Ein turbulenter Tag vor dem Gericht in Rottweil: Der 42-jährige Angeklagte hat sich mit einem Polizisten angeklagt. Foto: dpa

42-Jähriger beleidigt Verhandlungs-Teilnehmer. Angeklagter und Vater machen widersprüchliche Aussagen.Verhandlung fortgesetzt.

Kreis Rottweil - Teilweise chaotisch – so lässt sich die gestrige Fortsetzung des Berufungsverfahrens wegen Anstiftung zu Diebstahl und gewerbsmäßiger Hehlerei zusammenfassen: Der Angeklagte beleidigt Verfahrens-Teilnehmer. Sein Vater und seine Ehefrau geben ein seltsames Bild ab.

Wer gestern Morgen in den Sitzungssaal 114 des Landgerichts Rottweil möchte, muss zunächst eine Einlasskontrolle passieren. Der Vater und die Ehefrau des 42-jährigen Angeklagten sind als Zeugen geladen. Wolfgang Heuer, Vorsitzender Richter am Landgericht Rottweil, möchte für die nötige Ordnung sorgen.

Gleich zu Beginn der Verhandlung bezeichnet der Angeklagte einen Pressevertreter als "Presse-Moritzle". Laut des 42-Jährigen besitze die Firma, bei der er angestellt und sein Vater Geschäftsführer sei, entgegen unserer Darstellung "nicht alle, sondern nur einen Teil der insgesamt 48 Kaffeevollautomaten".

Widersprüchliche Aussagen

Die Aussagen von Vater und Sohn klaffen an einigen Stellen auseinander. Die Firma, bei der er Geschäftsführer sei, habe keine Kaffeevollautomaten und Zigaretten verkauft, sagt der Vater. Letztere habe man von ausländischen Lastwagenfahrern aus Osteuropa geschenkt bekommen und selbst weiterverschenkt, sagt er. Der Angeklagte hat in der Verhandlung am Freitag jedoch angegeben, dass er die Zigaretten weiterverkauft habe. Gemäß eines Zeugen, der Zigaretten von dem 42-Jährigen erstanden hat, handle es sich aufgrund des Steuerzeichens aber um deutsche Zigaretten.

Bei einer Rolex-Uhr, die dem Angeklagten nach dessen Verhaftung abgenommen wurde, machen Vater und Sohn ebenfalls widersprüchliche Aussagen. Am Freitag hat der 42-Jährige erklärt, er habe die Uhr für seinen Vater gekauft, der sie ihm überlassen habe. Dieser gibt wiederum an, dass er die Uhr von seinem Sohn als Geschenk für seine Hilfe erhalten habe.

Der Vater des Angeklagten geht immer wieder auf andere Gerichtsverfahren gegen seinen Sohn ein. Er beschwert sich dabei über das seiner Meinung nach ungerechte Verhalten der Justiz. Als der 42-Jährige sein Fragerecht an seinen Vater wiederholt nicht zu konkreten Gegenständen des Verfahrens nutzt, ermahnt ihn Heuer. Dann beleidigt der Angeklagte den Presservertreter erneut und zudem einen der beiden Schöffen.

Angeklagter legt sich mit Polizisten an

Heuer schreitet wieder ein: "Jetzt reicht es", ruft er laut und schlägt mit einer Hand auf die Holzbank. Er unterbricht die Sitzung für 15 Minuten. Grund sei das "aufbrausende und beleidigende Verhalten des Angeklagen". Die Beleidigung gegenüber dem Pressevertreter nimmt der Vorsitzende Richter in das Protrokoll auf. "Sie können einen Strafantrag stellen", sagt Heuer zu ihm.

Anschließend soll die Ehefrau des Angeklagten ihre Aussage machen. Im Stehen möchte sie über die rechtlichen Grundlagen des Verfahrens sprechen. Heuer und Joachim Dittrich, Leitender Oberstaatsanwalt, belehren sie. Sie erkenne das deutsche Rechtssystem nicht an, sagt die Ehefrau. Nach etwa zwei Minuten ist ihr merkwürdiger Auftritt beendet.

Dann trägt der Sachverständige sein Gutachten über den Angeklagten vor. Er hält ihn für "voll schuldfähig". Der Gutachter spricht von mehreren Erkrankungen bei dem 42-Jährigen: ADHS, Stimmungsschwankungen, ein manisch-depressiver Zustand und eine Angststörung. "Es handelt sich um eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit impulsiven, dissozialen, narzisstischen, theatralischen, zwanghaften und ängstlichen Elementen", sagt der Gutachter. Die schweren Störungen behinderten den Angeklagten in seiner Lebensführung, ergänzt er. Eine allgemeine und eine Legalprognose zu treffen, sei "schwierig".

Der Angeklagte möchte die Verhandlung während des Gutachter-Vortrags wegen des sofort anstehenden Hofgangs verlassen. Heuer ordnet an: Sie bleiben. Am Ende legt sich der Angeklagte mit einem Polizisten an. "Mal sehen, wer hier der Stärkere ist", sagt der 42-Jährige. Als der Vater des Angeklagten ebenfalls beleidigend wird, beendet Heuer die Verhandlung. Von einem Eintrag dieser Beleidigung in das Protokoll sieht er entnervt ab.

Das Berufungsverfahren wird am Donnerstag, 14. August, fortgesetzt. Dann plädieren wahrscheinlich Staatsanwaltschaft und Verteidigung.