Ein Totenkopf mit Flügeln ist das Symbol der Hells Angels. Rottweils Polizeichef Gerold Sigg will dafür sorgen, dass in seinem Landkreis wieder Ruhe einkehrt. Foto: Wittek

Hells Angels, Black Jackets und Co.: Polizei will gegen rivalisierende Rockergruppen vorgehen.

Rottweil - Wer sich mit den Hells Angels, den Höllenengeln, einlässt, ist nahe dran, einen Pakt mit dem Teufel abzuschließen. In der ältesten Stadt Baden-Württembergs, Rottweil, gibt es einen, der lässt sich in letzter Zeit mit Rockergruppen auffallend oft ein. Das hört er nur nicht so gern und noch weniger möchte er darüber etwas lesen.

 Und es gibt einen, dessen Job es ist, dass wieder Ruhe und Ordnung einkehrt, nicht nur in Rottweil, sondern im gesamten Landkreis. Der eine ist ein ehemaliger Brauereiwirt, der an Motorradclubs seine leerstehenden Gasthäuser vermietet, der andere ist der Polizeichef im Landkreis, der Leitende Polizeidirektor Gerold Sigg.

Die Ruhe in dem ansonsten beschaulichen Landstrich zwischen Alb und Schwarzwald hat gelitten. Zuletzt wurde im Februar auf das Clubheim der United Tribunes, der ehemaligen Gaststätte Rößle bei Deißlingen-Lauffen, ein Brandanschlag verübt. Zwei Molotow-Cocktails landeten bei dem Gebäude, in dem sich noch Personen aufhielten.

Die Gewaltbereitschaft ist hoch, dieFäuste fliegen schnel
 

Viel ist nicht passiert: Die Flammen konnten schnell gelöscht werden. Beinahe ebenso schnell gelang der Polizei ein Fahndungserfolg. Als Tatverdächtiger wurde ein 21-Jähriger ermittelt – ein Mitglied der rivalisierenden Gang Black Jackets. Der Mann wurde auf dem Flughafen Stuttgart festgenommen, als er auf der Flucht ein Flugzeug in Richtung Türkei besteigen wollte. Jetzt sitzt er in Untersuchungshaft, mit vier weiteren Gangmitgliedern im Alter zwischen 18 und 23 Jahren, die aus dem Raum Rottweil und aus Tuttlingen kommen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen schwere Brandstiftung und versuchten Mord vor.

Es ist eine andere Welt, eine Welt, in der es um Macht, Geld und Ehre geht. United Tribuns und Black Jackets sind keine Rockergruppen, sie werden von der Polizei lediglich zu den rockerähnlichen Gruppierungen gezählt. Doch sie agieren deshalb nicht weniger brutal. Beide Gruppierungen sind in der Türsteherszene aktiv, darüber hinaus werden ihnen Kontakte ins Rotlichtmilieu nachgesagt.

Der Markt ist heftig umkämpft. Dabei geht es alles andere als zimperlich zu. Die Polizei hat in den Wohnungen der Verdächtigen Pistolen, geschliffene Schwerter, Macheten und Schlagstöcke gefunden. Die Gewaltbereitschaft ist hoch, und die Fäuste fliegen schnell.

Das musste ein Mann Ende 2010 erfahren, als er sich nach dem Besuch eines Fußballbundesligaspiels in Freiburg in einer Gaststätte in Rottweil aufhielt. Offensichtlich zog seine schwarze Jacke die Aufmerksamkeit eines Black-Jacket-Mitglieds auf sich. »Du bist doch ein Tribun?«, soll dieser gefragt haben. Zeit sich zu rechtfertigen hatte der Gefragte nicht, dafür eine gebrochene Nase. Auf eine Anzeige verzichtete er; nicht so die Staatsanwaltschaft, die ein öffentliches Interesse erkannte. Schließlich befanden sich zu der Zeit rund 200 Gäste im Lokal. Aber weit und breit kein United Tribun.

Vor einem guten Jahr war die Szene noch überschaubar: Da gab es den Motorradclub (MC) Gremium in Rottweil, in Deißlingen ansässig waren die Corporals, in Schramberg die Black-Riders. United Tribuns und Black Jackets tummelten sich ebenfalls im Landkreis, doch größeres Aufsehen erregte keine der Gangs.

Das änderte sich im August 2010 schlagartig. Dabei lag der Schauplatz mehrere Hundert Kilometer südlich. Rivalisierende Rocker prügelten am Ballermann auf Mallorca stundenlang aufeinander ein. An der Schlägerei in der Urlauberhochburg waren bis zu 40 Rocker beteiligt, sie gehörten den Hells Angels auf der einen und der Gruppe Gremium MC auf der anderen Seite an.

