Ein Gemeinderat und gleich mehrere Problemprojekte: Die Frage ist, wie kann man die Bürger besser einbinden? Foto: Nädele

Politikwissenschaftler rät Stadt Rottweil zu mehr Transparenz. Wehling: Es braucht jemanden mit Charisma

Rottweil - Was lernen aus der Eckhof-Debatte, die auf beinahe allen Seiten einen Scherbenhaufen hinterlassen hat: bei der Stiftung, die aus dem Ausflugslokal eine Schule machen wollte, der Stadtverwaltung, die von der Kritik und dem Widerstand aus der Bevölkerung überrollt wurde, Teilen der Öffentlichkeit, die sich vielleicht eine Chance entgehen ließen, der AWO, die für den Vaihingerhof nach anderen Nachnutzern suchen muss? Was können, was müssen OB Ralf Broß und die Stadtverwaltung anders machen? Der Politikwissenschaftler Hans-Georg Wehling weiß einige Tipps.

Öffentlichkeit einbinden: Marianne Wucher, die Sprecherin der Fraktion FFRundPRoFI im Gemeinderat hatte zuletzt kritisiert, dass die Stadtverwaltung nach monatelangen Verhandlungen im Geheimen an die Öffentlichkeit gehe mit fertigen Konzepten, auf die sie sich bereits festgelegt habe. Etwas, das nach Wehling heute überhaupt nicht mehr gehe. Er rät im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten dringend dazu, die Öffentlichkeit vom ersten Schritt an einzubinden. Und das heißt sofort, "sobald ein Projekt ins Auge gefasst wird". Der Politikwissenschaftler verweist auf die Stadt Heidelberg, die in Sachen Bürgerbeteiligung "vorbildlich" sei und eine Vorhabenliste ins Internet stellt.

 Das Selbstbewusstsein der Bürger: Die Politik, so Wehling, übersehe gerne, dass sie es heute mit einer anderen Bevölkerung zu tun habe als noch vor einigen Jahren. In den vergangenen 50 Jahre habe sich der Grad der Hochschulreife von sechs auf 50 Prozent erhöht. "Die Leute heute wissen, wo und wie sie sich informieren können, sie wissen zu argumentieren". Der Glaube daran, als gewähltes Gremium über die alleinige Legitimation und den alleinigen Kenntnisstand zu verfügen, sei einfach nicht mehr aufrecht zu halten. Das habe die Politik indes noch nicht realisiert, so Wehling, "siehe Stuttgart 21".

Das Charisma des Kommunikators: Für unabdingbar hält Wehling es, dass es jemanden brauche mit Charisma und kommunikativen Fähigkeiten an der Spitze. "Ivo Gönner, der Oberbürgermeister von Ulm, ist in dieser Hinsicht zurzeit der beste", so Wehling. Gönner verfüge zudem über eine sonore Stimme, die in kritischen Situationen beruhigend wirke. Ähnlich stark schätzt er den aktuellen Ministerpräsidenten ein: "Winfried Kretschmann, mit seiner bedächtigen Stimme, kann das auch gut", so der Professor.

 Ehrlichkeit: Man kann nicht behaupten, dass bei dem Turmprojekt etwas nicht mit rechten Dingen zugehe, aber dass die Fotomontage – sie zeigt die Stadtansicht Rottweils von der Autobahn kommend mit dem Testturm rechts im Neckarpark – dem Projekt eher schmeichelt, der Turm schlichtweg zu klein und zu schmal eingezeichnet wurde, macht schon nachdenklich, nährt Zweifel am Projekt insgesamt. Wehling: "Die Politik sollte sich hüten zu manipulieren, denn sonst hat sie gleich verloren." Modelle, Fotos, Hochglanzprospekte sehen immer wunderschön aus, "doch da wird noch allzu oft gemogelt."

Die Sehnsucht nach Ordnung: Ein Beispiel ist die Diskussion um den Naturpark. Sie wird laut Wehling entlang der Grenze von Gemeinden altwürttembergisch-protestantischer Prägung auf der einen, und katholischer Prägung auf der anderen Seite geführt. Die protestantische Seite habe klare Ordnungsvorstellungen. Da hätten herumliegende, abgestorbene Bäume keinen Platz.

Die Sehnsucht nach Idylle: In einer Welt, die wegen Finanz- und Eurokrise zunehmend als unsicherer begriffen werde, klammerten sich die Menschen an ihre Heimat. Veränderungen mögen sie da nicht. Das sei menschlich nachvollziehbar, so Wehling. Die Politik müsse damit noch umzugehen lernen. Nur wie?

Ein neues Symbol? Der Testturm könne durchaus ein neues Zeichen der Identifikation sein, so Wehling. So wie der Fernsehturm mithin das Symbol für Stuttgart geworden sei. Es komme darauf an, wie die Bevölkerung das Projekt annehme. Wehling räumt an, dass es heute sicher schwerer sei als früher, neue Identifikationszeichen zu schaffen.