Überraschendes Aus: Die Genossenschaftsbanken Rottweil und Balingen werden nun doch nicht zusammengehen

Von Armin Schulzund Verena Schickle Rottweil. Die Ehe zwischen den Volksbanken Rottweil und Balingen kommt nicht zustande. Zwei Jahre nach den ersten Gesprächen sind die Fusionsbemühungen gescheitert. Dabei war der Rottweiler Chef Henry Rauner vor wenigen Tagen noch voller Zuversicht.Es gibt vermutlich wenig Anlässe, an denen Banker Trost in Liedern der Band "Die Toten Hosen" suchen. Aber an Tagen wie diesen ist dies gut möglich. Wie lautet gleich noch mal der Refrain in dem Hosen-Hit zur Fußball-EM? "An Tagen wie diesen, wünscht man sich Unendlichkeit; an Tagen wie diesen, haben wir noch ewig Zeit..."

Nein, so viel Zeit haben die Volksbanken Rottweil und Balingen nicht mehr. Ihre gemeinsame Zeit ist abgelaufen, noch bevor sie richtig begann. In Presseerklärungen teilen die beiden Genossenschaftsbanken nun mit, dass sie doch nicht zusammengehen werden. Das Aus kommt überraschend.

Die Mitteilungen ähneln sich im Wortlaut, und doch lässt die Formulierung der Rottweiler Erklärung ahnen, wo die Entscheidung gefallen ist. "Die Verschmelzung mit der Volksbank Balingen eG findet nicht statt. Die Volksbank Balingen will selbstständig bleiben", heißt es. Über wesentliche Aspekte des Zusammenschlusses habe letztlich keine Einigung erzielt werden können.

Henry Rauner, Vorstandsvorsitzender der Volksbank Rottweil, will keine Details nennen. Gleichwohl wird nicht nur durch den Wortlaut der Mitteilung klar, wie unerwartet das Platzen der Fusion aus Sicht der Rottweiler ist. Für Rauner kam es "überraschend". Und nicht nur für ihn: "für das ganze Haus". Vorige Woche habe der Aufsichtsrat der Volksbank Balingen mit dem Vorstand getagt und die Verschmelzung abgesagt.

Der Balinger Vorstand Edgar Luippold erklärte derweil im Gespräch mit unserer Zeitung, dass die Unterschiede in der Unternehmenskultur, im Führungsstil und in der Frage der künftigen Ausrichtung der geplanten Groß-Bank einfach zu groß gewesen seien. Zudem hat es offenbar auf höchster Ebene menschlich dann doch nicht gepasst. Angesichts der Bedenken, so Luippold, habe man sich entschieden, die Reißleine zu ziehen.

Die Bankenehe war für das kommende Jahr geplant. Wie bei einer richtigen Ehe stand schon (fast) alles fest. Wer mit wem zusammengehen sollte, war ja von Anfang an klar, der neue Name (Volksbank Balingen-Rottweil) stand schnell fest, wer das Sagen hatte ebenfalls: Den Vorstand sollte zunächst ein Rottweiler Vorstand führen (also Henry Rauner), der Aufsichtsratsvorsitzende sollte aus den Reihen der Balinger Bank kommen. Da der oberste Balinger Aufseher Ernst Höfer im kommenden Jahr ebenso ausscheiden wird wie sein Pendant auf Rottweiler Seite, Adelbert Hugger, hatte man sich gemeinsam auch schon einen Nachfolger ausgeguckt, einen Balinger.

Auch die Termine, an denen es zum Treueschwur hätte kommen sollen, wurden ins Auge gefasst. Am 14. Mai hätte die Fusionsversammlung in Balingen, am 10. Juni, nach den Pfingstferien, dann in Rottweil stattfinden sollen. Die in Balingen stattfindende Sommerausstellung mit dem expressionistischen Maler Erich Heckel hatte den Fahrplan ein wenig durcheinandergebracht. So mussten die Balinger die Vertreterversammlung vorziehen, weil die Stadthalle mit Heckel-Bildern ab Juni blockiert sein wird. So kommen die vier Wochen Abstand zwischen der Balinger und der Rottweiler Veranstaltungen zustande.

Die kommenden Schritte waren bereits geplant

Aber auch diese Hürde hatten die Banker genommen. Ebenso die kritische Frage, wer auf der zweiten Führungsebene in der gemeinsamen Bank das Sagen haben wird. Die Formel ist so einfach wie gnadenlos: Aus zwei mach eins, aus zwei Bereichen wird einer. Das bedeutete aber auch: Einer, der bislang Bereichsleiter war, musste dem Gegenspieler aus der anderen Bank den Vortritt lassen. Die Vorstandsmitglieder, von einem externen Büro beraten, gingen da möglichst objektiv vor: Wer Bereichsleiter werden wollte, musste sich offiziell bewerben. Freilich wurde da um Posten geschachert, lagen Glück und Enttäuschung dicht beieinander, aber die Namen standen schließlich fest.

Auch die kommenden Schritte waren geplant: Nachdem in Balingen bereits weitere Vertreterversammlungen stattgefunden hatten, waren derartige Veranstaltungen in Rottweil nun für den November geplant. Sicher, der Rottweiler Vorstand mit seinem Sprecher Henry Rauner und den weiteren Mitgliedern Alois Schanz und Gislinde Sachsenmaier hätte kritische Frage zu parieren gehabt. Beispielsweise was die zukünftige Zahl der Vertreter anbelangt.

In Rottweil gilt bislang der Schlüssel 30 zu eins: Pro 30 Mitglieder gibt es einen Vertreter. Diese Quote hätte auf 100 zu eins verändert werden sollen – das ist der Balinger Schlüssel. Die Folge: Rund zwei Drittel der insgesamt 734 Vertreter der Rottweiler Bank hätten ihre Aufgabe verloren. Für manchen einhergehend mit einem Bedeutungs- und Ansehensverlust.

Auch ein Thema: der neue Name. In der Vertreterversammlung im Mai hatte es schon kritische Anmerkungen gegeben. Nicht jeder Bewohner der ehemaligen freien Reichsstadt mag es als angemessen empfinden, dass seine Bank erst an zweiter Stelle genannt wird. Wo sie zudem das bilanzstärkere Haus darstellt.

Und dennoch: Auf den Stand der Fusionsverhandlungen angesprochen, gab sich Henry Rauner noch vor wenigen Tagen sehr optimistisch. Man sei auf einem guten Weg, die Chemie stimme weiterhin, so Rauner. Auch die Mitarbeiter hätten die Veränderung positiv aufgenommen, weil man sehe, dass es schwieriger werde, der Wettbewerb sehr stark sei. Rauner nannte auch die Projekte, die gerade bearbeitet würden: Ein Thema war, die Arbeitsprozesse und die Qualitätsstandards zu vereinheitlichen, sprich: In beiden Häusern sollte etwa die Baufinanzierung nach dem gleichen Muster abgewickelt werden.

Jetzt ist das ganze Projekt abgewickelt. Ein Projekt, in das Arbeit, Zeit und Geld investiert wurde: Zwei Jahre lang währte der Traum von der gemeinsamen Hochzeit, von der ewigen Bankentreue. Jetzt ist er ausgeträumt.

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