Ein fröhliches Schwarzwaldmädl passt nicht ins Bild des Strafprozesses gegen den früheren Geschäftsführer der Bösinger Fleischwaren GmbH am Landgericht Rottweil. Dort wird meist wenig appetitlich darum gestritten, wer in welcher Weise an kriminellen Machenschaften beteiligt war und vielleicht auch persönlich davon profitiert hat. Foto: Seeger

Nach 22 Verhandlungstagen: Urteil wird am 17. Juni erwartet. Hauptangeklagter sieht viele Feinde.

Kreis Rottweil - Nach einem Verhandlungsmarathon seit Anfang Dezember 2014 sind die Tage im Prozess gegen den ehemaligen Geschäftsführer der Bösinger Fleischwaren GmbH (BFW) wegen Betrugs und Untreue gezählt: Am 15. Juni soll es die Plädoyers von Staatsanwalt und Verteidiger geben, zwei Tage später soll das Urteil gefällt werden.

Dann dürfte ein Strafverfahren beendet worden sein, das nicht nur wegen der langen Prozessdauer für die Große Strafkammer am Landgericht Rottweil eine besondere Herausforderung bedeutet. Der Wirtschaftskrimi beleuchtet facettenreich ein Betriebsgeschehen, in dem sich ein System krimineller Machenschaften immer schneller zu drehen schien. Wohl auch, weil handelnde Personen zu glauben meinten, nach jedem Strohhalm greifen zu müssen, um die Firma in ein wieder besseres Fahrwasser hinüberzuretten.

Einstmals "beste Freunde" geben sich schon lange kein Pardon mehr

Der Prozess erzählt aber auch die Geschichte einstmals "bester Freunde", die sich nicht nur als Kollegen, sondern auch beim Feiern sehr nahe standen. Heute zeigen sie sich unversöhnlich. Etliche der früheren Mitarbeiter sind heute Chefs in der aus der Insolvenz hervorgegangenen neuen BFW. Der verbitterte Ex-Chef und Ex-Hauptgesellschafter verweist darauf, dass er heute völlig mittellos ist. Mit intriganten Manövern sei ihm 2011 die Firma geraubt worden. Diese sei zum Schnäppchenpreis verscherbelt worden, sagt der 61-Jährige, und lässt dabei an seinen früheren Mitstreitern kein gutes Haar. Mit Lügen und Falschaussagen werde er im Prozess an den Pranger gestellt. Solches sagt der Angeklagte wohl auch in der Absicht, zusätzlich Munition für zumindest noch ein ausstehendes Strafverfahren im Zusammenhang mit dem BFW-Desaster zu liefern, nämlich gegen seinen ehemaligen Finanzberater, der heute – in der neuen BFW – auch wieder Führungskraft und zudem Mitgesellschafter ist.

Nach dem Insolvenzantrag für die alte BFW Ende Mai 2011 waren bei der Aufarbeitung der zur Zahlungsunfähigkeit führenden Umstände dem Insolvenzverwalter unsaubere Aktivitäten verschiedener Art ins Auge gestochen. Dabei offenbar schnell mit der Erkenntnis, dass der damalige Geschäftsführer – der jetzige Hauptangeklagte – für einen Neuanfang nicht in Frage kommen kann. So sah sich dieser als erster vor die Tür gesetzt. Dies nagt bis heute an dem Mann und nährt seine Meinung von Verschwörungstheorien gegen seine Person.

So stellte sich der einstige Erbe des Familienunternehmens BFW auch am gestrigen 22. Verhandlungstag mit seinen Erklärungen wieder einmal vehement und entschieden gegen viele Zeugenaussagen, in denen er als Strippenzieher sowohl bei Factoring-Betrügereien mittels Falsch- und Luftbuchungen wie auch bei Schwarzverkäufen bezeichnet wurde.

Angeklagter sorgt mit verunglimpfenden Äußerungen für Sitzungsunterbrechung

Der Hauptangeklagte selbst stellt sich als ein ehemaliger Chef dar, der auf die Kompetenz und Tüchtigkeit fähiger Mitarbeiter und guter Freunde vertraut habe. Bei Beobachtern kommt bei solche Schilderungen zuweilen der Eindruck auf, dass da einer auch dem Motto, was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß, gefrönt haben muss.

