Der gebürtige Rottweiler Wolfgang Gubisch gilt als Deutschlands "Nasenpapst" / Mehr als 10 000 Operationen

Von Peter Schönfelder

Rottweil/Stuttgart. Wolfgang Gubisch ist Deutschlands "Nasenpapst". Der Chirurg von Weltruf "macht Nase", wie er selbst sagt, und zwar ausschließlich. Er habe das Gesicht seit mehreren Jahrzehnten nicht verlassen, scherzt er.

Heute ist das Stuttgarter Marienhospital, Gubischs Wirkungsstätte, durch ihn eine der ersten Adressen für Nasen-Rekonstruktionen und -korrekturen in Deutschland.

Doch es war ein weiter Weg aus der Rottweiler Klippeneckstraße in den Stuttgarter Operationssaal.

In Rottweil wuchs Gubisch auf, besuchte das Albertus-Magnus-Gymnasium, legte schon mit 17 Jahren das Abitur ab und begann nach wenigen Wochen bei der Bundeswehr ein Medizinstudium in Tübingen. Eigentlich habe er Landarzt werden wollen, aber die Innere Medizin habe ihn eher frustriert. Also sei er lieber Chirurg geworden, sagt er im Rückblick.

Mehr durch Zufall kam er ans Marienhospital in Stuttgart, an dem 1975 die damals größte und älteste Abteilung für plastische Chirurgie existierte. Da man aber keinen Facharzt auf diesem Gebiet machen kann, "baute" er diesen in Tübingen als Hals-Nasen-Ohren-Arzt. Damals wollten dort alle Mittelohrchirurgie betreiben, so dass der Chef gesagt habe, Gubisch könne sich ja um die Nasen kümmern, erinnert er sich. Mit den Jahren vervollkommnete der junge Arzt seine Fähigkeiten, während er zwischen Stuttgart und Tübingen hin und her pendelte. Tja, und von da an "machte ich nur noch Nase".

Aber warum gerade Nase? Sie präge das Gesicht, sagt der heute 65-Jährige. Wenn man das Gesicht eines Menschen beschreibe, funktioniere dies nicht, ohne auch die Nase einzubeziehen. Sie verleihe der Person Identität. Nicht umsonst sei im Mittelalter das Abschneiden von Nasen und Ohren eine verbreitete Strafe gewesen. Damit mache man den Täter quasi gesichtslos, nehme ihm die Persönlichkeit. So werde beispielsweise vom byzantinischen Kaiser Julian berichtet, dass er nach dem Verlust seiner Nase eine goldene Prothese getragen habe.

Versuche, verletzte oder verlorene Nasen durch Gewebe zu ersetzen, seien schon aus dem sechsten Jahrhundert vor Christus überliefert.

Zudem sei die Nase ein wichtiges Sinnesorgan. Wer nicht riechen und damit auch nicht schmecken könne, dem blieben wichtige Sinneswelten verschlossen.

Oft kämen geradezu verzweifelte Menschen zu ihm, die eine "neue" Nase wollten. Sie seien der Meinung ihr Riechorgan sei zu groß, zu dick, zu lang oder trage einen Höcker.

Rund die Hälfte seiner Patienten sind allerdings in der Klinik, weil vorherige Operationen von anderen Chirurgen "im Ergebnis nicht befriedigend waren". Natürlich will Gubisch nicht von Pfusch reden, aber er erlebe Fälle, in denen zehn Mal operiert wurde, und er dennoch eingreifen muss.

Ob er operiert oder nicht, da ist er selbst das Maß der Dinge. "Wenn ich das Problem selbst sehe und nachvollziehen kann, dann operiere ich." Wolle aber einer gern die Nase von Brad Pitt, dann mache er, Gubisch, das nicht, denn "der Mann sieht ja auch sonst nicht aus wie Brad Pitt."

Er operiert auch nicht, wenn beim Patienten der Verdacht der "Dismorphophobie" naheliege. Dies betreffe Menschen, die das eigene Äußere überbewerteten und sich mehrfach operieren ließen, um dem Idealbild im Kopf immer näher zu kommen. Dieses Verhalten nehme unter Umständen sogar pathologische Züge an.

70 Prozent seiner Patienten hätten ein "funktionelles Problem" mit der Nase, bekämen beispielsweise keine Luft, könnten schlecht atmen. Da könne man sich gleich auch um die ästhetische Seite kümmern, so Gubisch. In letzter Zeit habe die Zahl der Kriegsverwundeten aus den Krisengebieten zugenommen, die an Nase und Augenlidern verletzt wurden.

Aber warum macht er immer nur Nase? Die extreme Spezialisierung diene dem Patienten, sagt Gubisch. Durch die Erfahrung werde man schneller und besser im Operieren, verringere also die Belastung für den Patienten. "Man kann nicht auf allen chirurgischen Feldern gleich gut sein", zeigt sich der Professor mit dem doppelten Doktortitel überzeugt. Lieber eines perfektionieren.

Wie viele Nasen gingen bisher durch seine Hände? "Ich habe bei 10 000 aufgehört zu zählen." Inzwischen dürften es weit mehr sein. Aber er stehe nicht nur am Operationstisch. Er habe eine Schule gegründet, deren Absolventen zu den besten Chirurgen auf diesem Gebiet zählten. Bis nach Amerika sei sein Ruf gedrungen. "Ich habe ein tolles Team mit zwölf Ärzten und wir erhalten sehr viel positives Feedback." Dies entschädige für die Zwölf- bis 14-Stunden-Tage.

Und Rottweil?

Inzwischen sei die Verbindung zur Heimatstadt fast abgerissen, bedauert Gubisch. Zur Fasnet sei er öfter mal dagewesen, aber wenn die Narren nicht auf einen zukämen, weil man erkannt werde, sei der Narrensprung halt nicht so schön. Gäste aus dem Ausland bringe er gern nach Rottweil, um die schöne alte Stadt zu zeigen. Ach ja, und zwei Betriebsausflüge mit seinem Team habe er in die älteste Stadt Baden-Württembergs unternommen. "Ich war schon lang nicht mehr da. Aber jetzt, wo Sie es sagen, eigentlich wird es mal wieder Zeit."