Extrablätter informieren die Rottweiler Bürger vor 100 Jahren über den Ersten Weltkrieg

Von Verena Schickle

Rottweil. Sie zeichnen ein Bild von der Welt im Ausnahmezustand: 100 Jahre ist es her, dass die beiden Tageszeitungen, die es damals in Rottweil gab, ihre Leser mit Extrablättern über den Ersten Weltkrieg und die damit verbundenen Ereignisse auf dem Laufenden hielten.

Die historischen Dokumente lagern im Stadtarchiv. Außergewöhnliche Ereignisse erfordern außergewöhnliche Maßnahmen. Für die beiden Zeitungen, die es 1914, im Jahr des Kriegsbeginns, gab, bedeutete das: Extrablätter. Unter Umständen mehrmals täglich berichteten die Schwarzwälder Bürger-Zeitung und der Rottweiler Volksfreund von den Ereignissen, die damals die Welt bewegten. Manche lagen den Zeitungen bei, manche wurden ausgehängt oder unter der Bevölkerung verteilt: 100 Extrablätter des Volksfreunds – der komplette Satz, der zwischen 28. Juni und 12. September 1914 erschienen ist – sind im Rottweiler Stadtarchiv gesammelt. Dazu kommen vereinzelte weitere von der Zeit danach, einige Exemplare, die die beiden Rottweiler Zeitungen gemeinsam herausgegeben haben, und etliche Extrablätter der Bürger-Zeitung.

"Die Ereignisse im Juli haben sich überschlagen", erklärt Stadtarchivar Gerald Mager. Er hat sich in den vergangenen Monaten intensiv mit dem Ersten Weltkrieg und vor allem mit dessen Auswirkungen auf Rottweil auseinandergesetzt. Das Ergebnis ist eine Ausstellung zum Thema "Rottweil im Ersten Weltkrieg – 1914 bis 1918", die derzeit im Alten Rathaus zu sehen ist (wir berichteten).

Unter den Exponaten finden sich auch einige Extrablätter des Rottweiler Volksfreunds. Sie sind fast quadratisch, Schwarz auf Weiß gedruckt und haben einen gelben beziehungsweise roten Rand. Unter anderem ist die erste Ausgabe in der Schau zu sehen. Datiert ist dieses Extrablatt auf den 28. Juni 1914. Wie in der Zeitung gibt es eine Ortsmarke: "Serajewo". Die Überschrift lautet: "Das österreichische Thronfolgerpaar ermordet."

Wohin das führte, lässt sich an den folgenden Extrablättern ablesen. Die Nummer zwei erscheint am 24. Juli, "Das Ultimatum Oesterreich-Ungarns" ist die Schlagzeile. Mit aufgeführt sind die Forderungen aus Wien an die serbische Regierung: Es geht um die Aufklärung des Attentats und darum, dass gegen alle Unterstützer vorgegangen wird. Nur einen Tag dauert es, bis der serbische Ministerpräsident dem österreichischen Gesandten in Belgrad eine Antwort gibt. Dass diese für die Österreicher "ungenügend" ist, können die Rottweiler dem Extrablatt drei entnehmen. Erschienen ist es vor fast genau 100 Jahren, am 25. Juli 1914. Die Überschrift ist kurz und eindeutig: "Krieg!"

Das zeigt: "Es sind Meldungen, die ganz Deutschland betreffen", erklärt Mager – in ihren Extrablättern beschränkt sich die Rottweiler Presse nicht auf Lokalberichte. Die Informationen erhielt sie über Nachrichtenagenturen (unter anderem wird das Reutersche Büro zitiert), von Korrespondenten oder aus anderen Zeitungen.

Trotz der Spezialausgaben schlägt sich der Konflikt natürlich auch in den Tageszeitungen nieder: Tagelang und sehr intensiv berichtet der Volksfreund beispielsweise über das Attentat auf den österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand, gibt gar am Sonntag, 29. Juni, dem Tag nach dem Anschlag, eine Extra-Ausgabe heraus. Die Bürger-Zeitung druckt in den Tagen danach sogar ein Foto der Kinder des ermordeten Paars ab. Ende Juli gibt es in beiden Zeitungen dann praktisch nur noch ein Thema auf den Titelseiten: der Konflikt zwischen Österreich und Serbien.

Es ist die Zeit, in der die Extrablätter geballt erscheinen. Auffallenderweise, erklärt der Historiker, vermelden diese zumindest nach Kriegsbeginn vor allem positive Nachrichten. Als die Nachrichten von den Schlachtfeldern für die deutsche Armee negativer werden, erscheinen die Extrablätter nur noch unregelmäßig beziehungsweise befassen sich lieber mit Randthemen: Die Ausgabe 100 etwa ist mit "Kriegsgefangene in Deutschland" überschrieben. 220 000 waren es insgesamt, wie der Leser erfährt. Darunter allein 91 400 Russen. Und "unter den Franzosen sind zwei Generale".

Für Rottweil waren die Extrablätter eine "einzigartige Aktion", erklärt Gerald Mager. Heute sind sie ein gedrucktes Zeugnis von dem, was die Welt und die Stadt vor 100 Jahren in Atem hielt.

Weitere Informationen: Noch bis Freitag, 29. August, ist im Alten Rathaus die Ausstellung "Rottweil im Ersten Weltkrieg – 1914 bis 1918" zu sehen. Historische Dokumente und weitere Exponate zeichnen das Leben in Rottweil während des Krieges nach. Zu sehen ist die Schau während der üblichen Geschäftszeiten des Rathauses.