Ralf Broß, Oberbürgermeister von Rottweil. Foto: Schulz

Oberbürgermeister Ralf Broß und Bürgermeister Emil Maser über das Verhältnis zwischen Rottweil und Zimmern.

Rottweil - Das Verhältnis zwischen Zimmern und Rottweil gilt nicht als das einfachste. Dabei arbeiten beide Kommunen schon heute auf einigen Feldern eng zusammen. Was die beiden Rathauschefs – Oberbürgermeister Ralf Broß, Rottweil, und Bürgermeister Emil Maser, Zimmern, – über den Nachbarn denken, lesen Sie in diesem Doppelinterview. Wir haben beiden dieselben Fragen gestellt, hier nun die Antworten.

Was halten Sie von dem Gerede, beide Kommunen sollten sich besser zusammenschließen?

Ralf Broß: Ich wäre grundsätzlich offen für ernst gemeinte Gespräche. Schließlich gibt es in unserer Raumschaft auch Beispiel für den Zusammenschluss von Gemeinden. Wichtig ist aber, dass ein Zusammenschluss von der Bürgerschaft mitgetragen werden müsste. Und Zimmern hat sich in der Vergangenheit stets für die Selbstständigkeit ausgesprochen. Das haben wir in Rottweil zu respektieren.

Emil Maser: In der Zimmerner Bevölkerung wird ein solches Gerede gelassen aufgenommen. Zimmern o.R. ist mit seinen Ortsteilen Horgen, Flözlingen und Stetten ganz gut aufgestellt. Daher gibt es von Seiten der Gemeinde Zimmern o.R. auch in den kleinsten Ansätzen keine Notwendigkeit, einen Zusammenschluss zu diskutieren. Beispiele der jüngsten Vergangenheit von Gemeindezusammenschlüssen haben ihre Ursachen in Problemen, welche in Zimmern o.R. nicht erkennbar sind. Die Stadt Rottweil und die Gemeinde Zimmern o.R. arbeiten in einzelnen Bereichen bereits erfolgreich zusammen, wie z.B. das INKOM. Durchaus könnte es auch in der Zukunft weitere mögliche Tätigkeitsfelder geben.

Die Emotionen einmal außen vor gelassen – was würde der Zusammenschluss beiden Kommunen bringen? Was wären die Vorteile, was die Nachteile?

Broß: Es macht keinen Sinn, sich über einen Zusammenschluss den Kopf zu zerbrechen, wenn er in der Bürgerschaft nicht mehrheitsfähig ist. Außerdem arbeiten wir auf vielen Feldern schon jetzt sehr gut zusammen. De facto leben wir ja in einem gemeinsamen Siedlungsraum, da ist es notwendig und wichtig, vieles aufeinander abzustimmen. Das beste Beispiel für die gute Zusammenarbeit ist das gemeinsame Gewerbegebiet INKOM, das sich sehr erfolgreich entwickelt. Rottweil und Zimmern teilen sich übrigens die Gewerbesteuereinnahmen im Verhältnis 50 zu 50.

Maser: Sicherlich gibt es in der Bevölkerung beider Kommunen unterschiedliche Meinungen zu dieser Frage. Zum jetzigen Zeitpunkt müssen und werden wir uns aber mit dem Thema „Eingemeindung“ – wie erwähnt – mit Sicherheit nicht beschäftigen, da es hierfür keine nachvollziehbare Gründe und Vorteile für unsere Gemeinde gibt. Die Gemeinde Zimmern o.R. hat in der Vergangenheit bewiesen, dass sie sehr wohl in der Lage ist, aus eigener Kraft – auch Finanzkraft – und in eigener Zuständigkeit, ihre Gemeinde mit den Ortsteilen erfolgreich zu entwickeln. Schwierige Zeiten muss jede Stadt oder Gemeinde mal überstehen. Wir haben es mit unseren Bürgern zusammen geschafft, neben dem Schuldenabbau, trotzdem Beachtliches zu investieren und die Infrastruktur weiter auszubauen. Dies beweist die Berechtigung der Selbstständigkeit unserer Gesamtgemeinde Zimmern. Wir können in eigener Zuständigkeit entscheiden – und stehen dabei in keiner Abhängigkeit zu einem anderen Partner. Und so hat sich Zimmern o.R. in den letzten Jahren auch zunehmend zu einem ansehnlichen Wirtschaftsstandort entwickelt, der überregionale Beachtung und Bedeutung findet. Hierzu gehören auch die optimalen Einkaufsmöglichkeiten. Nicht in Frage stellen möchte ich dabei die gute Zusammenarbeit mit der Stadt Rottweil beim gemeinsamen Gewerbegebiet INKOM – wo sich die interkommunale Kooperation bewährt hat.