Dass bei seiner Art des Firmenmanagements wesentliche (kriminelle) Dinge an ihm vorbei passiert seien, bedauere er sehr. Da habe er als Führungsperson große Fehler gemacht, räumt der Angeklagte ein, um hinsichtlich konkreter strafwürdiger Vorkommnisse seine Hände aber schnell wieder in Unschuld zu waschen und zu beteuern, dass – wenn er davon gewusst hätte – die dargestellten kriminellen Auswüchse (beim Factoring-Betrug gegenüber einem Finanzdienstleister steht eine Schadenssumme von 900 000 Euro im Raum) nie hätten eintreten können. Andererseits gesteht sich der 61-Jährige immerhin ein, dass – als er endlich doch Kenntnis von den unlauteren Geschäftsmethoden bekommen habe – auch nicht die Reißleine zog. Da habe er dann noch gehofft, Zeit zu gewinnen für die Abwicklung eines Übernahmedeals durch einen renommierten Betrieb aus dem Schwarzwald. Das sei schließlich seine letzte Hoffnung gewesen, noch einigermaßen gut aus der Firmenmisere herauszukommen.

Gestern äußerte sich der Hauptangeklagte in einer längeren Erklärung zu seiner früheren Mitarbeitern sehr emotional und dabei in teilweise stark herabwürdigender Weise. Mit unter die Gürtellinie gehenden Darlegungen brachte er den gewöhnlich kaum aus der Fassung zu bringenden Vorsitzenden Richter Karl-Heinz Münzer so sehr in Rage, dass dieser nach einer halbstündigen Sitzungsunterbrechung dem Angeklagten androhte, bei weiteren Verunglimpfungen und abwertenden Äußerungen zu früheren nahen Weggefährten ein Ordnungsgeld von 1000 Euro beziehungsweise eine Ordnungshaft von einer Woche in Erwägung der Kammer ziehen zu lassen.

Danach schilderte der Angeklagte behutsamer seine Sicht der Dinge, hob dabei auch auf die Aussagen seiner früheren Frau ab, deren Verfahren wegen eines umfasssenden Geständnisses zu privaten Geldzuflüssen aufgrund von Schwarzverkäufen am 21. Verhandlungstag beendet worden war mit einem Urteil von 22 Monaten Freiheitsstrafe zur Bewährung. Seine psychisch schwer angeschlagene Ex-Frau habe sich auf wesentliche Schwarzgeld-Schuldeingeständnisse nur deshalb eingelassen, um das Verfahren gegen sie endlich abzuschließen. Von den Schwarzeinnahmen hätten hingegen etliche leitende Mitarbeiter der BFW-alt in beträchtlicher Weise profitiert. Solche Anschuldigungen wies gestern wiederum der als Zeuge geladene Ehemann der früheren Vertriebschefin, die heute in der neuen BFW unter anderem als Gesellschafterin fungiert, vehement zurück.

Da der Angeklagte bei seinen Rechtfertigungs-Statements zu seiner unglücklichen und im Desaster endenden Chefrolle immer wieder versucht ist, mit Hinweisen auf moralische Lichtblicke Verständnis zu wecken, sah er sich gestern einem als Zeugen geladenen Steuerberater gegenüber. Dem Gericht hatte der Angeklagte vor einigen Monaten im Zusammenhang mit der Beschäftigung einer Firmenangestellten, die ausschließlich im Haushalt des ehemaligen Chef-Ehepaars tätig war, erklärt, dieser Deal sei durch seinen Verzicht auf Tantiemen eingefädelt und von dem Steuerexperten gutgeheißen worden. Der Steuerberater schüttelte gestern zu diesem Vorhalt verständnislos den Kopf, der Kammervorsitzende Münzer ob des unnötigen Zeugenaufwands den seinen insgeheim wohl ebenfalls. Der Angeklagte räumte nebenbei kleinlaut ein, er habe mit seinen früheren Angaben wohl für ein Missverständnis gesorgt.

Weil sich der Angeklagte und Zeugen hinsichtlich der Einleitung und Abwicklung krimineller Handlungen in ihren Schilderungen gegenseitig der Lüge bezichtigen, hat die Kammer vieles ohne eine gute Beweislage zu bewerten. Allerdings dürfte beim strafrechtlich am stärksten ins Gewicht fallenden Factoring-Betrug der Chef-Verantwortung eine besondere Bedeutung zukommen, auch wenn der Ex-Geschäftsführer immer wieder beteuert, vom wilden kriminellen Treiben in seiner Buchhaltung (lange) nichts gewusst zu haben.