Blick in den Schwurgerichtssaal im Rottweiler Landgericht: Hier geht gestern der Prozess gegen einen 35-Jährigen zu Ende, der im Drogenrausch seine Mutter erstochen hat. Foto: Nädele

Schuldunfähig: Landgericht Rottweil weist Tuttlinger in Entzugsanstalt und danach in Psychiatrie ein.

Kreis Rottweil - Der Mann, der im vergangenen Dezember in Tuttlingen seine 64-jährige Mutter mit 24 Messerstichen getötet hat, war schuldunfähig. Er handelte im Drogenrausch und litt zudem an einer Psychose und einer Art von Schizophrenie. Zu diesem Urteil kam das Landgericht Rottweil gestern.

Das Gericht ordnete zunächst die Unterbringung in einer Entzugsanstalt und anschließend in einer psychiatrischen Einrichtung an. Karlheinz Münzer, der Vorsitzende Richter, ging in seiner Begründung nochmals ausführlich auf den Lebensweg des Täters sowie Erkenntnisse des psychiatrischen Sachverständigen ein, der sein Gutachten nicht-öffentlich abgegeben hatte.

Der junge Tuttlinger wuchs ohne Vater auf und kam bereits als 15-Jähriger mit Alkohol und anderen Drogen in Kontakt. Nur wenig später zeigten sich erste Symptome der Psychose. "Wahnvorstellungen und Angst waren dann seine ständigen Begleiter", erklärte Münzer. Ärztliche Hilfe habe der junge Mann aber nicht in Anspruch genommen – aus Angst, als irre zu gelten.

Er gleitet immer weiter ab, schafft es allerdings, sich zu verstellen

So sei er immer tiefer abgeglitten, habe es aber verstanden, sich zu verstellen. In Wirklichkeit ging es soweit, dass er schon zu Beginn seines Studiums überzeugt war, andere könnten seine Gedanken lesen beziehungsweise er sende Gedanken aus. "Er bekämpfte seine Psychose mit Alkohol und Drogen", stellte der Richter fest.

Nach der Rückkehr nach Tuttlingen, wo ihm die Mutter im vergangenen September In Aspen eine Eigentumswohnung gekauft hatte, spitzte sich die Lage immer mehr zu. Der damals 34-Jährige lebte von Hartz IV, litt zunehmend an Wahnvorstellungen und Halluzinationen. Das steigerte sich, als am 12. Dezember die Mutter zu Besuch kam.

Er stand unter dem Einfluss einer starker Droge, sah Dämonen, hatte Angst. Nicht nur ein Bekannter wolle ihn umbringen, sondern auch die Mutter. Er verdächtigte sie außerdem, vergiftetes Essen mitgebracht zu haben. Und so stach er hemmungslos auf sie ein, allein neun Mal in den Kopf.

Das Gericht konnte keine Mordmerkmale feststellen, entschied auf Totschlag. Zwar habe der Gutachter eine günstige Prognose für die Rehabilitation festgestellt, so Münzer, andererseits seien ohne Therapie aber weitere Straftaten zu erwarten. Der Entzug werde zwei Jahre dauern und die Behandlung in der psychiatrischen Klinik mindestens ein Jahr. Im besten Fall wäre ein Neuanfang nach drei Jahren möglich. "Der sollte außerhalb von Tuttlingen stattfinden", riet der Richter und warnte: "Vor Ihnen liegt eine lange und schwere Wegstrecke."

Angeklagter muss die Kosten des Verfahrens tragen

Der Täter muss die Gerichtskosten und die Kosten der Nebenklägerin, seiner Tante, übernehmen. Das ist indes das kleinste Problem: Die Mutter hat ihn früh als Erben eingesetzt und ihm neben zwei Eigentumswohnungen auch knapp 100.000 Euro hinterlassen.

Unbekannt, weil nicht-öffentlich verhandelt, bleiben die Forderungen von Verteidigung und Staatsanwalt. Aber beide Seiten erklärten den Verzicht auf Rechtsmittel, sodass das Urteil rechtskräftig ist und damit sofort die Behandlung in der Entzugsklinik beginnen kann.