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Bei Bürgerversammlung kommen sowohl JVA-Befürworter als auch Gegner zu Wort. Wie sind Chancen für die Stadt?

Rottweil - Es ist ein Abend der vielen Worte, auch der markigen Sprüche. Vor allem aber ist es einer, an dem die Bürger zu Wort kommen. Viele. Mancher nutzt die Chance auch, um ein Statement abzugeben.

Viel ist in Rottweil schon geredet worden über das Gefängnis. Manchen zuviel. Dennoch: Es war die Zeit, die den drei Fragenrunden ein Ende setzt.

Warum überhaupt ein Neubau?

Zwar will gleich der erste Redner, Gerhard Aden, diese Runde kippen, noch bevor sie gestartet ist. Dazu kommt’s aber  nicht. Das bietet  Herbert Gwinner aus Rottweil Gelegenheit, das Mikrofon zu ergreifen: Bedarf es überhaupt einer Einrichtung mit 400 bis 500 Plätzen? Das, antwortet Justizminister Rainer Stickelberger, sei der Bedarf, den das Land sieht. Unter anderem von der wirtschaftlichen Entwicklung hängt  die Zahl der Gefangenen ab – je schlechter sie ist, desto voller sind die Gefängnisse. Das mag derzeit kein Problem sein, könne sich aber schnell ändern. Weniger nüchtern geht Ausgrabungsleiter  Thomas Schlipf an die Sache heran. Er, der beruflich die Vergangenheit Rottweils im Blick hat, verweist  auf die über 1000-jährige Geschichte der Stadt als Justizstandort. "Daran kommt auch die Landesregierung nicht vorbei, das muss erhalten bleiben." Und  ihm fehlen die Emotionen in der Diskussion: Warum nicht eine  Sonderausstellung zum Thema machen? Das könnte doch die Gefühle  wecken. Nicht, dass die gestern Abend  nicht immer wieder aufwallen. Sie äußern sich bevorzugt in Beifall, aber auch in Buhrufen. Überwiegend allerdings  ist die Atmosphäre sachlich.

Standort Esch: Zustimmung erhält beispielsweise Wolfgang Blässing von der Bürgerinitiative. Der gab ein Statement gegen den Standort Esch ab und erklärte, in Deutschland würde täglich die Fläche von  104 Fußballfeldern versiegelt. Warum jetzt auch noch hier? "Es ist unverantwortlich, dort zu bauen."

Andere freilich stellen hervor, wie dringend notwendig ein neues Gefängnis ist. Anstaltsbeirätin Ursula Spreter etwa. "Für Gefangene ist es wichtig, dass ihre Angehörigen schnell da sind." Das spricht für sie eindeutig für Rottweil, das ideal angebunden sei – dank der A 81.

Auch Michael  Leibrecht, katholischer Seelsorger im Rottweiler Gefängnis, hatte es zuvor schon kurz, aber eindeutig formuliert: Um die Inhaftierten seelsorgerlich angemessen betreuen zu könne, bedürfe es eines Raumes, der nicht gleichzeitig als Raucher-, Sport- und Fernsehzimmer dient. Dafür fehlt hinter Gittern bisher der Platz. Auch Minister Stickelberger betont immer wieder, dass für therapeutische Maßnahmen, Sport und Arbeitsmöglichkeiten die alten JVA nicht mehr ausreichen.

