Polizeireform: Region Schwarzwald-Baar-Heuberg würde zu Verlierern der neuen Struktur zählen / Grüne halten sich zurück

Rottweil/Stuttgart. Eines der wichtigsten politischen Projekte der grün-schwarzen Landesregierung, die Reform der Polizeireform der Vorgängerregierung, ist zu einer Hängepartie geworden. Der Ausgang scheint offener denn je.

Mehrere Konflikte sind aufgebrochen, die einer zügigen Entscheidung entgegenstehen: Da gibt es zum einen unterschiedliche Ansichten im Innenministerium, wo die Landespolizei ein eigenes Spiel be- und die Absicht der Hausspitze um Innenminister Thomas Strobl (CDU) hintertreibt. Aber wie soll auch ein Landespolizeichef Gerhard Klotter eine Struktur umkrempeln wollen, da er doch unter Grün-Rot ein Garant für die Umsetzung war?

Da sind zum anderen die Koalitionspartner, die auch bei diesem Thema nicht an einem Strang ziehen. Schon immer war die CDU die treibende Kraft für eine Überprüfung der Strukturen der Polizei, mit der 2014 der damalige SPD-Ressortchef Reinhold Gall die Polizei vor allem schlagkräftiger machen wollte und den Bürgern mehr Beamte auf den Straßen versprach.

Ein Versprechen, das nie gehalten werden konnte. Überhaupt stand die Gall’sche Reform von Anfang an unter keinem guten Stern. Die Besetzung der Spitzenpositionen in den neu geschaffenen Polizeipräsidien musste wiederholt werden. An der Basis wurde der Unmut immer größer und führte dazu, dass im Frühjahr 2016 elf Beamte aus unterschiedlichen Revieren in der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg den Schritt an die Presse wagten und die Missstände – schwache Führung, zu wenig Personal, komplizierte Strukturen, lange Dienst- und Entscheidungswege – ansprachen.

Selbst Klotter räumt inzwischen ein, dass es beim größten Polizeipräsidium Karlsruhe mit dem Landkreis Karlsruhe, dem Stadtkreis Pforzheim, dem Enzkreis und dem Landkreis Calw Verbesserungsbedarf gebe.

Die Landes-CDU gehört zwar zu den schärfsten Kritikern, übersieht aber, dass in der Kommission, die in den Jahren zuvor hinter verschlossenen Türen die Pläne für die damalige grün-rote Landesregierung ausheckte, Politiker aus den eigenen Reihen saßen. Die Grünen im Land wiederum halten sich jetzt auffallend zurück, was daran liegt, dass sie heute wie damals in der Regierungsverantwortung stehen. Was vor drei Jahren Recht war, kann heute, nur weil der Juniorpartner ein anderer ist, so schlecht nicht sein. Daher kommt ihnen ganz gelegen, dass das Finanzministerium unter Beteiligung von Staats- und Innenministerium Zahlen vorgelegt hat, die erhebliche Mehrkosten beim Zurückdrehen der Reform vorhersagen.

Innerhalb der CDU-Fraktion wird die Nervosität größer

Es ist für die Grünen willkommener Anlass, die Evaluierung der Polizeireform (EvaPol) mit der Vorfestlegung auf zwölf plus zwei Präsidien insgesamt zu hinterfragen. Innerhalb der CDU-Fraktion wiederum wird die Nervosität größer, weil etliche Landespolitiker sich bereits in die entzückende Lage versetzt sahen, mit guten Botschaften zu Hause glänzen zu können. Deren innenpolitischer Sprecher und stellvertretender Fraktionsvorsitzender Thomas Blenke gibt gegenüber unserer Zeitung zu verstehen, dass die Fraktion an den Empfehlungen des Lenkungsausschusses von EvaPol jedenfalls festhalten wolle. Der Lenkungsausschuss spricht sich "mit deutlicher Mehrheit" für zwei zusätzliche regionale Polizeipräsidien aus. In einem 14er-Modell sind die Veränderungen dargelegt. Weitere Präsidien könnten in Oberschwaben (Ravensburg) und im Nordschwarzwald mit den Kreisen Calw, Freudenstadt und Pforzheim entstehen.

Die gravierendsten Veränderungen indes kämen auf Tuttlingen zu. Es würde mit den Kreisen Rottweil, Tuttlingen und Schwarzwald-Baar im Präsidium Konstanz aufgehen. Die Region Schwarzwald-Baar-Heuberg würde zu den Verlierern der Re-Reform zählen, weil sie den prestigeträchtigen Sitz eines Präsidiums verlieren würde.

Daher sind die Politiker aus den betreffenden Landkreisen hinter den Kulissen eifrig bemüht, den Schaden klein zu halten und wenigstens nachrangige Polizeieinrichtungen wie den Sitz der Kripo in Rottweil und die Verkehrspolizei in Zimmern ob Rottweil zu erhalten. Denn auch hier gibt es Konkurrenz. Beispielsweise könnte die Kriminaldirektion zukünftig in Singen angesiedelt werden, wenngleich zu einem weitaus höheren Preis.

Das gravierendste Problem jedoch ist, dass beide Koalitionspartner an der Datenbasis vor allem am Zustandekommen der prognostizierten Kosten, zweifeln: Das 14er-Modell würde einmalig mit 143,7 Millionen Euro zu Buche schlagen. Jährlich kämen 19 Millionen Euro dazu. Wie das sein kann, fragt man sich, wo doch die weitaus größer angelegte 2014er-Reform des damaligen Innenressortchefs Gall gerade einmal mit 120 bis 170 Millionen Euro taxiert wurde?

Hier die Zweifel aus dem Weg zu räumen und die Zweifler auf eine gemeinsame Linie zu bringen, dürfte sich als zeitraubend darstellen. Heute jedenfalls wollen sich die Arbeitskreise von Grünen und CDU in einer gemeinsamen Sitzung damit befassen, bevor die Beratungen in den Fraktionen in der kommenden Woche weitergehen. SPD-Fraktionsvize Sascha Binder forderte Grün-Schwarz auf, die "Hängepartie" sofort zu beenden. "Bürger wie auch Polizisten wissen nicht, mit welchen Entscheidungen sie bis wann zu rechnen haben."