Der Schwurgerichtssaal des Landgerichts Rottweil bietet den Rahmen für die Feierstunde. Fotos: Parage Foto: Schwarzwälder-Bote

Engagement: Bewährungshilfeverein im Landgerichtsbezirk Rottweil feiert 60-jähriges Bestehen

Seit 60 Jahren kümmert sich der Bewährungshilfeverein im Landgerichtsbezirk Rottweil um straffällig Gewordene. Dass mit den Jahren viele weitere Aufgaben dazu gekommen sind, wurde in der gestrigen Feierstunde deutlich.

Kreis Rottweil. "What a Wonderful World" spielte Gitarrist Michal Stanikowski zum Auftakt der Feier im Schwurgerichtssaal des Landgerichts Rottweil. Ein Ort, an dem sich schon viele Verhandlungen abgespielt haben, die so manchen an der wunderbaren Welt zweifeln lassen. Und dennoch: Mit seinem Spiel brachte Stanikowski musikalische Leichtigkeit in die Jubiläumsfeier eines Vereins, der es naturgemäß mit den dunklen Seiten des Lebens zu tun hat. So ähnlich formulierte das auch Albrecht Foth, Vorsitzender und Leitender Oberstaatsanwalt a. D.

In den vergangenen zehn Jahren habe sich der Verein mehr verändert als in den 50 davor, erklärte Foth. Der Verein unterstützte zu Beginn die Bewährungshelfer und ihre Schützlinge lediglich finanziell. Achim Brauneisen, Vorsitzender des Verbandes Bewährungs- und Straffälligenhilfe Württemberg sowie Generalstaatsanwalt, sprach in seinem Grußwort wenig später von einem "Geldbußensammelverein". Dieses Geld wurde an entlassene Straftäter weitergegeben "zur Überbrückung der größten Not".

Bis zum Jahr 2007, als das Land die Bewährungshilfe an einen privaten Träger, "Neustart", übergab. Damit veränderten sich für die Bewährungshilfevereine vieles. So beschäftigt der Rottweiler Ableger inzwischen drei hauptamtliche Sozialpädagoginnen, davor geschah alles ehrenamtlich. Und er hat neue Aufgaben erhalten. Foth berichtete vom Projekt "Schwitzen statt sitzen", bei dem straffällig Gewordene gemeinnützige Arbeit leisten – entweder als Bewährungsauflage oder weil sie die auferlegten Geldbußen nicht bezahlen können. "Als Nebenprodukt ergibt sich häufig noch die Schuldnerberatung."

Dazu kommt das Nachsorgeprojekt Chance. Der Verein steht dabei Entlassenen etwa bei der Wohnungs- oder Arbeitsplatzsuche zur Seite. Zudem gibt es ein Eltern-Kind-Projekt, bei dem die Beziehung zwischen dem inhaftierten Elternteil, zumeist die Väter, und dem Kind gestärkt werden soll. Und es gibt Anti-Agressivitäts-Training. Auch die Begleitung von Zeugen bietet der Bewährungshilfeverein an. Dieser Bereich wird ab dem 1. Januar 2017 erweitert um die psychosoziale Prozessbegleitung.

Achim Brauneisen dankte vor allem Albrecht Foth für dessen Einsatz. "Sie haben den Verein in eine neue Zeit geführt." Die Gruppe habe seit 60 Jahren eine wichtige Mission, weil sich seine Mitglieder um Menschen kümmerten, die sonst nicht viel Fürsorge zu erwarten hätten.

Und er nutzte die Chance, vor vielen anwesenden Juristen, darunter zahlreiche Richter und Staatsanwälte, die Finanzierung der Angebote anzusprechen. Bußgeldzuweisungen würden in Teilen wegbrechen. "Das ist nicht gut", sagte er. "Unterstützen Sie diesen Verein." Bei dessen Mitgliedern bedankte er sich für die "exzellente Arbeit".

Landgerichtspräsident Dietmar Foth hat nicht nur den Vorsitzende des Bewährungshilfevereins, seinen Onkel, in der Familie, sondern denselben Jahrgang wie der Verein, 1956. Dieser komme seinem Ziel in vorbildlicher Weise nach, "alle wichtigen Aufgaben, die von staatlicher Seite so nicht geleistet werden oder geleistet werden können."

Joachim Dittrich, der Leitende Oberstaatsanwalt in Rottweil, bezeichnete den Bewährungshilfeverein als eine Institution, an der man nicht vorbeikomme. Sich um Straffällige und ihre Angehörigen zu kümmern, sei eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft. Geht es nach Dittrich, dann dürfte sich das ruhig auch im Verein widerspiegeln: Dessen Mitglieder sind vor allem Juristen.

In einem Impulsreferat ging anschließend Tina Neubauer von der "PräventSozial" gGmbH des Stuttgarter Bewährungshilfevereins auf die psychosoziale Prozessbegleitung (PPB) ein. 45 ausgebildete Prozessbegleiter gibt es in Baden-Württemberg, zwei davon sind Mitarbeiterinnen des "Jubilars": Sie nehmen im Januar ihre Arbeit auf und werden Opfer, die als Zeugen aussagen, begleiten. Ziel ist es, diese auf die Verhandlungen vorzubereiten, ihnen juristische Formalitäten zu erklären und ihnen helfen, Ausnahmesituation, die sie vor Gericht erleben, zu bewältigen. Die Arbeit geht dem Bewährungshilfeverein im Landgerichtsbezirk Rottweil also nicht aus.