Neben zwei sich vor allem zum möglichen Tathergang Gedanken machenden Gutachterinnen wird sich heute Charalabos Salabasidis (rechts), Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie an der Vesalius-Klinik Bad Rappenau – im Bild im Gespräch mit leitendem Oberstaatsanwalt Michael Groß – insbesondere zur Persönlichkeit des Täters äußern. Foto: Scheidel Foto: Schwarzwälder-Bote

Mordprozess: Heute geben Sachverständige Expertisen ab

Von Winfried Scheidel

Deißlingen. Wie geht es den Angehörigen des Hofguts Heiligenhof nach der schrecklichen Tötungstat am 6. Oktober 2015? Das Geschehen wirkt als schwere Belastung. Man wehrt sich nach Kräften, um nicht daran zu zerbrechen. Auf Antrag des Erdinger Anwalts Jochen Völter, der die Angehörigen als Nebenkläger vertritt, wurde gestern ein Psychologe und Psychotherapeut in den Zeugenstand gerufen. Dieser schilderte den emotionalen Ausnahmezustand bei den Beteiligten, aus deren Mitte in den frühen Morgenstunden, als sich gerade alle an dem Dienstag frohgemut zum Tagwerk bereitgemacht hatten, der 38-jährige Motor des beliebten Biohofs durch einen fatalen Messerstich zu Tode kam. Die unbegreifliche Tat drücke schwer aufs Gemüt, auch physisch seien die Auswirkungen teilweise sehr spürbar.

Der Vater des Getöteten, der vor Jahrzehnten mit seiner Frau – der Hofladenchefin – die Basis auf dem Aussiedlerhof schaffte, versuchte es in Worte zu fassen. Als der Senior betont, dass alle zusammenhalten, man auch das Mitgefühl und den Zuspruch von außerhalb dankbar registriere, sagt er aber auch, dass über allem eine bleierne Traurigkeit liege. "Wir strengen uns an. Aber uns fehlt der J.". Das rührt auch die Zuhörer in den Besucherreihen.

Der 62-jährige Täter hört sich alles weitgehend regungslos an. Er blickt auch vor sich hin, wenn Ermittler anhand von Bildmappen zu Tatort und Spurensicherungen Ausführungen machen. Als aber eine vom ihm gefertigte Tatortskizze zum Aufruf kommt, zeigt er sich aufgeweckt. Weitschweifig erzählt er seine Sicht der Dinge, wie harmlos sein Überfall gedacht gewesen sei. Wieso er dabei dauernd ein Messer in der Hand gehabt habe, wisse er auch nicht. Die junge Frau, auf die er morgens gegen 7.30 Uhr in einem Nebenraum des Hofladens traf, will er höflich behandelt haben. Diese aber spricht von Todesangst, als der Maskierte ihr die Hände auf den Rücken fesselte. Bei seiner Flucht mit etwa 220 Euro habe er Danke gesagt, lässt der Beschuldigte verlauten, offenbar nicht wissend, welcher Hohn in diesen Worten für andere mitschwingt.

Seine Angaben, in Not wegen großen Hungers in den Laden eingedrungen zu sein, stehen in Widerspruch zu Erkenntnissen aus der Spurensicherung. So gibt es keine Hinweise, dass er sich am späten Vorabend an Käse und Tomaten aus dem Laden gütlich getan hat, bevor er in einem Nebenraum eingeschlafen sein will, um am Morgen angesichts der plötzlich auftauchenden Ladenmitarbeiterin "panisch vor Schreck" zu reagieren. Selbstgefällig und zynisch kommt bei Zuhörern seine Erkenntnis an, dass wenn das spätere Opfer ihn nicht körperlich attackiert hätte, auch nichts passiert wäre.

Wenn heute die Gutachten zum Tatgeschehen und zur Persönlichkeit des Täters vorgetragen werden, könnte einer gestern verlesenen Aussage des Täters bei der richterlichen Vernehmung am 7. Oktober besondere Bedeutung zukommen: Das spätere Opfer habe ihn mit großer Energie umschlungen, sagte der Beschuldigte damals. Darf daraus gefolgert werden, dass der Angeklagte im anschließenden Gerangel aktiv und gezielt das Messer in Anschlag brachte, um zu verletzen und den Tod des Widersachers in Kauf zu nehmen?