Zum Status quo: Wie ist die Zusammenarbeit? In welchen Bereichen profitiert Zimmern von Rottweil? Wo ist es anders herum, wo hilft der Nachbar Zimmern dem großen Bruder Rottweil?

Broß: Rottweil hat mit Zimmern und weiteren Gemeinden im Umland seit vielen Jahren eine Verwaltungsgemeinschaft vereinbart. Das entlastet das Zimmerner Rathaus und weitere Gemeinden, weil wir hier Synergieeffekte nutzen können. Andererseits profitiert auch die Stadt Rottweil, weil Planstellen bei uns im Rathaus so besser auszulasten sind. Außerdem bietet uns die Verwaltungsgemeinschaft Rottweil eine Plattform, um uns auszutauschen und die Region Rottweil gemeinsam weiterzuentwickeln. Das bereits erwähnte Interkommunale Gewerbegebiet INKOM vereint die Stärken von beiden Gemeinden: Rottweil könnte ohne Zimmern nicht ausreichend Entwicklungsflächen für Industrie und Gewerbe auf eigener Gemarkung anbieten. Zimmern wiederum hilft die Nähe zu Rottweil, Unternehmen anzusiedeln, die mehr denn je auf „softe Standortfaktoren“ achten. Davon bietet Rottweil mehr als viele andere Städte in unserer Größe. Mit den Einnahmen aus dem INKOM finanzieren wir wiederum viele dieser Einrichtungen in unserer Stadt, die natürlich oftmals auch Zimmerner Bürger nutzen können – seien es die Schulen oder auch Kultur, Sport- und sonstige Freizeitangebote.

Maser: Plakativ erkennt man die Zusammenarbeit an der vereinbarten Verwaltungsgemeinschaft mit weiteren Nachbargemeinden, dem Zweckverband INKOM und im weitesten Sinne an dem Anschluss des Ortsteils Zimmern an die Kläranlage Rottweil. Die Bürger der Gemeinde Zimmern o.R. profitieren ganz eindeutig von dem beispielhaften Schulstandort Rottweil und zahlreicher weiterer Einrichtungen in den verschiedensten Bereichen der Nachbarstadt. Nicht verkennen darf man aber auch, dass sich gerade in Zimmern zahlreiche Einrichtungen mit „zentralen Aufgaben“ befinden, wie z.B. die Polizeidirektion mit Autobahnpolizei und Sonderhubschrauberlandeplatz, die Autobahn- und Straßenmeisterei, die Gewerbemüllsortieranlage mit Grüngutannahme – und darüber hinaus Zimmern o.R. auch im Einkaufszentrum „Steinhäuslebühl“ ein großes und vielseitiges Angebot aufweisen kann, welches intensiv von Rottweilern sowie den Nachbargemeinden genutzt wird. Für das Interkommunale Industrie- und Gewerbegebiet INKOM kommen die beachtlichen Grundstücksflächen für dieses Gebiet insgesamt und ausschließlich von der Gemeinde Zimmern o.R. mit den Ortsteilen Flözlingen und Horgen. Rottweil konnte sich in dieses Gebiet „einkaufen“ – ohne ihrer Gemeinde „Flächen“ zu entziehen, nachdem sie offensichtlich keine eigenen Entwicklungsflächen im Gewerbebereich mehr hatte. Zimmern hat somit sehr viel in das INKOM eingebracht, was mit Geld allein nicht ausgeglichen werden kann. So sehen dies vor allem auch die Bürger und Landwirte von der Gesamtgemeinde Zimmern. Zudem darf die zunehmende Verkehrsbelastung sowie die Verkehrsverlagerungen in allen Ortsteilen Zimmern, Horgen, Flözlingen und Stetten nicht außer Acht gelassen werden.

