Rottweil - Was für ein Durcheinander: Das Finanzministerium hat heimlich eine Liste der besten Gefängnisstandorte erstellt – mit Tuningen und Weigheim an der Spitze. Kaum wird diese publik, folgt ein Dementi aus Stuttgart: Es sei noch nichts entschieden, alles sei offen, so die SPD.

Es geht zu wie in einem Rührstück, das sich zu großen Teilen hinter einem zugezogenen Vorhang abspielt. Die Hauptdarsteller in diesem Mehrakter sind Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), Finanzminister Nils Schmid und Justizminister Rainer Stickelberger (beide SPD). Der Ort: Stuttgart, irgendwo auf den Fluren der Ministerien.

Die Geschichte geht so: Als die drei, Kretschmann, Schmid und Stickelberger, an die Regierungsmacht kommen, lassen sie nach einem neuen Gefängnisstandort im Städtedreieck Rottweil, Donaueschingen und Tuttlingen suchen. Der König, Pardon der Ministerpräsident, hatte dies dem Volk vor der Wahl versprochen, also wird’s gemacht. Die Fürsten in Rottweil, die sich ihrer Sache sicher waren, schauen betrübt aus der Wäsche. Aber sie spielen das Spiel mit. Es bleibt ihnen nichts anders übrig.

Der Suchlauf wird ausgeschrieben, die Kriterien, wonach entschieden werden soll, werden benannt, der Zeitpunkt der Entscheidung bekannt gegeben. Dieser rückt näher, wird überschritten – und es tut sich nichts. Oder etwa doch? Tatsächlich: Hinter den Kulissen wird eifrig geprüft, werden Notizen gemacht und Zettel zwischen den Hauptdarstellern hin- und hergeschoben.

Auf dem Papier steht: Die privaten Standorte Tuningen und Weigheim landen auf Platz 1 und 2; das lange Zeit favorisierte Rottweil mit einem der vier vorgeschlagenen Standorte (Esch, Stallberg, Bitzwäldle und Hochwald) auf Platz 3. Nur soll das noch niemand erfahren. Das Ganze, es ist geheim.

Bleibt es aber nicht. Ungeschickterweise wird die Gefängnisliste publik und überrascht selbst die, die sich dort an vorderster Stelle wiederfinden. Wie die Weigheimer Ortsvorsteherin Ursula Mosbacher. Sie sei aus "allen Wolken gefallen", sagt sie und ärgert sich über die Verwaltungsspitze der Doppelstadt Villingen-Schwenningen. Oberbürgermeister Rupert Kubon hat wohl von der Weigheimer Bewerbung gewusst, aber ebenfalls geschwiegen. Wenn es weitergehe, sei sie dafür, dass man mit offenen Karten spiele und die Bevölkerung frühzeitig einbeziehe, fordert die Ortsvorsteherin. Klar sei ein Gefängnis mit Ängsten verbunden, aber irgendwo müssten sie ja stehen.

Ebenso überrascht zeigt sich der Tuninger Bürgermeister Jürgen Roth. Auch er habe nichts gewusst und sei auch bislang von dem federführenden Ministerium nicht informiert worden.

SPD-FraktionschefClaus Schmiedel fährt allen in die Parade

Offensichtlich hat ein Landwirt Flächen, die er sowohl auf Tuninger, als auch auf Weigheimer Gemarkung in der Nähe der Autobahn besitzt, nach Stuttgart gemeldet. "Wir sind rechts überholt worden", so Roth und er könne noch nicht sagen, ob er es toll finden solle oder nicht. Ganz wohl ist dem Bürgermeister aber nicht. Tuningen habe jahrelang gegen das Mülldeponie-Image gekämpft, überlegt er. Da wolle man nicht gleich Gefahr laufen, ein Gefängnis-Image übergestülpt zu bekommen.

Nach außen gelassen gibt sich derweil der Rottweiler Oberbürgermeister Ralf Broß. Offiziell wisse er von nichts. Man warte die Entscheidung im Kabinett ab. Wenn sich das aber so bewahrheiten solle, dann wäre das eine "herbe Enttäuschung", sagt Broß.

Szenenwechsel und zurück nach Stuttgart mit Blick auf den Zollernalbkreis. Kretschmann sagt dem Meßstetter Bürgermeister in diesen Tagen zu, ihn, seinen Ort und seine bald brach liegende Kaserne nicht zu vergessen. Diese Kunde macht wie ein Lauffeuer die Runde und man erinnert sich an Kretschmanns Wahlversprechen. Er hat doch wohl nicht schon wieder?

Den Roten schmeckt so viel grün angehauchte Gefängnisdiplomatie nicht und nun betreten sie die Bühne, in Person des Fraktionsvorsitzenden im Landtag, Claus Schmiedel: Der fährt irgendwie allen in die Parade. Der Suchlauf sei zwar abgeschlossen, aber es folgten nun vertiefte Prüfungen. "Ein Ergebnis steht noch nicht fest, die Würfel sind keineswegs gefallen", so Schmiedel. Und dann kommt die Pointe: "Alle Vorschläge seien noch im Rennen und würden in den beteiligten Ministerien sorgfältig nach unterschiedlichen Kriterien untersucht".

Nach unterschiedlichen Kriterien? Und was ist mit der Bewertungsmatrix, die ein objektives Vorgehen bei der Standortsuche ermöglichen sollte. Und was hat es mit dieser geheimen Liste auf sich?

Die Geschichte ist noch nicht zu Ende: Im Dezember treffen sich die Hauptdarsteller zum Showdown, heimlich, irgendwo in Stuttgart. Ja, und dann heißt es Vorhang auf – und alle Fragen offen?

Kommentar

So also sieht bürgernahe Politik aus: In Stuttgart wird in Sachen Gefängnis hinter verschlossenen Türen irgend etwas ausgebrütet und die, die es betrifft, bekommen nicht einmal Bescheid gesagt. Wie heißen die gleich noch mal? Rottweil? Tuningen? Weigheim?

Ja, so heißen hier Städte und Gemeinden, die endlich wissen wollen, wo das neue Gefängnis hingebaut wird. Den Clou liefert die SPD-Landtagsfraktion. Allen Ernstes sagt Fraktionschef Claus Schmiedel, die Ministerien würden sich mit den Vorschlägen auseinandersetzen, sie nach unterschiedlichen Kriterien untersuchen, alles sei offen. Dabei gibt es eine Bewertungsmatrix, und es gibt eine Liste. Die, so scheint es aber, ist nicht mal das Papier Wert, auf dem sie steht.

Das Durcheinander in Stuttgart lässt Böses erahnen. Hier wird nicht rational entschieden, sondern geschachert wie auf einem Basar.