Auf der Suche nach einem Dach über dem Kopf? Dies ist von diesem Wildschwein nicht bekannt, ein anderes musste seine Neugierde mit dem Leben bezahlen. Zurück blieb für die Bewohner des Hauses eine große Sauerei, die finanziell eine fünfstellige Summe betrug. Foto: Rasche

Toter Keiler von mehreren Personen blutig abtransportiert. Fall landet vor Landgericht.

Rottweil/Frittlingen - Wenn, nur einmal angenommen, ein Wildschwein ein Gebäude in einem Dorf betritt, das Treppenhaus rauf und runter rennt, panisch wird, sich auf den Dachboden zurückzieht, sich weder fangen noch betäuben lassen will, schließlich erschossen wird, tot das Treppenhaus hinuntergeschleift wird, wegen all dieser Vorfälle eine Mordssauerei entsteht, dann hat der Hausbesitzer schlichtweg Pech gehabt. Und, dies ganz konkret, kann ins Geld gehen.

Für den Ehemann einer Hausbesitzerin in Frittlingen war obiges Szenario am Mittwoch, 6. Mai 2015, am späten Nachmittag und am frühen Abend kein juristisches Fallbeispiel, sondern Wirklichkeit und erregte einiges Aufsehen. Schließlich kamen nach und nach Nachbarn, Polizei, Jagdpächter, Sanitäter, Veterinär und weitere Personen vorbei oder wurden gerufen.

Weil beim Abtransport des mit fünf oder sechs Schuss erlegten Keilers nicht – gelinde gesagt – alles zugegangen ist wie in einem keimfreien und blitzsauberen Operationssaal, hat besagter Mann das Land Baden-Württemberg verklagt. Und diese Klage auf Zahlung von Schadensersatz verhandelt das Landgericht Rottweil. Konkret geht es um 16 185,03 Euro.

Diese Summe setzt sich zusammen: aus dem Reinigen und Desinfizieren des Granitbodens plus Austausch von Fugen (etwa 7700 Euro), dem Erneuern des Rauhputzes an Wänden und im Treppenflur (etwa 3600 Euro), dem Beseitigen der Blutspuren auf dem Dachboden (etwa 3500 Euro) und den Ausgaben für den Sachverständigen plus Kostenpauschale.

Im Laufe der fast eineinhalbstündigen Verhandlung kristallisiert sich heraus, dass sich der Richter bestenfalls eine Art "Anerkennung" des Landes vorstellen kann, die zehn bis 15 Prozent der Klagesumme entspricht. Quasi als "Goodwill", um Rechtsfrieden zu stiften. Nach Beratung des Klägers mit seinem Rechtsanwalt macht Letzterer "schweren Herzens" aus den 2000 Euro des Richters 2500 Euro.

Eine Summe, dem sich der Rechtsanwalt, der das Land vertritt, nicht verschließen will, obwohl er sich eigentlich einen "deutlich geringeren Betrag" hätte vorstellen können. Da der zuständige Behördenvertreter aber erst wieder Ende März erreichbar sei, könnte es im Landgericht am 19. April, 8.30 Uhr, eine Fortsetzung geben.

Warum nun dieses "Goodwill" und keinen Schadensersatz? Der Abtransport des toten Tieres sei keine hoheitliche Maßnahme, deutet der Richter an. Während bei Haustieren der Halter hafte, gebe es bei Wildtieren lediglich eine eingeschränkte Haftung. Dieser spezielle Fall sei eben eine "saublöde Situation".

Zwar habe die Polizei dem Jagdpächter die Schussfreigabe erteilt, als andere Versuche, den Keiler aus dem Haus zu locken oder zu entfernen, nicht funktioniert haben, und könne sich auf einen Paragraphen des Polizeigesetzes berufen (Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung). Doch könne dies die Haftung auslösen? Es sei nicht rechtswidrig, das Wildschwein zu erschießen. Nach diesem Zeitpunkt jedoch beginne ein anderer Abschnitt, ende die polizeiliche Maßnahme.

Mit Wanne oder Plane?

Ob bei der Schwere und dem Zustand des Tieres der Abtransport in einer Wanne möglich gewesen sei? Wäre eine Wanne nicht zu leicht gewesen? Hätte das Treppenhaus mit Planen ausgelegt werden sollen? Fragen, die im nachhinein müßig erscheinen. Es sei ein schicksalhaftes Geschehen, stellt der Richter fest und sagt Richtung Kläger: "Sie werden sich mit einer Klage schwer tun." Dann regt er obigen Vergleich an.

Nebenbei: Ansprüche, die der Kläger bereits gegen das Kreisjagdamt geltend gemacht habe, seien ohne Ergebnis in seinem Sinne, sprich Entschädigung, verlaufen, antwortet der Kläger auf eine Frage. Die Kosten des Rechtsstreits werden im Verhältnis 15 zu 85 (Kläger) aufgeteilt.

Auch die Ansichten, wann das Wildschwein welche Schäden im Haus verursacht habe, gehen auseinander, als der Kläger berichtet, als aus dem Polizeibericht zitiert und als aus einem Pressebericht vorgelesen wird. Die meiste Zeit hat sich der Mann nach eigener Aussage in einer Wohnung im ersten Obergeschoss aufgehalten. Der Schreck vor dem vierbeinigen Eindringling mit seinen langen und scharfen Hauern saß schließlich tief.