Prozess: Bei Überfall auf Joggerin in Schiltach statt versuchten Mords ist ein Urteil wegen Nötigung und Körperverletzung möglich

Dass die Hammerschläge gegen eine Joggerin auf freier Flur bei Schiltach am 19. Februar 2017 tödlich hätten enden können, daran lassen Gutachter keinen Zweifel. Die Umstände der Tat könnten aber zu einem Urteil wegen Nötigung in Verbindung mit gefährlicher Körperverletzung veranlassen.

Kreis Rottweil. An den zurückliegenden Verhandlungstagen zum heute 24-jährigen Angeklagten wurde von zahlreichen Zeugen das Bild eines Menschen gezeichnet, der bei der Arbeit oder im Umgang mit Kumpels und Freundin als liebenswerter Zeitgenosse auftrat. "Im stillen Kämmerlein" mutierte er aber schnell zu einer Person, die es unverbesserlich auf mentale Höhenflüge mittels Rauschgift anlegte, betonte am Montag auch der psychiatrische Gutachter Salabasidis den Eindruck, dass da einer bei der Gewalttat im Drogennebel aus der Realität abgedriftet war.

Dass der Täter aber zum Beispiel wegen schwerer Halluzinationen völlig weggetreten gewesen sein könnte, sieht dieser Sachverständige aber ebenfalls nicht. Auch dass der 23-Jährige im Vorfeld der Tat planerisch aktiv war, spreche gegen eine völlig aus dem Nichts zustandegekommene Affekthandlung.

Andererseits gibt es für die Erste Schwurgerichtskammer am Landgericht Rottweil aus der intensiven Beweisaufnahme deutliche Indizien dafür, die Anklage wegen versuchten Mordes fallen zu lassen. Entsprechend könnte auch das Plädoyer der Staatsanwaltschaft ausfallen, indem eine Bestrafung wegen Nötigung in Verbindung mit gefährlicher Körperverletzung gefordert wird.

Vorsitzender Richter Karlheinz Münzer betont zu dieser Einschätzung die Erkenntnis, dass der Täter sich bei dem Vergehen plötzlich von seinem Opfer abgewandt habe. Die Anklage geht davon aus, dass der Angreifer die Frau in sein Auto zerren und vergewaltigen wollte.

Der heute 24-Jährige sagte, er habe plötzlich Blut gesehen, als die schwerverletzte Frau sich kurz vor Erreichen des Fahrzeugs an ihm hochgehangelt habe, und sei sehr erschrocken. War das ein Klick-Effekt, ein Erwachen aus einem dumpfen Bewusstseinszustand, bei dem dessen Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt war? Auch das 52-jährige Opfer bestätigt, dass sie "plötzlich frei gewesen" sei. Waren es gar nicht irgendwelche Zeugen, die beim Täter den Fluchtimpuls auslösten?

Wenn die Würdigung der schlimmen Tat am 30. November in ein Urteil gegossen wird, beinhaltet der Schuldspruch auch eine starke "pädagogische Note". Soll heißen: Vielleicht für ein Jahr könnte eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angesagt sein. In der Drogentherapie müsste dann auch den Hang des Angeklagten im Rauschzustand zu pornografischen Darstellungen im Zusammenhang mit der Erniedrigung von Frauen gründlich thematisiert werden. Münzer betonte bei einer allgemein gehaltenen Erläuterung der Erkenntnisse der Prozessbeteiligten zum in nichtöffentlichen Verhandlungsabschnitten eruierten Sexualverhalten des 24-Jährigen, dass dieser sich selbst ekle, wenn er in cleanen Zustand zu einem manchmal absonderlichen Tun reflektiere.

Nach einer Entziehung dürfte der Angeklagte aber trotz allen Bedachts, ihm ein gesellschaftliches Comeback möglichst gut zu ermöglichen, an einem Gefängnisaufenthalt nicht vorbeikommen. Dass der heute 24-Jährige mit einer wirkungsvollen Therapie wieder gut Fuß fassen kann, davon zeigt sich Verteidiger Wolfgang Burkhardt überzeugt.

Der Verteidiger betont die volle Bereitschaft seiner Partei, in einem Adhäsionsverfahren Flagge zeigen zu wollen. Das Gericht will nun einen Vorschlag zu einer Schmerzensgeldregelung mit dem Opfer machen.

Dass mit Geld das Geschehen aber bei weitem nicht aus der Welt zu schaffen ist, betont ein Psychologe, der das 52-jährige Opfer seit dem Frühjahr bei ihrem Wiederhineinfinden in ein normales Leben begleitet. Da sei nämlich noch eine lange Strecke zu gehen.