In einem offenen Brief hat sich Kurt Schellenberg in Sachen Hängebrücke zu Wort gemeldet. Grafik: kts innovations

Firma Eberhardt und Stadt reagieren mit Stellungnahme. Brücken-Rekordjagd läuft.

Rottweil - Kurt Schellenberg, neben Benedikt Beckert einer der beiden Grundstücksbesitzer, dessen Grundstücke für die Langversion der geplanten Hängebrücke (909 Meter) gebraucht würden, meldete sich am Freitagmorgen in einem offenen Brief zu Wort. Er zeigt sich verwundert über die Aussage der Firma Eberhardt, die Grundstücksverhandlungen würden auf Eis liegen. Mit ihm sei noch gar nicht verhandelt worden. Die Firma Eberhardt und die Stadtverwaltung reagierten am Nachmittag.

Kurt Schellenberg schreibt in dem offenen Brief, den wir im Wortlaut veröffentlichen: "Mit großer Verwunderung habe ich aus der Presse heute, Freitag, entnommen, dass die Firma Eberhardt nur die kurze Version der Brücke bauen kann, weil die Grundstücksverhandlungen mit den beiden Eigentümern derzeit in einer Sackgasse angekommen sind. Als einer der betroffenen Eigentümer stelle ich klar: Bis jetzt haben alle über mich, aber niemand mit mir gesprochen. Die Firma Eberhardt hat bis heute keine Preisverhandlungen mit mir geführt. Nachdem ich 40 Jahre lang als Gemeinderat für die Stadt tätig war, stehe ich der Entwicklung der Stadt nicht im Wege."

In einer gemeinsam verschickten Stellungnahme mit getrennten Statements äußern sich die Firma Eberhardt und die Stadt Rottweil am Nachmittag zum offenen Brief von Kurt Schellenberg. Von Seiten der Firma Eberhardt heißt es: "Es ist richtig, dass es keine konkreten Preisverhandlungen mit Prof. Dr. Kurt Schellenberg gibt, weil die Preisvorstellungen zu weit auseinanderliegen. Gleichzeitig sind wir weiterhin im Kontakt mit Herrn Prof. Dr. Kurt Schellenberg. Dieser hat uns gegenüber versichert, dass das Projekt an ihm nicht scheitern soll. Über Details wollen wir uns in der Öffentlichkeit nicht äußern und bitten um Verständnis." Die Stadt Rottweil sagt: "Im Einvernehmen mit der Firma Eberhardt wird sich die Stadt Rottweil zum aktuellen Sachstand nicht äußern. Wenn gewünscht, sind wir jedoch gerne bereit, unterstützend tätig zu werden."

Derweil scheinen anderswo die Hängebrücken wie Pilze aus dem Boden zu sprießen: In Bad Wildbad ist jetzt der Baustart erfolgt, im Mai eröffnete an der Rappbodetalsperre im Harz eine 485 Meter lange Hängebrücke, in Randa in der Schweiz ist die "längste Hängebrücke der Welt" mit 494 Metern im Juli eingeweiht worden – und es zeichnet sich ab, dass sie ihren Titel bald wieder verlieren wird: Die Stadt Rotenburg will mit einer 540 Meter langen Hängebrücke das Kottenbachtal überspannen und damit eine Touristenattraktion schaffen. Am Donnerstag hat der Gemeinderat die Bauleitplanung auf den Weg gebracht. Die maximale Höhe der Brücke beträgt nach ersten Informationen 50 Meter. Investor ist ein Hotelier, der am Diemelsee in Hessen ebenfalls eine Brücke plant. Hier will man 2018 mit dem Bau starten.

Den Titel "längste Hängebrücke im Tibet-Stil" trug vor dem Hängebrücken-Wettrennen die Brücke in Reutte mit 406 Metern – der dortige Bürgermeister hatte den Rottweilern seinerzeit bei den Bürgerversammlung Appetit auf das Projekt gemacht.

Die Zahlen zeigen, dass die geplante Hängebrücke in Rottweil mit 606 Metern gewaltige Ausmaße hat – obwohl damit vorerst "nur" der erste Bauabschnitt verwirklicht wird. "Nach unserem Wissen derzeit wird sie die längste Hängebrücke der Welt sein", sagt Projektleiter Roland Haag von der Firma Eberhardt. Freischwebend ist sie allerdings nicht. Zwei Stützpfeiler sind nötig. Und angesichts der Titeljagd muss befürchtet werden, dass demnächst irgendwo ein 700 Meter langes Exemplar entsteht.

Übrigens: Als "Deutschlands schönste Hängebrücke" wirbt seit 2015 die Hängeseilbrücke "Geierlay" im Hunsrück. Dieser Titel würde Rottweil auch gut stehen.