Der katholische Pfarrer Martin Stöffelmaier und seine evangelische Kollegin Pfarrerin Esther Kuhn-Luz in der Predigerkirche: Die war einst katholisch, inzwischen feiern die Protestanten dort ihre Gottesdienste. Fotos: Schickle Foto: Schwarzwälder-Bote

Zwei Pfarrer, zwei Konfessionen: Rottweiler Geistliche sprechen über ökumenische Zusammenarbeit in der ältesten Stadt des Landes

Rottweil. Mitte Oktober findet in Rottweil der erste ökumenische Kirchentag für den Landkreis statt. Doch wie steht es überhaupt um das Verhältnis zwischen Protestanten und Katholiken in der Stadt? Der katholische Dekan Martin Stöffelmaier und die evangelische Pfarrerin Esther Kuhn-Luz schildern ihre Eindrücke.

Herr Stöffelmaier, passen Rottweiler Katholiken und Protestanten zusammen?

Martin Stöffelmaier: Warum sollen Katholiken und Prostestanten nicht zusammenpassen? Natürlich passen sie zusammen! Esther Kuhn-Luz: Genau. Was uns verbindet, ist der Glaube an Christus, von daher passen wir gut zusammen. Ein Unterschied in Rottweil: Katholiken leben schon lange hier und pflegen lange Traditionen, während viele Evangelische von außerhalb kommen. Das ist für die Gemeindearbeit etwas sehr Belebendes.

Was schätzen Sie an der jeweils anderen Konfession?

Kuhn-Luz: Ihr verbindet den Glauben oft mit Lebensfreude, bei Euch geht es oft geselliger zu. Auch von Eurer Spiritualität können wir profitieren. Stöffelmaier: Ich schätze die biblisch orientierte Verkündigung, die wir Katholiken eigentlich erst nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil nachgeholt haben, unter anderem auch die Liturgie in der Muttersprache.

Spielt die Konfessionszugehörigkeit für die Rottweiler von heute überhaupt noch eine Rolle?

Kuhn-Luz: Ich erinnere mich an meine erste goldene Hochzeit hier. Sie war evangelisch und er katholisch. Das gibt es ja zum Glück ganz oft in Rottweil. Trotzdem gibt es gerade bei der älteren Generation einen Schmerz: Früher gab’s keinen Raum in den Dörfern, um den evangelischen Glauben zu leben. Es gibt ja keine Kirchen dort. Jetzt möchten viele, dass wenigstens die goldene Hochzeit in der evangelischen Kirche stattfindet – die "richtige" war ja in der katholischen. Andere sagen: "Mensch, ist ja schade, dass wir uns entscheiden müssen." Die Sehnsucht nach Gemeinsamkeit ist schon da.

Und sie spielt eine pragmatische Rolle: Zum einen gehört die Konfession zur eigenen Identität, zum anderen aber gehen auch evangelische Kinder zu den "Minis", wenn es von der evangelischen Seite kein Angebot gibt. Aber zum Glück gibt es keine grundsätzliche Ablehnung mehr nach dem Motto: Oh je, du kannst keinen katholischen Mann heiraten. Stöffelmaier: Ökumenische Trauungen sind nach meiner Wahrnehmung seltener geworden. Wenn eine ökumenische Trauung gewünscht wird, erfüllen wir diesen Wunsch. Wenn es Probleme dabei gibt, sind es höchstens organisatorische. Die Türen stehen weit offen.

Und wie steht es in Rottweil sonst so um die Ökumene?

Kuhn-Luz: Ich war absolut positiv überrascht, in wie vielen Bereichen ganz selbstverständlich zusammengearbeitet wird. Ich hatte anfangs Bedenken: Wie wird’s, in die Diaspora zu kommen? Dabei finden hier zum Beispiel evangelische Beerdigungen wie selbstverständlich in katholischen Kirchen statt. Es gibt eine gemeinsame Gefängnisseelsorge, eine Kooperation bei der Erwachsenenbildung, bei Kinder- und Jugendförderung, Weltgebetstag der Frauen, und es gibt den "Kanzeltausch". Als Modell gibt es auch gemeinsamen Religionsunterricht, zum Beispiel in Villingendorf. Überall, wo ich hinkam und es mit katholischen Veranstaltern zu tun hatte, war eine große Offenheit da.

Eine große Rolle spielt der Ökumenische Arbeitskreis, der immer wieder ökumenische Aktivitäten anregt und auch theologisch zur Ökumene arbeitet. Durch ihn ist die Charta Oecumenica entstanden, die 2006 verabschiedet wurde. Dort wird die Zusammenarbeit der evangelischen und katholischen Kirchengemeinden verbindlich festgelegt.Stöffelmaier: Im sozial-karitativen Bereich ist die Ökumene eigentlich verwirklicht. Der Umgang mit sozialer Not kennt keine konfessionellen Grenzen. Kuhn-Luz: Im liturgischen Bereich wäre es natürlich zu wünschen, dass ökumenische Gottesdienste nicht immer zusätzlich stattfinden, sondern als ganz normale Gottesdienste. Aber natürlich gibt es katholischerseits das Riesenproblem des Priestermangels. In Rottweil gibt es nur zwei Priester. Von daher ist es sehr gut, dass die ökumenischen Wortgottesdienste auch von Laien getragen werden. Stöffelmaier: Es muss möglich sein, dass Katholiken in evangelischen Gottesdiensten sich wohlfühlen und umgekehrt.

