Nikolaus Kinzler, Bundestagskandidat der AfD, misstraut den Parteien und tritt doch in eine ein

Von Peter Schönfelder Rottweil. Nikolaus Kinzler ist das, was man früher mit Hochachtung einen "Homo Politicus" nannte, ein Menschen, der die gesellschaftliche Entwicklung aufmerksam verfolgt, aber vielen Politikern, oder jedenfalls dem, was sie tun oder nicht tun, misstraut.Er habe "der Politik" jetzt jahrelang zugesehen, aber dabei sei "sein Hals immer dicker geworden", sagt Kinzler. Schließlich sei ihm der Kragen geplatzt. Diesmal engagiere er sich – bei der AfD, der "Alternative für Deutschland". Kinzler ist der Kandidat für den Wahlkreis Rottweil-Tuttlingen und versteht sich durchaus als Gegenmodell zu den Parteisoldaten und Berufspolitikern, die sonst den Wahlkampf unter sich ausmachen.

Er gehört ohne Frage zu den Etablierten: Abgeschlossenes Volkswirtschaftsstudium, Filialleiter einer Bank, Prüfer einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Finanzvorstand eines großen Rottweiler Unternehmens. Allesamt gut dotierte Posten, finanzielle Sorgen jedenfalls plagen ihn nicht. Der 56-Jährige könnte sich zurücklehnen und die Politik könnte ihm egal sein – ist sie aber nicht.

Er kreidet "den Politikern", und er nennt auch Namen, nicht nur ihre mangelnde Ehrlichkeit an ("Alle Politiker-Versprechen ab sechs Monate vor der Wahl sind für den Müll"), sondern auch ihre in seinen Augen offensichtliche Unfähigkeit, Probleme zu sehen und anzupacken. Stattdessen glaubten diese, die Wahrheit gepachtet zu haben, seien aber auf der anderen Seite unfähig, persönlich Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen.

Früher sei er brav aus Überzeugung zur Wahl gegangen, so Kinzler, aber die Parteien seien aus seiner Sicht immer ähnlicher geworden. Er wollte etwas tun, und das ging aber wiederum eben nur in einer Partei. Also machte er sich auf die Suche nach "Schnittmengen". Mit welchem Parteiprogramm hatte er am meisten gemeinsam? Dann landete er innerhalb weniger Tage bei der AfD, hier war die Übereinstimmung am größten.

Aber er schränkt gleich ein: "Ich bin eigentlich nicht für eine Partei geboren", so Kinzler. Er gehöre nicht zu denen, die zu allem was zu sagen haben, und das auch lauthals tun. Parteien sind ihm eigentlich zu hierarchisch, obwohl: "Die Linie muss vorgegeben sein." Auch mit den Positionen der AfD stimme er nicht in allen Punkten überein. Aber das rasante Anhäufen von Schulden, das kritiklose Durchwinken von Rettungspaketen, die Verantwortungslosigkeit gegenüber der Schuldenlast der nachfolgenden Generationen durch die etablierten Parteien, das habe ihn auf die Palme gebracht. Schließlich, von Finanzen verstehe er was. Hier könne er seine Sach- und Fachkompetenz einbringen.

Für sich persönlich erwartet er nicht viel von der Bundestagswahl. Er lacht. "Ich stehe nicht auf der Landesliste, und sich als Direktkandidat durchzusetzen, ist ja wohl eher unwahrscheinlich." Im Grunde strebe er kein politisches Amt an. Im Wahlkampf versteht er sich eher als "Multiplikator".

Ihm liege die Diskussion Auge in Auge an den Info-Ständen und bei den kleineren Veranstaltungen seiner Partei. "Ich habe mit sehr vielen Menschen gesprochen, viele haben mir Recht gegeben, aber wirklich wählen werden mich wohl viel weniger." Trotzdem hoffe er, dass die AfD im Endergebnis "alles durcheinanderwürfelt". "Ich muss den Optimismus haben, und ich habe ihn auch." Dafür habe er seine Reputation eingesetzt, aber auch ganz praktisch selbst plakatiert. Sein Wahlkampf koste ihn Geld und gespendet habe er auch eine beträchtliche Summe. Aber das sei die Sache wert. Wie es auch ausgehe, er sei stolz, dass er sich nicht länger mit der lähmenden Situation abgefunden habe und aktiv geworden sei. "Ich hab’s getan, das ist meine Belohnung."