Gestern in Meßstetten, heute in Rottweil: Bürgerversammlungen / Eine Zwischenbilanz

Von Armin Schulz

Rottweil. Das Gefängnis-Duell zwischen Rottweil und Meßstetten kommt in die entscheidende Phase. In Meßstetten im Zollernalbkreis hat gestern eine Bürgerversammlung zur möglichen Ansiedlung einer JVA auf dem ehemaligen Kasernengerlände stattgefunden. Heute wird es in Rottweil eine gleichartige Veranstaltung geben. Im Mittelpunkt: der eventuelle Standort Esch. In der Fußballersprache ausgedrückt: Gestern war das Hin-, heute folgt das Rückspiel. Der Gewinner steht indes erst Mitte Juli fest. Schade. u Die Ausgangslage vor der gestrigen Veranstaltung in der Turn- und Festhalle Meßstetten: Beide Kommunen sind in einem aus Rottweiler Sicht als ewig empfundenen Suchlauf noch übrig geblieben. Die neue Vollzugsanstalt für 400 bis 500 Häftlinge kommt nach Meßstetten oder Rottweil, je nachdem, wie die Landesregierung Mitte Juli entscheidet. Wichtiges Kriterium neben vielen ist dieses, wie die Bürger zu einer Justizvollzugsanstalt grundsätzlich stehen. Daher wurde und wird den beiden Bürgerversammlungen gestern und heute eine gewisse Bedeutung zugemessen. Die wichtigsten Unterschiede: Meßstetten befasst sich seit drei Jahren mit einer JVA-Ansiedlung, Rottweil seit Jahrzehnten. In Meßstetten hat dieses Thema bislang kaum einen gekümmert, erst am Montag wurde eine Bürgerinitiative gegen die JVA gegründet, Rottweil hingegen ist streiterprobt, Pro- und Kontra-Argumente werden seit Jahren, mit mitunter überaus harten Bandagen, ausgetauscht. Meßstetten ist kein Justizstandort, Rottweil ist es seit Jahrhunderten, Meßstetten hat mit dem ehemaligen Kasernengelände eine fast 50 Hektar große Konversionsfläche, Rottweil mit dem Esch eine als Acker genutzte Fläche inmitten einer unberührten Natur, wie die Gegner betonen. u Die Stimmungslage im Hinspiel in Meßstetten: schwer einzuschätzen. Weder die Befürworter, noch die Gegner gewinnen die Oberhand. Weite Strecken der Veranstaltung sind fair, nur ab und an sind die Wortmeldungen als unter der Gürtellinie einzuordnen. Beispielsweise, als ein aufgebrachter Bürger den Meßstetter Bürgermeister Lothar Mennig der Lüge bezichtig, weil dieser anscheinend in einem Zweier-Gespräch zugesichert haben soll, dass es in Meßstetten keinen Knast geben werde. Mennig widerspricht. Hier steht Aussage gegen Aussage. u Die Strafraumszenen: gab es hüben wie drüben, wobei die Gefängniskritiker etwas aktiver waren. Das mag auch daran gelegen haben, dass die direkt von einer JVA-Ansiedlung auf dem Kasernengelände Betroffenen einer ziemlich großen Familie entspringen. Diese war gestern einerseits stark vertreten, andererseits sehr gesprächig: Die Familienmitglieder meldeten sich oft zu Wort. Wiederum fiel auf, dass die Befürworter vor allem aus den Reihen der Gemeinderatsfraktionen stammten. Der Gemeinderat scheint übrigens eindeutig für die JVA in Meßstetten zu sein. u Gelbe oder rote Karten: kamen offiziell nicht zum Einsatz. Doch hätte Justizminister Rainer Stickelberger eine im Ärmel gehabt, er hätte sie (eine gelbe) vermutlich dem Meßstetter Bürgermeister gezeigt, als dieser eine Wortmeldung doch ziemlich schroff und etwas ungelenk zu parieren versuchte. Das kam beim Minister und auch bei Staatsrätin Gisela Erler nicht sonderlich gut. Stickelberger runzelte etwas mehr als nur die Stirn, Erlers Handbewegungen brachten zum Ausdruck: den Ball flach halten. u Die bestimmenden Spielzüge: Gab es nicht, dafür bestimmende Themen. Die Angst geht um in Meßstetten. Angst vor freilaufenden Sexualstraftätern, vor rückfällig werdenden Freigängern, vor Ausreißern. Angst um die eigenen Kinder. Berechtigte Sorgen einerseits, aber keine entscheidenden Argumente, wie Staatsrätin Erler mit verblüffender Offenheit bekannte. Hier kann man eine weitere Parallelität zu Rottweil erkennen, wobei in der Stadt diese Debatte bereits vor Jahren intensiv geführt wurde. Inzwischen spielt dieser Aspekt kaum mehr eine Rolle (gut so). Hier geht es um ein anderes Thema: die Ökologie. u  Der Respekt gegenüber Rottweil ist groß. Zumindest bei Gisela Erler. Die Staatsrätin, die immer mal wieder mit ihren offenen Worten für Aufmerksamkeit sorgt, sprach den Meßstettern ins Gewissen, als die Bedenken gegenüber einem Gefängnis immer stärker artikuliert wurden. Sie verwies auf Rottweil, darauf, dass sich die Verwaltung auf die Hinterbeine stelle, dass sie mit Alfons Bürk einen Berater habe, der auch das Mega-Projekt Testturm in der Stadt durchgesetzt habe. Rottweil, so Erlers Eindruck, habe bislang Neues immer wieder abgewehrt. Das habe sich nun geändert. Nun habe Rottweil eine Vision, das fehle den Meßstettern. u Die Chancen für das heutige Rückspiel: stehen nicht schlecht. Mit der richtigen Taktik, der richtigen Mannschaftsaufstellung und einer geschlossenen Team-Leistung kann Rottweil punkten. Bedingungen: offen und fair mit Gegnern und Kritikern umgehen, sich deren Argumente nicht nur anhören, sondern sich mit diesen auch befassen, auseinandersetzen. Denn eines wurde gestern auch deutlich: So einfach ist der Umgang mit der Konversionsfläche in Meßstetten (dem stärksten, vermutlich auch dem einzigen Argument dort) nicht. Von 50 brach liegenden Hektar werden lediglich zwölf gebraucht. Was zudem mit den dortigen Sportmöglichkeiten passiert, ist noch offen. Wie sagte Minister Stickelberger: Mit einer JVA lassen sich nicht alle Meßstetter Strukturprobleme lösen.