Keine Angst vor Stromausfällen: Die ENRW-Geschäftsführer Peter Küppers (links) und Christoph Ranzinger sehen für ihr Unternehmen große Chancen in der atomkraftfreien Zukunft. Foto: ENRW

Die ENRW-Geschäftsführer Christoph Ranzinger und Peter Küppers zur Energiewende.

Rottweil - "Weg vom Atom" schallt es durch die Republik – die Energiewende ist in aller Munde. Doch was sich für unsere Region dahinter verbirgt, wissen nur Wenige. 

Herr Ranzinger, Herr Küppers, Hand auf’s Herz: Was halten Sie vom Atomausstieg?

K: Die Ereignisse in Japan haben gezeigt, dass die schon länger bestehende Skepsis eines großen Teils der Bevölkerung gegenüber der Atomkraft berechtigt sind. Ich halte den Ausstieg für die richtige Entscheidung.

R: Der im breiten Konsens gefasste Beschluss schafft klare Fakten und bietet uns als Energieunternehmen neue unternehmerische Chancen.

Das heißt konkret?

R: Regional aufgestellte Unternehmen wie die ENRW, haben jetzt Planungssicherheit, dass es sich lohnt, in Projekte zur regenerativen Energiegewinnung zu investieren. Wir werden uns, nachdem wir 2010 eine Option zum Erwerb gezeichnet haben, noch in dieser Woche mit mehreren anderen Stadtwerken endgültig am Offshore-Windpark Baltic I der ENBW in der Ostsee beteiligen.

K: Es ist unser strategisches Ziel, zusammen mit anderen Stadtwerken solche Investitionen weiter voranzutreiben. Auch eine Bürgerbeteiligung an Energieprojekten vor Ort wäre denkbar.

Wie ist die ENRW für die atomfreie Zukunft aufgestellt?

R: Der Umbau wird nicht erst angestoßen – er läuft schon. Ein Beispiel: Durch die Erneuerbare-Energie-Gesetze sind Fotovoltaik-Anlagen seit Jahren für Privatleute attraktiv. Zudem wurden in unserem Netzgebiet Biogasanlagen zugebaut. Seit 2005 verzeichnen wir eine massiven Zunahme, so dass aktuell rund 25 Prozent des Stroms in unserem Netz regenerativ ist. Bis 2020 rechnen wir mit 50 Prozent.

K: Damit hat sich der Anteil an erneuerbarer Energie in unserem Stromnetz seit 2001 mehr als versiebenfacht, was doppelt so hoch ist wie der Bundesdurchschnitt.

Ist Solarenergie also die Antwort auf das neue Energiezeitalter?

R: Die Solarenergie ist ein Teil der Antwort. Aber die Sonne scheint nicht immer. Es gilt zu bedenken, dass man von einer jährlichen Benutzungsdauer von 935 Stunden bei der Solarenergie ausgeht. Ein Kraftwerk, das die Grundlast sichert, muss 8000 Benutzungsstunden pro Jahr laufen – da gibt es eine große Lücke. Und die Windkraft?

K: Auf See liegt die Windenergie bei knapp 3700 Benutzungsstunden. An Land allerdings nur bei knapp 1750 – bei uns ist diese Energieform nicht so ertragreich.

Wo liegen dann für unsere Region die Alternativen?

K: In der Wasserkraft aber auch in Blockheizkraftwerken, die über Wärme-Kraft- Rückkopplung aus Klärgas oder Biomasse Energie erzeugen. Wir haben beispielsweise mit dem 2007 in Betrieb gegangenen Biomasseheizkraftwerk in Hausen gute Erfahrungen gemacht. Werden nach dem Atom-Aus 2022 bei uns die Lichter ausgehen?

R: Ich denke, Stromengpässe sind weniger eine Frage der in Zukunft zur Verfügung stehenden Energiemenge – die kann gegebenenfalls mit Zukäufen aus dem Ausland abgedeckt werden. Schwierigkeiten sehe ich eher bei der Netzinfrastruktur und den fehlenden Stromspeichern.

K: Es geht nicht nur darum, Strom über große Entfernungen quer durch die Republik zu transportieren. Auch in das regionale Versorgungsnetz und dessen Steuerung muss weiter investiert werden, damit die vielen kleinen Kraftwerke der Zukunft ihren Strom mit seiner jeweiligen Verfügungscharakteristik effizient zur Steckdose bringen. Ich vertraue da aber voll auf das Entwicklungspotenzial "Made in Germany". 

- Die Fragen stellte Jürgen Wolfer