Gefängnis wirkt „wie eine Festung“

Überhaupt die Ausmaße: Wie groß soll es denn werden, das Gefängnis, will ein Bürger wissen. Die Antwort liefert Edwin Dalibor vom Amt für Vermögen und Bau. Derzeit sei das Offenburger Gefängnis das modernste im Land. Diese JVA ist es auch, die auf der Fotomontage des Esch zu sehen ist. "Wie eine Festung", schreit einer der  wenigen Zwischenrufer bei dem Anblick. Die Mauer dort sei 5,50 Meter hoch. Die Gebäude sind dann 30  Meter zurückgesetzt. Die Unterkünfte haben eine Höhe von 13 Metern, Werkstätten mit aufgesetzter Verwaltung kommen laut Dalibor auf zehn. "Ich gehe davon aus, dass es so aussehen wird wie in Offenburg", erklärt er. Worauf Staatsrätin Gisela Erler allerdings Einspruch erhebt: Eine Festlegung gebe es noch nicht. Stickelberger formuliert es dann diplomatischer. Das Gefängnis könne man sich in vielfältiger Bauform vorstellen. Aber nicht im Esch: Das macht eine Villingendorferin klar. "Der Standort Esch ist unser Spielplatz." Dafür erntet sie "Ah"-Rufe aus dem Publikum. Die Frau erklärt dennoch: "Ich find es unerhört, dass es keinen Bürgerentscheid gibt." Der Rottweiler Gemeinderat hatte sich bekanntlich dagegen entschieden.

Ein weiterer Villingendorfer, der aus Rottweil stammt, erklärt darüber hinaus, er sei zwar kein Gegner des Gefängnisses, aber gegen den Standort Esch – in seinen Augen steht diese Wahl  im krassen Gegensatz zum Bestreben der Stadt, mit dem Aufzugtestturm weitere Touristen anzulocken.

Landschaft- und Naturschutz sind darüber hinaus immer wieder ein  Thema. Und ein Rottweiler Landwirt meldet sich zu Wort: Bisher ist das vorgesehene Areal im Esch Ackerland. Wie sieht die Ausgleichsplanung aus? Was  viel  landwirtschaftlich genutztes Gebiet geht dafür verloren? Dalibors Antwort: "Das können wir im Moment noch nicht fixieren.""Was mich am meisten stört, ist das Rumgeeiere der früheren und der jetzigen Landesregierung", moniert Günther König aus Rottweil. Nicht nur, dass Jahre ins Land gegangen sind:  "Das hat ein Schweinegeld gekostet", mutmaßt er.  "Natürlich sind Kosten angefallen", entgegnet Rainer Stickelberger. Aber diese seien es bei einem 80-Millionen-Projekt wert. Das Vorhaben gebiete es, dass man sich informiere und sich mit der Bevölkerung auseinandersetze – "auch wenn’s unbequemer ist".

Apropos unbequem. Am Mittwochabend hatten sich der Minister und die Staatsrätin bereits den Fragen der Meßstetter Bürger gestellt. In diesem Zusammenhang fragt sich ein Rottweiler Zuhörer: Spielt in Meßstetten der ökologische Faktor – also nicht noch mehr Flächen zu versiegeln, wie oft angeführt – überhaupt eine Rolle? Rottweil liegt deutlich zentraler, sagt der Justizminister. In Meßstetten stehe die Strukturpolitik im Vordergrund. Nach der Schließung der Kaserne sieht es in der Stadt düster aus. "Ich versiegele auch dort die Landschaft." Und: "Es wird eine große Fläche des Grundstücks neu bebaut."Und dann stellt  Stadträtin Sibylle Schumacher eine kurze,  doch wichtige Frage für Rottweil: "Wie zuverlässig ist die Aussage, dass bis Juli eine Entscheidung fallen wird?" Ministerpräsident Kretschmann, Vize Nils Schmid und er hätten entschieden, dass dies vor der Sommerpause der Fall sein soll, erklärt Stickelberg. "So ist es vorgesehen. Ich hoffe, dass es dann auch so klappt."

Chancen für die Stadt: In der letzten Fragerunde nutzt Landgerichtspräsident Dietmar Foth seine Chance für einen flammenden Appell und beantwortet dabei eine  Frage, die zuvor unbeantwortet blieb. Der Gefängnisbau sei für Rottweil als Justizstandort von großer Bedeutung. Am Landgericht (LG)  mit Gefängnis-Sitz sei  die Strafvollstreckungskammer angesiedelt. Unter anderem erhalte das LG so eine bis 1,5 mehr Richter-Stellen. "Dadurch wird das Landgericht gestärkt." Für Foth ist die Sache eh klar: "Da sprechen alle Fakten für Rottweil." Und für den Rest? Der erhält gestern zumindest viele Antworten.