Foto: Schnekenburger

Stimmungsvolle Stunde mit Sängerin. Nina Attal bezaubert Publikum. Electro Deluxe zelebrieren Jahrestag.

Rottweil - Mal was Neues, und wenn es, wie in diesem Fall, etwas Altbekanntes ist: Der Samstag bringt ein besonderes Wiedersehen in der Alten Stallhalle. Und am gestrigen Sonntag serviert das 30. Rottweiler Jazzfest einen Unplugged-Abend mit Cassandra Steen.

In Frankreich in der Szene längst gefeiert, und auch in Deutschland bereits beim ein oder anderen Festival Garantin für den "Aha-Effekt", war Nina Attal vor zwei Jahren als irgendwas zwischen Geheimtipp und Entdeckung beim Jazzfest gehandelt worden. Es dauerte nicht allzu lange, dann war im Stall klar: Die junge Französin ist eine Sensation. Diese musikalisch schon ziemlich abgeklärte, in Blues, Rock, Jazz- und Pop-Balladen gleichermaßen versierte Künstlerin, die sich gleichzeitig ihre unverbrauchte Spielfreude bewahrt hat, sollte unbedingt mal wieder nach Rottweil kommen. Und am 6. Mai 2016 fegten "Electro Deluxe" um den charismatischen Sänger James Copley mit ihrem schweißtreibenden Nu-Jazz im Stall mächtig aus. Auch das sollte, waren sich die Organisatoren schnell einig, unbedingt wiederholt werden.

Während bislang Zeiträume von eineinhalb Jahrzehnten durchaus Abstand schafften, ist es in diesem Fall exakt bereits ein Jahr später so weit: "Electro Deluxe" entern die Bühne. Mit druckvollem Bläsersound, funkig-treibendem Bass, gerne neckischer Elektronik – und natürlich dem Sänger, der das alles nicht nur prima unter einen Hut bekommt, sondern die Bezeichnung "Rampensau" wie einen Ehrentitel vor sich hertragen kann. Keine Frage: Die Stimmung stimmt auf der Bühne, und das überträgt sich schnell aufs Publikum. Dass sich "Electro Deluxe" auf ihren zweiten Auftritt beim Jazzfest gefreut haben, nimmt man der Band locker ab. Und die entsprechende Reaktion des Publikums auch. Der energiegeladene Jazz, der ziemlich genau das Gegenteil zu tüfteligen oder nach neuen Klangkreationen gierenden Projekten ist, kommt an am Samstagabend im Stall.

Davor hatte das Publikum allerdings mit einer ganz anderen Künstlerin zu tun. Nina Attal, Gitarristin, Sängerin, gerne auf einem Parforceritt zwischen den Stilen und sicher in allen, lädt zum Tanz. Sei freut sich, wieder in Rottweil zu sein, lässt sie wissen, auch, dass es erst das zweite Publikum mit der neuen Band – möglicherweise auch mit der Choreographie der flankierenden Ausdruckstanz-Performance – sei und sie überdies stimmlich nicht gut drauf. Die Vorzeichen stehen also eigentlich auf Spannung. Zwei Jahre nach der Rottweil-Premiere so viele Variablen, das kann richtig Spaß machen, oder im Zweifelsfall auch daneben gehen. Am Samstag macht es durchaus Spaß, auch wenn das Konzert ein ganz anderes ist als der Auftritt 2015.

Ihre kränkelnden Stimme hat Nina Attal im Griff. Und sie schont sie kein bisschen. Es ist tatsächlich ein bisschen wie bei guten Freunden. Denen ist man schlicht das Beste schuldig. Und so legt die Band los. Ein bisschen Sphärenklang drumherum, mehr Percussion, keine Bläser. Dafür Nina Attal – und eine Uniform, Feder-Boleros für das Spiel von Fantasievögeln, von Künstlern, die neue Ebenen suchen und versuchen. Entsprechend ist die Musik. Weniger kompakt und straight als 2015. Ein bisschen kreativer allerdings schon. Was bleibt ist auf jeden Fall, die – auch musikalische – Präsenz der Protagonistin. Sie kann nicht nur mit der Musik spielen, sie versteht es auch, das Publikum zu steuern. Dazu braucht es nicht viel.

Im Duett mit dem Gitarrenkollegen ergeben sich erstaunliche Blues-Duette, mitunter darf es auch ein bisschen rockig sein. Dann aber tritt Nina Attal als Pop-Sängerin auf, durchaus authentisch, mit Verve und der Unterstützung der Tanzabteilung. Die große Geschichte, die dahinter stecken mag, erschließt sich am Samstag nicht ohne weiteres. Egal. Es ist eine zauberhafte Show, die ihren Höhepunkt allerdings dann erreicht, als Nina Attal alleine auf der Bühne scheint, ein Jazz-Nummer anklingen lässt, und dann, das Konzert geht bereits gut eine Stunde und etwas drauf, das Publikum zur absoluten Stille bringt. Wo zuvor noch getanzt wurde – vorder Bühne – hängen die rund 600 Besucher jetzt an den Lippen der Sängerin, die sich mit knappen unplugged-Kaskaden, ein paar Versen und einem großen Kompliment revanchiert. Das muss man erst einmal schaffen!

Der Sonntagabend beschert schließlich besonderen Besuch. Das Kultprojekt "Glashaus", deutscher Soul mit Pop-Qualität und R’n’B-Kern, kommt in Person von Cassandra Steen auf die Bühne. Nach langer Pause präsentiert sie mit Glashaus ein neues Album, das dem bewährten Prinzip folgt und programmatisch "Kraft" überschrieben ist. In Rottweil ist die unplugged-Variante zu erleben. Nicht unbedingt aufregend, aber angenehm. Der Gesang gekonnt, die Band gut drauf. Risiken geht am Sonntagabend keiner ein. Muss auch nicht.