Die Gefängnisdebatte gewinnt weiter an Fahrt. Die Landesregierung setzt offensichtlich verstärkt auf das Mittel der Kommunikation. (Symbolfoto) Foto: freepik.com

JVA: Regierung verspricht Entscheidung im Frühsommer. Ministerium wägt Vor- und Nachteile der Standorte ab. Mit Kommentar.

Rottweil - Die Gefängnisdebatte gewinnt weiter an Fahrt. Die Landesregierung setzt offensichtlich verstärkt auf das Mittel der Kommunikation. Das Justizministerium beantwortet einen Antrag von CDU-Abgeordneten. Uns gegenüber äußert das Ressort, wo es Vor- und Nachteile der jeweiligen Standorte sieht.

Wann wird eine endgültige Entscheidung für einen Standort getroffen? So lautet eine Frage in einem Antrag, den unter anderem die beiden CDU-Landtagsabgeordneten Stefan Teufel (Rottweil) und Günther-Martin Pauli (Zollernalbkreis) im Februar an die grün-rote Landesregierung gestellt haben (wir berichteten). Das Justizministerium legt sich fest: "Die abschließende Standortentscheidung soll noch im Frühsommer 2015 getroffen werden". Staatsrätin Gisela Erler hatte bei ihrem Besuch in Rottweil vor einigen Tagen ebenfalls zugesagt, noch vor der nächsten Landtagswahl im Frühjahr 2016 werde beschlossen, wo ein neues Gefängnis gebaut werde. Sie sagte, es gehe nicht um das Ob, also ob das Land überhaupt eine neue Vollzugsanstalt benötige, sondern um das Wo und Wie.

Vier Standorte sind noch im Spiel. In Rottweil sind es drei (Esch, Hochwald, Bitzwäldle), in Meßstetten im Zollernalbkreis ist es ein ehemaliges Bundeswehrgelände. Das Justizministerium äußert auf Anfrage des Schwarzwälder Boten, wo es die Vor- und Nachteile der einzelnen Flächen sieht und nach welchen Kriterien entschieden werden solle, nachdem die bisherige Entscheidungsmatrix als für die Öffentlichkeit untaugliches Mittel eingestampft wurde.

"Neben insbesondere geologischen, liegenschaftlichen, naturschutzrechtlichen und strukturpolitischen Aspekten wird es auch darauf ankommen, wie die Bürgerinnen und Bürger vor Ort dem Projekt gegenüberstehen und ob justizvollzugliche Belange hinreichend Berücksichtigung finden", äußert ein Sprecher.

Aus "rein vollzuglicher Sicht" hätten die Standorte in Rottweil deutliche Vorteile. "Die zentrale Lage zu den Landgerichten in Rottweil, Waldshut-Tiengen, Hechingen und Konstanz und die gute Verkehrsanbindung sprechen für Rottweil, auch die verfassungsrechtlich gebotene heimatnahe Unterbringung von Häftlingen aus den Regionen Rottweil, Villingen-Schwenningen, Waldshut, Hechingen und Konstanz ist dort möglich", so das Ministerium. Berücksichtigen müsse man auch, dass die Mitarbeiter in den zur Schließung vorgesehenen Justizvollzugsanstalten in Rottweil, Oberndorf, Villingen-Schwenningen, Tübingen, Hechingen und Waldshut-Tiengen an einem Standort Rottweil sozialverträglich weiter beschäftigt werden könnten.

Die Kehrseite der Medaille: Bei der Entscheidungsfindung komme es allerdings nicht allein auf vollzugliche Belange an. "Für Meßstetten spricht etwa, dass das Gelände der Zollernalb-Kaserne, wo die neue Anstalt gebaut werden könnte, erschlossen ist. Es müssten keine Flächen versiegelt, nicht in die Natur eingegriffen werden." Offen lässt der Sprecher, wie er die Akzeptanz vor Ort einschätzt. In Meßstetten stehen Verwaltung und Gemeinderat hinter den Plänen für den Bau einer JVA. Für Rottweil gibt es einen eindeutigen Gemeinderatsbeschluss.

Darauf verweist immer wieder auch Oberbürgermeister Ralf Broß und spricht davon, dass in Rottweil ein kommunalpolitisches Einvernehmen für ein Großgefängnis auf Rottweiler Gemarkung vorliege. Widerspruch erntet die Stadtverwaltung allerdings vom Naku, dem Verein zur Erhaltung der Natur- und Kulturlandschaft in Rottweil und im Oberen Schlichemtal. Und in der Veranstaltung vergangene Woche mit Staatsrätin Gisela Erler im Refektorium des Kapuziners stellte eine ehemalige Ortschaftsrätin unter donnerndem Applaus der Zuhörer fest, dass sich die beiden Ortschaftsräte Zepfenhan und Neukirch gegen einen Gefängnisbau im Bitzwäldle ausgesprochen hätten. Woraufhin Erler erwiderte, so etwas müsse berücksichtigt werden. Die Frage sei, ob dies ausschlaggebend ist.

Ähnlich äußert sich die Regierung in ihrer Antwort an die CDU-Abgeordneten. "Die Haltung der betroffenen Kommunen wie auch die Akzeptanz in der Bürgerschaft werden im Rahmen der weiteren Bewertung berücksichtigt."

Ob man in Stuttgart, trotz der negativen Erfahrungen in Tuningen, einen Bürgerentscheid befürworte? Die Entscheidung darüber obliege allein dem Gemeinderat, so die Antwort aus dem Justizministerium uns gegenüber. Das Land werde hier keine Vorgaben machen, lediglich beratend und unterstützend zur Seite stehen, wenn dies seitens der Kommunen gewünscht sei.

Kommentar: Auf den Tisch

Armin Schulz

Es ist nicht zu übersehen: Die grün-rote Landesregierung wagt sich aus der Deckung und legt die Karten im Spiel um das neue Großgefängnis – drei Standorte in Rottweil, einer in Meßstetten sind nach wie vor im Gespräch – auf den Tisch. Zunächst sicherte Staatsrätin Gisela Erler bei ihrem Besuch in Rottweil vor einigen Tagen zu, dass noch vor der nächsten Landtagswahl entschieden werde. Nun äußerte das Justizministerium auf Anfrage einiger CDU-Abgeordneter, der Beschluss solle noch im Frühsommer 2015 getroffen werden. Diese Offenheit überrascht nach all den Erfahrungen der vergangenen Jahre. Da wurde flugs aus dem Such-Dreieck, innerhalb dessen das neue Gefängnis erstellt werden sollte, ein Such-Vieleck. Ebenso scheinbar willkürlich wurde mit der Bewertungsmatrix umgegangen. Hoffentlich bleibt die zuletzt gezeigte Transparenz kein Strohfeuer.