Wo liegen Konfliktpunkte?

Broß: Wir sind souveräne Gemeinden und haben berechtigte Eigeninteressen. Da ist es normal, dass man manchmal länger diskutieren muss, bis man einen guten Kompromiss gefunden hat, der für beide Seiten tragfähig ist. Ernsthafte Konflikte, die man nicht durch Gespräche untereinander lösen könnte, sehe ich aber eigentlich nicht. Dafür gibt es viel zu viele Schnittmengen und gemeinsame Interessen. Von einer wirtschaftlich positiven Entwicklung profitieren schließlich beide Gemeinden, wie ich vorhin dargestellt habe. Das gemeinsame Gewerbegebiet ist eine Erfolgsgeschichte, die uns verbindet. Entscheidungen treffen wir im Ausschuss des Zweckverbandes übrigens nach dem Konsensprinzip.

Maser: Die Stadt Rottweil und die Gemeinde Zimmern o.R. hätten wohl die erste Partnerschaft, in der es nicht auch Konflikte gibt. Beispielsweise hatten wir beim Gewerbeflächenpool unterschiedliche Meinungen. Aus unserer Sicht hätte das INKOM, also die Gemeinde Zimmern o. R. und die Stadt Rottweil, davon nicht profitiert. Unsere Entscheidung wird von der Stadt Rottweil auch respektiert. Kontoversen lösen wir jedoch gemeinsam und dies nach wie vor in einem guten Einvernehmen. Weitere bekannte Konfliktpunkte der Vergangenheit, wie die Erweiterung des Wohnbaugebiets „Zimmern-Ost“, die stärkere Einflussnahme der Stadt Rottweil in den Verantwortungsbereich des Verbandsvorsitzenden und der Verbandsverwaltung des INKOM, sind für mich und die beiden Partner erledigt. Wir richten den Blick nach vorne – und dies „gemeinsam“ und „erfolgreich“.

Was schätzen Sie an Ihrem Nachbarn?

Broß: Zimmern ist ein wichtiger und verlässlicher Partner, wenn es darum geht, unsere Stadt wirtschaftlich weiterzuentwickeln. Und es gibt viele familiäre und freundschaftliche Verbindungen in der Bürgerschaft. Daher sollten wir uns in erster Linie als das begreifen was wir tatsächlich sind: als gute Nachbarn.

Maser: Beim Begriff „Nachbar“ sehe ich vor allem die Nachbarschaft unserer Mitmenschen aus Rottweil und Zimmern o.R. Hier wissen wir, dass es viele freundschaftliche, berufliche und geschäftliche Verbindungen gibt, ja auch Rottweiler-Zimmerner Familien, und daher Themen, die uns scheinbar trennen, ich so in Wirklichkeit gar nicht erkennen kann. Ich schätze die Stadt Rottweil und Herrn OB Broß als zuverlässlichen und kompromissbereiten Nachbarn auf Augenhöhe. Wir sehen gemeinsam das Wohl unserer Gemeinden sowie deren Bürger und Unternehmen – und arbeiten miteinander weiterhin in einem gradlinigen Zusammenwirken auf eine weiterhin erfolgreiche Entwicklung hin – und dies bestätigt uns auch der bisherige Erfolg.

Worüber ärgern Sie sich?

Broß: Über das zu groß geratene Einkaufszentrum in Zimmern. Unser Einzelhandelskonzept belegt, dass dadurch Kaufkraft aus Rottweil abfließt. Solche Einrichtungen gehören ja auch aus Sicht der Regionalplanung des Landes Baden-Württemberg eigentlich in Mittel- und Oberzentren. Aber dem liegen Entscheidungen in der Vergangenheit zugrunde, die wir heute nicht mehr rückgängig machen können. Wir müssen in die Zukunft blicken, was in der Vergangenheit entschieden wurde darf unser Verhältnis in der Gegenwart nicht mehr belasten. Gleichwohl müssen wir bei der Fortschreibung des Gebiets die Interessen der Stadt Rottweil und die regionalplanerischen Aspekte einbringen. Bedauert habe ich auch die Ablehnung des Gewerbeflächenpools im Landkreis Rottweil durch Zimmern. Aber dem ging kein Konflikt mit der Stadt Rottweil voraus, sondern das war eine eigenständige Entscheidung des Gemeinderats von Zimmern nach Abwägung der eigenen Interessenlage.

