Albert Schmidt, stellvertretender Abteilungsleiter des Betriebshofs, erklärt, dass die inzwischen gefällte Kastanie am Bockshof nur an der Bruchstelle morsch war. Foto: Fleig

Schwachstelle war Stadt bekannt. Anwohner wohl keiner Gefahr ausgesetzt. Versicherungsfrage noch ungeklärt.

Rottweil - Wie gefährlich morsche Stellen an sonst gesunden Bäumen sind, hat die Kastanie gezeigt, deren Stämmling am Wochenende im Bockshof abgebrochen ist. Sie stand zwar bereits unter Beobachtung, galt jedoch als stabil.

Bei einem Sturm kann immer etwas passieren, egal ob ein Baum nun morsche Stellen hat, oder nicht. Das erklären Kurt Faupel, Albert Schmidt und Tobias Hermann von der Rottweiler Stadtverwaltung im Gespräch mit unserer Zeitung. Bei der inzwischen gefällten Kastanie am Bockshof sei der Stämmling, also einer von drei ausgetriebenen Stämmen, nach oben hin bis in die Krone komplett gesund gewesen, nur an der Bruchstelle habe es "faule", also morsche Teile gegeben. Deshalb sei die Krone des 110 Jahre alten Baums bereits mit Sicherheitsgurten fixiert gewesen.

Stadtverwaltung: Vorfall äußerst unwahrscheinlich

Der Stadt war also bekannt gewesen, dass die Kastanie am sogenannten "Zwiesel" morsch war, eine Schwachstelle hatte. Zwiesel sind besondere Formen des Stammwuchses an Bäumen. Dabei bildet der Baum seinen Stamm nicht mehr aus einem, sondern aus zwei oder mehreren Trieben aus. Die Bruchgefahr solcher Zwieselbäume ist besonders groß. Die Anwohner des Bockshofs hätten deswegen aber keineswegs in Gefahr gelebt, meint das Trio der Stadtverwaltung.

Im Fall der mittlerweile gefällten Kastanie sei die Standsicherheit nur durch den Abbruch ihres Stämmlings gefährdet gewesen. Das hatte die Fällung notwendig gemacht, andernfalls hätte die alte Kastanie noch einige Jahre überdauert. Sachbearbeiter Faupel: "Ich bin überzeugt, sie wäre nochmals zehn oder 15 Jahre so stehengeblieben."

Grundsätzlich befänden sich die Bäume am Bockshof in einer windgeschützten Lage. Deshalb sei die Wahrscheinlichkeit, dass der Sturm so ungünstig gegen den Baum drückt, dass er bricht, äußerst gering gewesen. Hinzu komme, dass durch den Starkregen und das dichte Blätterdach eine ungewöhnlich große Last auf die Äste eingewirkt habe. Deswegen sind sich die städtischen Mitarbeiter auch einig: Mit so etwas war nicht zu rechnen.

Nun ist der Bruch des Stämmlings nicht rückgängig zu machen, die Tribüne des Zimmertheaters sowie Scheinwerfer und die Tonanlage wurden stark in Mitleidenschaft gezogen.

Am Montag sei der Schaden bei der Stadt angemeldet worden, berichtet Kulturamtsleiter Marco Schaffert im Gespräch mit unserer Zeitung. Dabei stehe vor allem der Schaden an den zerschmetterten Scheinwerfern im Vordergrund, den er mit etwa 1500 Euro beziffert. Die Tonanlage könne laut Intendantin Bettina Schültke gelötet werden, sie sei zur nächsten Aufführung des Sommerstücks morgen, Donnerstag, voraussichtlich wieder einsatzbereit. Scheinwerfer miete sich das Zimmertheater dazu an.

Derzeit prüfe die Versicherung, ob die Stadt den Schaden zu vertreten habe. Ist das der Fall, so bekomme das Zimmertheater den Preis der Scheinwerfer ersetzt. Sollte die Versicherung hingegen höhere Gewalt geltend machen, bleibt das Theater vermutlich auf den Kosten sitzen. Schaffert betont, er stünde in Kontakt zu den Intendanten.

Die Tribüne jedenfalls wird auf Stadtkosten repariert. Da damals keine Übereignung stattgefunden hat, befinde sie sich immer noch im Eigentum der Stadt.

Info: Baumkataster

Bereits vor dem Sturm war die Stadtverwaltung dabei, ein neues Baumkataster einzurichten. Es soll helfen, die Bäume noch besser im Blick behalten zu können. Hintergrund ist die Verkehrssicherungspflicht der Stadt im öffentlichen Straßenraum. Denn: Wenn ein Mensch durch einen Baum verletzt wird, der vorher morsch war und hätte beseitigt werden müssen, haftet die Stadt.

Deshalb werden nun rund 10 .000 Bäume in einem Verzeichnis erfasst (Lage, Gesundheit, Zustand, Art, Größe). Auch werden sie mit GPS-Daten und Nummern versehen, sodass sie gezielt von Baumpflegern aufgesucht werden können. Ende des Jahres soll das Kataster vollständig sein. Doch selbst wenn die Baumkontrollen dann noch systematischer erfolgen – "alles sieht man nicht", sagt Albert Schmidt, stellvertretender Abteilungsleiter des Betriebshofs.

Es könne nicht für jede Standardkontrolle eine Hubarbeitsbühne geholt werden. Das werde nur bei bereits auffälligen Bäumen gemacht.