte Rottweil den Kripo-Standort verlieren. Foto: Seeger

Stadt am Hohentwiel wird als neuer Standort gehandelt. Immense Mehrkosten. Prüfergebnis Ende Mai. Mit Kommentar

Kreis Rottweil/Tuttlingen - Um den Sitz der Kriminalpolizeidirektion in der Region gibt es ein Tauziehen zwischen den Städten Rottweil und Singen. Die Stadt am Hohentwiel könnte den Zuschlag erhalten. Aus Gewerkschaftskreisen wird bereits Kritik geübt.

"Die Kripo erhält deutlich mehr Platz" – so lautete eine Schlagzeile unserer Zeitung von vor zwei Jahren. Bis vor Kurzem war geplant, dass der Kripo-Standort in der Kaiserstraße in Rottweil ausgebaut wird, um alle Aufgaben und Mitarbeiter am Rottweiler Standort zu bündeln. Das war ein Ziel der Polizeistrukturreform der grün-roten Vorgängerregierung in Stuttgart, umgesetzt zu Beginn des Jahres 2014.

Jetzt, drei Jahre später, im Zuge der Reform der Reform durch Grün-Schwarz im Land, werden andere Szenarien entwickelt. Die Folge könnte sein, dass Rottweil zu einem Kriminalkommissariat heruntergestuft wird. Singen am Hohentwiel könnte neuer Direktionsstandort für die Kripo werden. Das wird dem Schwarzwälder Boten von mehreren Seiten aus bestätigt. Demnach ist im Gespräch, in Singen einen Neubau für rund 20 Millionen Euro zu erstellen.

Damit würde die Region Schwarzwald-Baar-Heuberg durch die so gut wie beschlossene Reform der Reform nicht nur den Sitz des Polizeipräsidiums verlieren. Dieses soll ja nach den Empfehlungen des Lenkungsausschusses zur Evaluierung der Polizeistrukturreform von Tuttlingen nach Konstanz abwandern, sondern auch den Kripo-Hauptstandort. Der Leitgedanke bei diesen Überlegungen: Der Sitz der Kriminalpolizeidirektion solle dort angesiedelt werden, wo sich die Kriminalitätsschwerpunkte befinden.

Diese Sichtweise wird innerhalb der Polizei nicht von allen geteilt. Jürgen Vogler, Bezirksvorsitzender Tuttlingen der deutschen Polizeigewerkschaft Baden-Württemberg, bemängelt an dieser Idee, dass sie einerseits nicht wirtschaftlich, andererseits sozial unverträglich sei. Zum Aspekt der Wirtschaftlichkeit führt Vogler aus, dass in Rottweil der Anbau an das bestehende Gebäude nur 4,6 Millionen Euro kosten würde. Von Rottweil aus hätte man – in den bisherigen Strukturen betrachtet – fünf Landkreise bedient: Tuttlingen, Rottweil, Schwarzwald-Baar, Freudenstadt und den Zollernalbkreis. Der neue Zuschnitt der regionalen Polizeipräsidien beinhaltet lediglich vier Landkreise: Der Zollernalbkreis und Freudenstadt werden anderen Präsidien zugeschlagen. Konstanz käme hinzu.

Vogler denkt auch an die Kollegen, die bei einem neuerlichen Wechsel des Kripo-Sitzes ihre berufliche Situation neu ausrichten müssten. Manche würden die dann längeren Anfahrtswege nicht in Kauf nehmen und müssten sich andere Aufgaben suchen. Er sagt: "Wir müssen dafür kämpfen, dass der Standort Rottweil erhalten bleibt." Zudem setzt er auf das Prinzip Vernunft und sagt, er könne sich nicht vorstellen, dass das Finanzministerium einer Lösung zustimmen werde, die das Vierfache der bislang geplanten kosten würde.

Nach unseren Informationen ist der dem Finanzministerium angeschlossene Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden-Württemberg dabei, die einzelnen Szenarien auf Verfügbarkeit und Finanzierbarkeit zu prüfen. Ende des Monats sollen Ergebnisse vorliegen.

Kommentar: Keine Lobby

Von Armin Schulz

Wenn kommt, was hinter den Kulissen geplant wird, dann gehören Rottweil und Tuttlingen zu den großen Verlierern der neuerlichen Polizeistrukturreform durch die nun grün-schwarze Landesregierung. Tuttlingen ist dann nicht mehr Präsidiumssitz, Rottweil verliert die Kriminalpolizeidirektion. Das wäre ein herber Verlust für die Region Schwarzwald-Baar-Heuberg. Was schlimmer wiegt: Die Reform der Reform würde nichts besser, sondern alles schlimmer machen, ohne ins jeweilige Detail gehen zu wollen. Wer aber zentrale Aufgaben an den Rand einer Gebietskulisse setzt, wie mit Konstanz und Singen geschehen würde, macht denselben Fehler, den die Vorgängerregierung begangen hat. Die Polizeiarbeit vor Ort würde durch längere Abstimmungswege kompliziert und ineffektiv. Man fragt sich: Hat die Region keine Lobby in Stuttgart?