Beim Rundgang durch die historische Kernstadt wird schnell klar: Sanierungsbedarf gibt es mehr als genug. Foto: Otto

Für alte Häuser endlich neue Chance: Fragebogenaktion zum Kernstadt-Sanierungskonzept läuft. Mit Kommentar.

Rottweil - Eigentümer eines Hauses in der Rottweiler Kernstadt sind nicht unbedingt zu beneiden. Ein denkmalgeschütztes Haus in Schuss zu halten, dazu braucht es einen langen Atem – und Geld. Jetzt soll ein Förderprogramm endlich Anreize bieten. Ob die Zeit der "Ruinen" in der Stadt damit bald vorbei ist?

Noch bis Mitte März sind alle Hauseigentümer in der historischen Stadtmitte dazu aufgerufen, sich am Sanierungskonzept zu beteiligen. Schon seit 2012 bemüht sich die Stadt, ins Förderprogramm "Städtebaulicher Denkmalschutz" des Landes aufgenommen zu werden. Jetzt, im dritten Anlauf, sieht es endlich gut aus. Sechs Millionen Euro Fördermittel wurden beantragt, um kommunale und private Gebäude zu sanieren. Wie hoch die Förderung dann im Einzelnen sein wird, steht allerdings noch nicht fest.

Die Stadtverwaltung hat nun gemeinsam mit der STEG Stadtentwicklung GmbH in den vergangenen Wochen 350 Fragebögen an die Eigentümer verschickt. Und wie kommt die Initiative an? "Bislang haben wir rund 120 Fragebögen zurückbekommen", sagt Mike Lux von der STEG. Das sei schon gut – "aber es dürften ruhig mehr sein". Auf vier Seiten wird darin abgefragt, wo die Defizite beim Gebäude liegen, ob überhaupt Interesse an einer Sanierung besteht, welche Heizung vorhanden ist und vieles mehr. Wohlgemerkt: Es geht nicht nur um die Optik, auch energetische Aspekte spielen beispielsweise eine wichtige Rolle.

Für Mike Lux kristallisiert sich aus den bisherigen Antworten und den telefonischen Anfragen von Hausbesitzern ein Knackpunkt heraus: "Es gilt, die heutigen Ansprüche an modernes Wohnen mit der historischen Bausubstanz in Einklang zu bringen." Und Lux räumt ein, dass der Wille, hier tätig zu werden, schon vor dem Sanierungskonzept bei etlichen Hausbesitzern vorhanden gewesen sei. Die Erfahrungsberichte zeigten aber, so Lux, dass "investitionswillige" Bürger nicht selten von Behörden ausgebremst worden seien.

Derartige Beispiele gibt es immer wieder. Jüngst wurde die Erneuerung eines Hausdaches zum Münster hin von der Stadt gestoppt, weil die Ziegelart nicht den Vorschriften entsprach (wir berichteten). Das Haus stand wochenlang "kopflos" da. Das kann andere Eigentümer schon mal demotivieren.

Mit dem Förderprogramm soll das aber anders werden, versichert Mike Lux. Mit einem Team aus Vertretern der beteiligten Stellen will man die Projekte vor Ort begutachten und konkrete Lösungsvorschläge erarbeiten.

Besondere Schandflecke in der Stadt kann man damit aber nicht unbedingt beseitigen. "Zwingen können wir niemanden", betont Lux. Wenn der Wille und auch die finanziellen Mittel seit Jahren fehlen, um das Gebäude auf Vordermann zu bringen, könne man dem Besitzer eventuell einen Verkauf nahelegen. Denn auch für Käufer, so die Hoffnung, könne das Förderprogramm ein Anreiz sein.

Nach der Auswertung der Fragebögen muss jedoch erst im Gemeinderat festgelegt werden, was die Kriterien für die Aufnahme ins Programm sein sollen und wie hoch die Förderquoten sein sollen. Den Umsetzungszeitraum für die Sanierungen beziffert Lux auf "etwa acht Jahre". Man braucht eben einen langen Atem, als Hausbesitzer in der Innenstadt. "Und es sind ja auch nicht alle Eigentümer gleich sofort bereit für die Maßnahmen", weiß Lux.

Jetzt hofft er auf weitere eingehende Fragebögen – ebenso wie Marcus Kempka von der Stadtverwaltung: "Um aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten, hätten wir gern eine noch höhere Beteiligungsquote". Ab Mai könnten die Planer dann mit den Bürgern – dazu gehören auch Geschäftsinhaber und deren Belange – an Sanierungskonzepten tüfteln. Damit es sich im Stadtkern auch weiter gut wohnen und einkaufen lässt.

Weitere Informationen:

Direkte Ansprechpartner bei der STEG Stadtentwicklung GmbH sind Mike Lux und Stefanie Kerlein, Telefon 0741/ 17 46 60

Kommentar: Alles auf Anfang

Corinne Otto

Man kann nur hoffen, dass der ein oder andere Hausbesitzer in der Rottweiler Kernstadt nicht zum Beleidigtsein neigt. Zu verübeln wäre es jenen jedenfalls nicht, die seit Jahren versuchen, ihr denkmalgeschütztes Eigentum dem heutigen Wohnkomfort anzupassen – und die kläglich gescheitert sind. Zu viele Auflagen und Denkmalschutz-Bestimmungen bremsen Investitionen nicht selten aus.

Keine Frage: Es muss streng danach geschaut werden, dass die Kernstadt das bleibt, was sie ist. Aber wenn teilweise Wohnstandards nicht erfüllt werden können, weil kein Balken weichen darf, dann tut das der Stadt auch nicht gut. Jetzt also soll es anders werden. Im Zuge des neuen Förderprogramms werden Lösungen in Teamarbeit versprochen. Behörden und Häuslebesitzer quasi Hand in Hand. Ein Versuch lohnt sich. Zum Beleidigtsein bleibt später immer noch Zeit.