Maser: Über die stets aufkommenden Diskussionen einer Eingemeindung und die angeblichen Kosteneinsparungen bei der Gemeinde Zimmern o.R., die jeglicher Grundlage entbehren. Auch Verwaltungsabläufe werden dadurch nicht beschleunigt und die Bürgernähe nicht besser.

Wenn die gute Basis zwischen den Verantwortlichen in den Kommunen durch polemische Meinungsäußerungen angegriffen wird. Kritische Stimmen auf beiden Seiten darf es geben, jedoch müssen diese sachlich vorgetragen werden und begründet sein. Bauliche Entwicklungen, vor allem im Einkaufszentrum, sollten durch die Stadt Rottweil nicht durch Einwendungen verzögert oder verhindert werden. Die Einzelhandelsgeschäfte sind bereits am Standort angesiedelt, die vielseitigen Einkaufsmöglichkeiten werden angenommen und somit sollten Um- und Erweiterungen und/oder auch Neustrukturierungen zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit nicht verhindert werden.

Wie ist Ihr Verhältnis zur Verwaltungsspitze des Nachbarn?

Broß: Ich schätze Emil Maser als Bürgermeisterkollegen, mit dem man Themen offen und konstruktiv besprechen kann. Wir begegnen uns auf Augenhöhe, unter Partnern eben. Natürlich kommt es vor, dass wir in der Sache intensiv diskutieren und die Interessen unserer Gemeinden vertreten. Aber genau das dürfen die Bürger von uns ja auch erwarten. Unterm Strich haben wir in den vergangenen Jahren auf diesen Weg gute Lösungen für beide Gemeinden gefunden. Gerade das Beispiel INKOM zeigt: Rottweil und Zimmern können Dinge gemeinsam anpacken und erfolgreich sein.

Maser: Ich schätze an OB Ralf Broß seine kollegiale und konstruktive Art. Auch schwierige Themen können gemeinsam mit ihm auf einer sachlichen und einvernehmlichen Ebene diskutiert und zu einem guten Ergebnis gebracht werden - das für beide Kommunen stimmig ist. Selbstverständlich wäre es vermessen, wenn ich sagen würde, dass es keine unterschiedlichen Meinungen und auch mal spannende Diskussionen in der Sache zwischen uns gebe. Dabei ist aber immer der Umgang untereinander und der gegenseitige Respekt eine wichtige Grundlage für ein für beide Seiten tragfähiges und akzeptables Ergebnis. Die positive Entwicklung des INKOM und auch die in anderen Bereichen zielführenden Entscheidungen zwischen uns und unseren beiden Gemeinden machen dies deutlich. Und gerade durch die örtliche Nähe und engen Berührungspunkte zwischen der Gemeinde Zimmern o.R. und der Stadt Rottweil wird es immer wieder gegenseitige Interessen geben, die auf einer solchen vertrauensvollen Basis der Zusammenarbeit und des Vertrauens gelöst werden können.

Seite 2: Zur Person

Emil Maser:

Das CDU-Mitglied Emil Maser wurde der Bürgermeisterwahl im März 2009 mit 94,6 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen ohne Gegenkandidat bei einer Wahlbeteiligung für eine dritte Amtszeit bestätigt. In den vier Ortsteilen Zimmern, Horgen, Flözlingen und Stetten leben rund 5900 Menschen.

Ralf Broß:

Ralf Broß (parteilos) ist seit 2009 Oberbürgermeister von Rottweil. Er setzte sich bei der Wahl gegen Amtsinhaber Thomas Engeser mit fast 59 Prozent der Stimmen durch. In der ältesten Stadt im Lande leben zusammen mit den Ortsteilen circa 24.400 Menschen.