Brauchtum: Winfried Kretschmann (Grüne) und sein Herausforderer Guido Wolf (CDU) geben sich in Rottweil närrisch

Von Armin Schulz

Rottweil. Dieses Jahr gibt es kein Erbarmen für die Wahlkämpfer. Fastnacht und Wahlkampf in Baden-Württemberg fallen zeitlich zusammen. Das kostet Kraft, das geht an die Nieren. Dafür braucht man, wie der Volksmund so schön sagt, eine Kuttel. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sind die Strapazen ein wenig anzumerken.

Zwar versucht die immer quicklebendige Gerlinde Kretschmann ihrem Mann, wo es geht, den Rücken zu stärken. So auch in der Narrenhochburg Rottweil. Aber zuweilen kann auch sie nicht verhindern, dass der Rottweiler Fastnachtsruf "hu-hu-hu" aus dem Mund des Gatten klingt, als wolle da einer im Stillen eher eine Geburtstags-Kerze ausblasen, als voller Inbrunst die Rottweiler Narren hochleben lassen. Es sei ihm verziehen. Schließlich gehört der Landesvater wie so etliche an diesem Montagmorgen nicht zum Interieur der Rottweiler Fasnet, sondern macht den vielen Narren aus wahltaktischen Manövern seine Aufwartung.

In wenigen Wochen sind Landtagswahlen. Deswegen stehen sich in der ersten Reihe der Ehrentribüne die Spitzenpolitiker beinahe auf den Füßen. An ihnen vorbei jucken Tausende Narren. Es ist der Höhepunkt der schwäbisch-alemannischen Fastnacht. Natürlich lässt sich auch Guido Wolf, der CDU-Herausforderer des grünen Ministerpräsidenten, dieses Spektakel nicht entgehen. Und mit ihm SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel. Während Wolf mit den Rottweiler Befindlichkeiten gut vertraut sein dürfte (schließlich kennt er die Vorlieben der früheren Reichsstädter aus seiner Zeit als Tuttlinger Landrat), ist die Narretei für Schmiedel eine Neuheit. Er ist erstmals während der Fastnacht in Rottweil, der ältesten Stadt im Land, und zeigt sich angetan von der gelebten Tradition.

Kretschmann, Wolf, Schmiedel, die grüne Staatsrätin Gisela Erler und auch der Unions-Fraktionschef im Bundestag, Volker Kauder (CDU), sehen sich das Narrentreiben in Rottweil über Stunden interessiert an. Zuweilen werden sie von den Narren in Zwiegespräche verwickelt, und man darf annehmen, dass das eine oder andere Thema offen angesprochen wird.

Später geht es in den Bürgersaal. Dort lässt der Rottweiler Oberbürgermeister Ralf Broß (parteilos) die Narren und seine Stadt, die wie kaum eine andere in Baden-Württemberg an der Schwelle zur Zukunft steht, hochleben und erinnert noch einmal an ein besonderes Thema, das Rottweil und den Ministerpräsidenten in Geschichtsbüchern, die noch zu schreiben sein werden, zusammenführt: den Standort für das neue Gefängnis. In den vergangenen Jahren ging es in dieser Hinsicht drunter und drüber. Jetzt immerhin darf Rottweil gewiss sein, die JVA für rund 400 Häftlinge zu erhalten. Kretschmann verspricht in Reimform, dass das Land für die Kosten aufkommen werde.

Nachdem er das gesagt und nachdem er im neuen Rathaus in Rottweil zusammen mit der lokalen Prominenz das traditionelle Linsen-und-Spätzle-Gericht zu sich genommen hat, geht es weiter nach Schramberg. Dort wohnt der Landesvater der "Da-Bach-na-Fahrt" bei.

Heute übrigens gibt es ein Wiedersehen der beiden Kontrahenten um den Amtssitz in der Villa Reitzenstein. Kretschmann und Wolf haben sich für das "Frosch-Kutteln-Essen" in Riedlingen angesagt. Guten Appetit.