Mitgeprügelt hat auch der Präsident der Rottweiler Gremium-Gang. Laut Polizei hat er kurz danach mit einigen Gefolgsleuten die Fronten gewechselt: Jetzt will er ein Hells Angel werden. Der Grund ist einfach: »Die Engel sind in der Rockerszene immer noch das Größte«, so die Polizei. Dafür nehmen die ehemaligen Gremiums-Mitglieder in Kauf, wieder ganz unten anzufangen. Den MC Gremium Rottweil gibt es seither so nicht mehr.

Damit ist die Rockerszene in Rottweil in Bewegung geraten. Aber nicht nur dort. Im Kern geht es um die Alleinherrschaft im Südwesten. Und laut Polizeichef Sigg zeichnet sich ab, dass die Hells Angels die Macht übernehmen wollen. Um an das Geld zu gelangen, das sich mit Drogendeals, Prostitution, Waffenschiebereien, dem Verkauf verbotener Arzneimittel und dem Türstehergeschäft in Baden-Württemberg machen lässt.

Bislang war der Landkreis Rottweil frei von den Höllenengeln, »ein weißer Fleck«, sagt Sigg. Jetzt kommt Farbe ins Spiel. Rottweil steht plötzlich im Zentrum eines Gebietskampfs. Das hat offensichtlich mit der geografisch geschickten Lage als Mittelpunkt zwischen Stuttgart und Bodensee und der Autobahn 81, die als schnelle Verkehrsader durch den Landkreis fließt, zu tun. In Baden-Württemberg gibt es 43 Chapter – also Ortsgruppen – und 800 Rocker, im Landkreis Rottweil sind es allein 5 Chapter mit 80 Mitgliedern.

Keine Bleibe, keine Rocker, keine Probleme, meint der Polizeichef

Sie kommen aus beinahe allen Landesteilen. Aus Lahr (Ortenaukreis), Pforzheim und Reutlingen entsenden die Hells Angels ihre Statthalter. So hat sich vor wenigen Wochen in Wellendingen, einem 3100-Einwohner-Dorf bei Rottweil, eine der Hells Angels nahestehenden Gruppierung mit dem Namen Support 81 niedergelassen. Sie gehört dem Chapter, quasi dem Ortsverband, Support 81 Black Forest in Lahr an.

Oder die Red Devils Rottweil, die den Reutlingern Engeln unterstellt sind. Sie feierten erst im November die Eröffnung ihres Clubs. Beide Clubhäuser waren früher Gaststätten, die lange leer standen. Dass sie an Rocker vermietet werden, nimmt der Polizeidirektor dem Besitzer persönlich übel. Keine Bleibe, keine Rocker, keine Probleme, so die Überlegung von Sigg.

Nicht nur Ex-Gremium-Mitglieder sind zu den Hells Angels übergelaufen. Auch die Black Jackets gehen auf Tuchfühlung zu der mächtigsten Rockergruppe in Deutschland. Laut den Ermittlungen der Polizei zeichnet sich eine bundesweite Annäherung ab.

Weitere Auseinandersetzungen mit rivalisierenden Gangs scheinen programmiert. Denn vom Nachbarlandkreis Schwarzwald-Baar aus sind einstige Gremium-Mitglieder auf dem Sprung, wieder in Rottweil Fuß zu fassen. Und viele Mitglieder der Motorradclubs Outlaws in Horb (Landkreis Freudenstadt) und Schwenningen wohnen in Rottweil.

Die Polizei will dem Treiben nicht tatenlos zuschauen. Vor knapp einem Jahr wurde in Rottweil die Ermittlungsgruppe Leder eingerichtet, die sich auf die Rockerszene spezialisierte. Das war landesweit einmalig. Zunächst galt es, die Strukturen kennenzulernen. Jetzt ist es die Strategie der Beamten, den Rockern das Leben schwer zu machen, und die Strukturen, die ganz ähnlich der organisierten Kriminalität sind, zu zerstören.

»Wir wollen das Heft des Handelns behalten«, sagt Sigg. So wolle er etwa keinesfalls dulden, dass die Rocker mit ihren Motorrädern ihre Macht demonstrierten. Derartige Ausfahrten würden verhindert. Das Rockerphänomen dürfe sich nicht weiter ausbreiten. »Wir sorgen dafür, dass wieder Ruhe einkehrt.« Das können die Höllenengel durchaus als Kampfansage verstehen.