Umstritten: die Otto-Burger-Passage. Foto: Otto

Name bleibt: Rottweiler Gemeinderat fällt denkbar knappe Entscheidung. Historiker Lutz: "Kein überzeugter Nazi."
 

Rottweil - Es ging schon auf 22 Uhr zu in der jüngsten Gemeinderatssitzung, da debattierten die Stadträte immer noch teils sehr emotional über ein höchst diffiziles Thema: Soll die Otto-Burger-Passage neben dem Schwarzen Tor umbenannt werden, weil Burger ein "überzeugter Nazi" war, wie es FDP-Stadtrat Hermann Klein in seinem Antrag formuliert hatte? Die Abstimmung fiel denkbar knapp aus: Neun Stadträte stimmten dafür, neun dagegen, fünf enthielten sich. Die Stimmengleichheit kommt hier einer Ablehnung gleich. Die Otto-Burger-Passage bleibt.

Befände sich der schmale Durchgang an anderer Stelle in der Stadt – er wäre vielleicht nie derart in den Fokus geraten. Doch die Passage befindet sich nunmal direkt neben dem Schwarzen Tor in exponierter Lage. Stadtrat Hermann Klein hatte bereits vor einem Jahr den Antrag gestellt, die Passage umzubenennen. Burger sei "ein windiger Mensch", argumentierte Klein in der Sitzung, der nicht Mitläufer, sondern Täter gewesen sei und auch in der SA-Reiterstaffel eingesetzt war. Als Leiter der Oberschule für Mädchen habe er 1938 jüdischen Schülerinnen den Zugang zur Schule verwehrt. Wenn Touristen am Schwarzen Tor vorbeigehen, sei ihnen schwer zu vermitteln, dass dieser Otto Burger in Rottweil derart geehrt wird.

Um die Sachlage besser einordnen zu können, hatte die Verwaltung Historiker Jürgen Lutz eingeladen, der sich intensiv mit der Person Otto Burger befasst hat. "Nach gegenwärtiger Quellenlage war er kein überzeugter Nazi", so Lutz’ Fazit. Burger war nach dem Krieg als "Mitläufer" eingestuft, von seinem Amt als Schulleiter enthoben und zum Studienrat degradiert worden. "Er hat sich als Opfer gefühlt und sich nie kritisch mit seiner Rolle auseinandergesetzt", so Lutz. Dies könne man als "charakterlich fragwürdig" ansehen. Es sei deshalb auch ein vertretbarer Standpunkt, wenn Burgers Name an dieser Stelle in der Stadt nicht präsent sein soll, erklärte Lutz. Gebe es den politischen Willen, die Passage umzubenennen, komme es auf die Begründung an. Die Begründung, Burger sei ein überzeugter Nazi gewesen, sei nicht angebracht. "Es gibt aber auch keine Gründe, warum sein Name bleiben sollte." Burger sei ein Karrierist gewesen, der sich für sei großes – und unerreichtes – Ziel, Oberstudiendirektor zu werden, unentwegt von Rottweil weg beworben habe.

Emotionen kochen zu später Stunde noch einmal hoch

"Die Aktenlage reicht nicht", bilanzierte FWV-Sprecher Walter Stegmann. Dem Gremium stehe nicht zu, eine 1972 demokratisch getroffene Entscheidung zu korrigieren. Auch Jörg Stauss meinte, die Ehrung zurückzunehmen sei "ein Unding". Man könne ja das Schild abschrauben zur Not. Das meinte auch Hubert Nowack (Grüne), erntete aber nur Unverständnis am Ratstisch. Ralf Armleder (SPD) erzürnte sich darüber, dass Hermann Klein private Aufzeichnungen des verstorbenen Karl Lambrecht ins Spiel gebracht hatte, die nicht zur Veröffentlichung bestimmt waren: "Sie wollen politisch Honig saugen und sich wichtig machen – das ist widerlich."

Kommentar: Ungutes Gefühl

Corinne Otto

Es bleibt ein ungutes Gefühl beim Anblick des Schildes gleich neben dem Schwarzen Tor, dem Wahrzeichen Rottweils. "Otto-Burger-Passage" steht da, und man fragt sich: Wer war das? Er war Lehrer, Lokalpolitiker – und NSDAP-Mitglied, aber "kein überzeugter Nazi", so das Fazit eines Historikers. Das mag sein. Und damit könnte man es auch bewenden lassen. Aber: Ein ehrenwerter Charakter? Herausragende Verdienste für Rottweil? Fehlanzeige. Burger war für seinen "sehr braun angehauchten Ton" bekannt. Hat sich nie kritisch mit seiner Gesinnung auseinandergesetzt. Und jetzt hängt sein Name da, neben dem Schwarzen Tor. Warum? Weil der Gemeinderat 1972 aus irgendwelchen Gründen auf die Idee kam. "Es steht uns nicht zu, das zu korrigieren", sagt Stadtrat Walter Stegmann. Wie bitte? Warum denn nicht? Etwas Mut hat noch nie geschadet.