Foto: Schnekenburger

Cornelia Schönwald inszeniert Komödie zum Abschied vom Rottweiler Zimmertheater. Verabschiedung von Tonio Kleinknecht.

Rottweil - Mit einem ebenso lauten wie beredten Paukenschlag verabschiedet sich Tonio Kleinknecht von Rottweil. Nach zehn Jahren geht der Intendant des Zimmertheaters ans Stadttheater Aalen. Zum Finale servierte er mit »Lysistrate« eine Produktion, in der manches, was seine Arbeit und die seiner Frau Tina Brüggemann, mit der er sich die Intendanz lange geteilt hatte, in Rottweil prägte.

Im Bockshof in Rottweil erlebte das Premierenpublikum eine Inszenierung, in der Cornelia Schönwald die Geschichte virtuos auslotet. Aristophanes’ Komödie, in der die Frauen, der ewigen Kriege der Männer müde, mit einem einfachen Plan Frieden zwischen Athen und Sparta schaffen, bekommt mit Zitaten von Frauenrechtlerinnen, Philosophinnen und Politikerinnen aus den vergangenen gut 100 Jahren eine ernste und mit dem – nicht ausgespielten Blick auf die noch immer gegenwärtige Realität in vielen Ländern – gesellschaftliche Aktualität. Die Texte sind getragen von Empathie und Analyse, von moralischer Forderung und scharfer Argumentation.

Das funktioniert einerseits sehr gut, weil Schönwald diese fordernden Passagen mit feinem Timing ins turbulente Spiel bettet, andererseits, weil das Ensemble solches Umschalten erlaubt. Claudia Sutter gelingt es mühelos, die Lysistrate als herausgehobene, gut antizipierende, überlegt vortragende und geschickt handelnde Figur zu akzentuieren, die freilich ob des eigenen Plans, der mit selbstbewusstem Auftreten, Verführung und Zurückweisung die Männer zum Umdenken zwingen will, selbst leidet. Denn auch die Frauen haben ihre erotischen Wünsche.

Während sie die Anführerin Lysistrate nur knapp aufblitzen lässt, tun sich die anderen schwerer mit der köstlich prononcierten »Enth..., Entha..., Enthaaaaltung« deutlich schwerer. Lediglich die hitzköpfige Chorführerin, bleibt dem Plan verpflichtet. Alessandra Ehrlich überzeugt nicht nur in dieser Rolle. Vor allem als aufbrausende, auf Kampfgesten gebürstete Spartanerin Lampito, die sie als Chorführerin im Spiel zitiert, darf sie sich der Aufmerksamkeit des Publikums – und der Demut der Männer – sicher sein.

Franziska Anna Bonn tritt als Kalonike köstlich laut auf, um dann, wenn es gefährlich wird, sich schnell hinter den Gefährtinnen zu verschanzen. Dabei wird ein komödiantisches Talent vor allem bei den Fluchtszenen ausgespielt.

Geheimnisvoller, geschmeidiger tritt Myrrhine auf: Fabienne Trüssel lässt auch sie leiden, durchaus affektiert, und in der Friedensmission raumgreifend zu Hochform auflaufen. Mädchen aus den Jugendclubs ergänzen das Frauenheer, das die Burg, den Rottweiler Pulverturm besetzt hält.

Ihre Gegenspieler leiden nicht minder. Nicht nur wegen der erzwungenen Enthaltsamkeit, die sie nicht verstehen können, weil die sexuelle Dienstbarkeit der Frauen bislang selbstverständlich war. Schon der Einzug des Ratsherrn zeigt einen müden Kämpfer.

Patrick Hellenbrand fasziniert auch in dieser Rolle mit großer Präsenz und Authentizität. Auch Ralf Schneckenburger, als Kriegsgefährte und spartanischer Herold, legt mit viel Energie urkomödiantisch einen Spannungsbogen in die Szenen.

Der Auftritt der Männer bekommt in Rottweil auch musikalische Gestalt: Ein Ensemble der Stadtkapelle, von Kinesias grotesk dirigiert, ist für Triumph und Niederlage zuständig und gibt im Höhepunkt, dem Friedensschluss, köstlich, ein von der eigenen Männlichkeit geschlagenes Heer.