Wo hakt’s?

Kuhn-Luz: Eucharistie und Abendmahl und ein damit verbundenes anderes Amtsverständnis sind das Problem. Es ist schon immer wieder die Frage: Darf ich als Evangelischer in der katholischen Kirche an der Eucharistie teilnehmen? Stöffelmaier: Solche Einladungen müssen so selbstverständlich werden, dass jeder selbst entscheiden kann. Ich kann natürlich das Kirchenrecht nicht außer Kraft setzen. Aber ich rechne mit der Eigenverantwortung aller Gemeindeglieder: Es steht mir nicht zu, ihre Entscheidungen zu beurteilen. Ich denke, die Mündigkeit der Gemeindeglieder ist ausschlaggebend.

Wie gehen Sie beim gemeinsamen Abschlussgottesdienst des Kirchentags mit dem Thema um?

Kuhn-Luz: Es ist ganz klar, dass am Ende eines ökumenischen Kirchentags ein ökumenischer Gottesdienst gefeiert wird. An diesem Punkt muss man aber nicht das Trennende betonen, sondern das Verbindende. Also gibt es kein gemeinsames Abendmahl.

Wie funktioniert die sonstige Zusammenarbeit in Sachen ökumenischer Kirchentag?

Stöffelmaier: Das katholische und evangelische Dekanat sind flächenmäßig gesehen nicht deckungsgleich. Das katholische Dekanat erstreckt sich komplett über den Landkreis Rottweil einschließlich Schwenningen, dagegen gibt es die evangelischen Kirchenbezirke Sulz und Tuttlingen mit Kirchengemeinden im Landkreis Rottweil. Kuhn-Luz: Es gibt in den Vorbereitungen also eher keine katholischen und evangelischen Probleme, sondern strukturelle.

Herr Stöffelmaier, wie närrisch sind Protestanten während der Fasnet?

Stöffelmaier: Ich kenn viele Protestanten, die ein Narrenkleid haben. Die Fasnet in Rottweil ist ein ergreifendes Heimatfest. Das hat mit der hoch geschätzten Ortstradition zu tun. Sie ist eine Art Lebenselixir. Es ist faszinierend, wie Stadteute seit vielen Generationen durch das Narren Kontakt zueinander aufnehmen. Das kann und darf man als Kirche nicht ignorieren, allerdings auch nicht vereinnahmen. Kuhn-Luz: Für uns Protestanten ist das erst mal fremd. Deshalb gehen wir als evangelische Kollegen unterschiedlich damit um. Bei unserer ersten Fasnet in Rottweil waren wir natürlich hier und wollten alles bewusst wahrnehmen. Ich fand’s klasse, wie offen und gastfreundlich die Atmosphäre in diesen Tagen ist – und man sich irgendwann mit "Hu-hu-hu!" begrüßt, und nicht mit "Hallo, Martin!". Und ich hab durchaus an dem Sonntag auch über die Fasnet gepredigt.

Frau Kuhn-Luz, wen erleben Sie als lockerer?

Kuhn-Luz: Über die Fasnet sind natürlich die Katholiken lockerer. Aber übers restliche Jahr kann ich’s nicht sagen. Was meinst Du, Martin? Stöffelmaier: Das sind für mich Klischees. "Lockerheit" ist die Folge einer inneren Einstellung, also nicht nur Ausdruck des persönlichen Bekenntnisses. Rottweil ist ursprünglich katholisch geprägt, aber längst auf Augenhöhe in ökumenischer Verbundenheit. Evangelische Christen gibt es in Rottweil seit 200 Jahren. Das sind etliche Generationen. Das ist natürlich längst auch eine wichtige Tradition geworden. Kuhn-Luz: Und wir verstehen uns gemeinsam als "Kirche in Rottweil". Deshalb gibt’s ja auf allen Ebenen der Kirche Zusammenarbeit zwischen Katholiken und Protestanten.

Neben dem Kirchentag gibt es ein weiteres ökumenisches Großprojekt: der zeitweise Umzug der "Madonna von der Augenwende" vom Heilig-Kreuz-Münster in die Predigerkirche während der Innen-Sanierung des Münsters. Das ökumenische Treffen beider Kirchengemeinderäte hat zugestimmt – und so finden 2015 einige ökumenische Veranstaltungen statt unter dem schönen Motto: "Maria bringt uns in Bewegung."Stöffelmaier: Das Anliegen ist dasselbe: Christen begegnen sich. Das ist nichts Außergewöhnliches, sondern naheliegend und verpflichtend. Es trennt uns gottlob weniger als das, was uns eint. u Die Fragen stellte Verena Schickle.

Weitere Informationen: www.oekumenischer-kirchentag-rottweil.de