Willkommen, Johann Reißer: Am Dienstagabend begrüßt OB Ralf Broß den 14. Stadtschreiber. Foto: Schnekenburger Foto: Schwarzwälder-Bote

Zum Rottweil-Aufenthalt schickt die Vorgängerin einen Beipackzettel / Unverhoffte Nachbarschaft und erste Texte

Von Bodo Schnekenburger

Rottweil. Längst sind sie wichtige Beiträge geworden, die Übergabe-Texte von Stadtschreiber zu Stadtschreiber. Geplant war das nicht, doch nimmt es das Publikum gerne an. Auch gestern, als sich Lisa-Marie Dickreiter aus ihrem Amt verabschiedete und ihrem Nachfolger Johann Reißer eine kleine Handreichung für die nächsten Wochen gab.

Die Begrüßung des neuen literarischen Stadtschreibers vollzog sich dieses Jahr nicht an Wohn-, sondern an einem der absehbaren Arbeitsorte des Stipendiaten: Reißer will mit den Teilnehmern der offenen Jugendschreibwerkstatt ein Medientheaterstück erarbeiten. Aufführung im Zimmertheater. Genau dort begrüßte Oberbürgermeister Ralf Broß gestern den 1979 in Regensburg geborenen Reißer. Aufgewachsen, so hatte der Schriftsteller selbst schon festgestellt, quasi in der Nachbarschaft eines neuen Nachbarn. Der Maler Joseph Fiertmair, er hat für die Jesuiten die Kapellenkirche gestaltet, ist vor gut 300 Jahren in Schwandorf in der Oberpfalz geboren und aufgewachsen. Jetzt hat Reißer auf Zeit dort Quartiert bezogen, wo auch Fiertmair lebte. Beide, um künstlerisch zu arbeiten, beide aus derselben Gegend, beide in Rottweil.

Gedanken hat er sich darüber online schon aus dem Kopf geschrieben. Er ist also angekommen in Rottweil, zu dem ihm der Oberbürgermeister nicht nur ein Bilderbuch, sondern auch eine Reihe Themenvorschläge gab, verbunden mit dem Hinweis, dass das Pflichtpensum, das haben die früheren Stadtschreiber bestätigt, zu schaffen sei, man sich, "so eitel sind wir dann auch wieder", aber gerne auch auf die Kür, ein möglicherweise anekdotenbehaftetes Rottweil-Stück freue. Themen gebe es genügend, im Zweifelsfall von der ältesten Stadt Baden-Württembergs bis hin zur "Stadt der Türme".

Konviktsdirektor Ulrich Fiedler begrüßte die aktuelle Besetzung des "jedes Jahr gerne gesehenen Gastes" herzlich. Die große Konviktsfamilie wünsche sich, dass sich Reißer schnell heimisch fühlt, die Teilnahme vieler Konviktoren an der Begrüßungsfeier zeige das Interesse am Stadtschreiber, einer Institution, die "geradezu ideal zum musischen Profil unserer Einrichtung" passe. Haussprecher Daniel Schöffel machte dem Gast, der jetzt seinen Alltag mit Jugendlichen teilen werde, "was nicht immer einfach ist", Mut. Wenn’s zuviel werden sollte, wisse Lisa-Marie Dickreiter sicher guten Rat. Auch habe es positive Seiten "in einem so belebten Haus zu arbeiten". Die Fußstapfen, in die Reißer trete, seien groß, aber "Potenzial ist vorhanden, Sie müssen es nur noch bergen.

Schließlich kam Lisa-Marie Dickreiter zu Wort, wobei die "Handreichung" vor Ort Jane Frank übernahm, den die Stadtschreiberin 2014 ist krank. Also las Frank, von Dickreiter auch als "die Seele des Präparats ›Stadtschreiber Rottweil‹" bezeichnet, was die scheidende Stadtschreiberin ihrem Nachfolger in Form eines Beipackzettels auf den Weg mitgibt. Ob Reißer ob der hohen Dosis des Wirkstoffs "Konviktoren" Zuversicht oder Bedenken mitnimmt, wird man erfahren. Er selbst stellte sich jedenfalls mit einem launigen Text, der Tiefe ironisch serviert, nachdenklich macht – und Lust auf mehr.