Serie: Tod und Sterben noch immer ein Tabu? / Das Hospiz in Spaichingen: ein Einblick

Der Tod gehört zum Leben, weiß der Volksmund. Doch in unserer Gesellschaft hat er doch keinen Platz. Die meisten Leute möchten mit dem Tabuthema Tod und Sterben nicht konfrontiert werden. Warum eigentlich?

Rottweil. Die Zimmer sind abgedunkelt. In den Betten liegen Menschen – Sterbende. Auf den Nachttischen brennen Kerzen... So, oder so ähnlich stellen sich viele Leute ein Hospiz vor. Die Realität indes sieht ganz anders aus.

In Spaichingen gibt es das Hospiz am Dreifaltigkeitsberg. Es ist ein Gemeinschaftsprojekt der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg, das von den Landkreisen Rottweil, Tuttlingen und Schwarzwald-Baar unterstützt wird, in Kooperation mit den Kirchen und der Vinzenz-von-Paul-Hospital GmbH. Träger der Einrichtung ist der Hospizverein. Hans-Peter Mattes, Dekanatsreferent für den Bereich Tuttlingen-Spaichingen, ist Vorsitzender des Vereins.

Die Räume sind hell, im Zentrum des Flachdachbaues – einem ehemaligen Schwesternwohnheim der Spaichinger Klinik – ein Lichthof. Ein direkter Blick in den Himmel also. An dem großen Tisch gleich neben der Küche sitzen Leute. Sie unterhalten sich. Frühstücken. Die Stimmung ist gut. Und dabei wissen doch alle, warum sie hier sind?!

"Ja, das wissen sie", sagt Susanne Schell, eine der beiden Leiterinnen der Einrichtung und zugleich Chefin des Pflegedienstes. Und dennoch fühlen sich die Menschen wohl und geborgen. Sie dürfen die letzten Tage oder Stunden hier genießen. Übrigens gibt es im Hospiz keine Sterbenden oder Patienten, sondern nur Gäste. Das ist ganz wichtig. Selbstbestimmtes Leben bis zum Schluss und ein würdiges Sterben stehen im Mittelpunkt.

Selbstbestimmung – bis zum Schluss

50 Ehrenamtliche kümmern sich um das Wohl der insgesamt acht Gäste. Hier geht es nicht um Heilung oder Therapie. Hier geht es darum, die letzten Tage zu besonderen zu machen, Wünsche zu erfüllen, und den Gästen zu ermöglichen, diese letzte Zeit möglichst ohne Schmerzen zu erleben. "Selbstbestimmung bis zum Schluss ist das oberste Gebot", so Schell. "Wir dürfen hier gut zu den Menschen sein. Wir haben die Mittel und das Handwerkszeug", sagt Schwester Rosalie. Sie ist Vinzentinerin aus dem Kloster Untermachtal und seit Anbeginn hier tätig. Heute hat sie alle Hände voll zu tun, denn viele Gäste möchten baden. Diesen Wunsch erfüllt sie gerne. Gebadet wird in Milch und Honig. "Das Pharaonenbad ist sehr beliebt bei uns. Jeder darf sich dazu sein Wunschduftöl aussuchen", sagt sie und verschwindet wieder im Bad, um es für den nächsten Gast vorzubereiten.

Seit das Hospiz im Oktober 2011 eröffnet wurde, haben hier 475 Gäste ihre letzten Tage und Stunden verbracht, sind hier gestorben. Im "Raum der Stille", den der Rottweiler Künstler Tobias Kammerer gestaltet hat, sind ihre Spuren noch zu sehen. Auf einer Schiefertafel werden alle Namen der Verstorbenen aufgeschrieben. Wenn sie voll ist, werden sie abgewischt. Die Spuren bleiben. Ganz schwarz wird die Tafel also nie mehr. Ein schönes Bild. Zudem wird immer, wenn ein Gast gestorben ist, eine Kerze in diesem Raum angezündet. "Dann kann jeder von außen sehen, dass jemand gestorben ist", erklärt Mattes. Die Kerze brenne bis der Bestatter den Verstorbenen abgeholt habe. Wenn man den gläsernen Vorhang im Raum der Stille öffnet, dann hat man direkten Blick auf den Dreifaltigkeitsberg – daher der Name.

Auch die Angehörigen im Fokus

Aber nicht nur die Gäste sind hier im Fokus. Auch die Angehörigen. "50 Prozent der Arbeit ist Angehörigenarbeit", weiß Mattes, dem es ein Herzensanliegen ist, ein "bewusstes Abschiednehmen" zu ermöglichen. "Mit dem Ankommen beginnt die Trauerarbeit", so Mattes.

Susanne Schell hebt das Besondere an ihrer Arbeit hervor: "Ich habe Zeit für meine Gäste und deren Angehörige. Ich habe Zeit, mir die Zeit zu nehmen", erklärt sie. Das gehe im Alltag in einer Klinik nicht.

Täglich mit Trauer umzugehen, sei dennoch für das Team nicht immer einfach. "Wir wissen genau, wo wir arbeiten, wir haben aber einen guten Austausch untereinander. Und man muss schon auch lernen, nach sich zu schauen", sagt Schell.

An der Tür macht sich derweil Besuch bemerkbar. Zwei ehemalige Arbeitskollegen eines Gastes. Die Freude auf beiden Seiten ist groß. Auch das ist Hospiz ...