Das Sommersprossenkonzert mit der Uraufführung des Oratoriums Logos und der Sopranistin Theresa Nelles ist ein besonderes Erlebnis. Fotos: Friederichs Foto: Schwarzwälder-Bote

Sommersprossen: Deutsche Erstaufführung des Oratoriums Logos in der Rottweiler Predigerkirche

Mit der deutschen Erstaufführung entfaltete das Oratorium Logos von Daniel Schnyder in der Rottweiler Predigerkirche anlässlich des 50-jährigen Bestehens des Klassikfestivals Sommersprossen große Wirkung.

Rottweil. Im November 2015 wurde das geistliche Werk in Lausanne/Schweiz uraufgeführt. Schnyder hatte zur Rottweiler Aufführung den Vocalchor des Konservatoriums Lausanne mitgebracht, der in polyphoner Klarheit die dem Werk zugrunde liegenden Texte interpretierte.

Das Ensemble New Baroque unter Konzertmeister Adam Taubitz unterstützte in feinnuancierter Abstimmung die Sänger, während die Solisten, allen voran Daniel Schnyder, Saxofon, mit der alle überragenden Sopranistin Theresa Nelles einen Dialog aufnahmen.

Die Komposition LOGOS rückte durch ihre Auseinandersetzung mit dem biblischen Schöpfungs-Wort auch die Wort-Bedeutung des Reformators Luther vor dem Hintergrund des 500. Jubiläums der Reformation in den Mittelpunkt.

Schnyder greift in seinem dreiteiligen Oratorium "Für unsere Zeit" zwar Texte aus dem 16. Jahrhundert auf, verweist aber durch ihre verschiedenen Sprachen auf die Universalität von Musik. Parallel zur Sprachenvielfalt enthält das Werk eine große Breite musikalischer Elemente aus mehreren Jahrhunderten.

Der erste Teil – noch in ruhiger Bewegung – umkreist die Bitte des Menschen nach Gottes Erbarmen. In tiefer Wärme begann das Violoncello, vom Vibrafon leicht aufschlagend unterstützt, ehe der Sopran in hoher Lage, unterstrichen von der Ersten Violine, diese Bitte aufgriff, um nach einem verstärkten "Ruf" in einen behutsamen solistischen Dialog mit der Alt-Flöte zu treten. Spätestens mit dem Eintritt des Chores wurde dessen Klangfülle und absolut stimmsichere Homogenität hörbar.

In tänzerisch arabischen Rhythmen wurden türkische, hebräische oder französische Liedtexte vorgetragen, in heiterer Leichtigkeit von der Flöte, Elisa Goritzki, und vom Schlagzeug, Thomas Dobler, mit einer marokkanischen Darabuka, untermalt. Gesteigerte Tempi des Chores, kraftvoll überlagert von der Sopranistin, wechselten mit retardierend jazzigen Klangpassagen ab.

Ein in weicher Gestik gehaltener Ruf des Chores nach Erbarmen und dem zu einer großen Klage ausholenden Saxofon beendeten den zweiten Teil.

Der dritte Teil eröffnete mit einem Wechselgesang zwischen Sopran und Chor a capella über die Fremdheit des Menschen auf der Erde und der Sehnsucht, die Wunder der Schöpfung zu erkennen. Vom Streichquartett beeindruckend begleitet brachte Theresa Nelles die Fremdheit des Menschen zum Ausdruck. Große Perfektion in der Stimmenqualität des Chores und die emotionale Kraft der Interpretation durch Chorleiter Jean-Claude Fasel verstärkten in diesen an Bach und Luther angelehnten Texten die Suche des Menschen nach Schutz. In äußerster Höhenlage und großer Kraft überlagerte die Sopranistin Chor und Instrumentalisten in ihren eindringlich berührenden Rufen nach Hilfe aus der Finsternis.

Zu einem musikalisch zerbrechlichen Klanggebilde entwickelte Theresa Nelles die Herkunft der Weisheit in stimmlich weicher und äußerst zarter Zurücknahme, ehe in diese Zerbrechlichkeit tosend das Böse einbrach. In gesteigerter musikalischer Aggressivität und arrhythmischen Dissonanzen setzten Sopran, Chor und Instrumentalisten diese Textpassage aus der Apokalypse um. Das Können der Sopranistin fand seinen Höhepunkt in der flehentlichen Bitte um Frieden, hier wuchs Theresa Nelles über sich hinaus. Die Schlussapotheose aller, verstärkt durch die Orgel (Johannes Vöhringer), steigerte sich zu einem wuchtigen Klangvolumen analog zum Lutherischen Lied: "Sei uns ein starker Fels, eine feste Burg von einer Zeit zu anderen immerdar."