"Ich kämpfe seit sieben Jahren und ich kämpfe weiter", sagt Bernd Ayasse und hofft, dass der Landesverband die regionale Aids-Hilfe endlich auf- und ernst nimmt. Foto: Spitz

Vorurteile behindern Aufbau neuer Anlaufstelle in Rottweil / Einzug scheitert an Veto einer Wohnungseigentümerin

Kreis Rottweil - Die Aids-Hilfe Schwarzwald-Baar-Heuberg kämpft auf vielen Ebenen. Der Aufbau einer Anlaufstelle in Rottweil scheiterte nun an Vorurteilen: Man befürchtete, sich mit der Aids-Hilfe Junkies samt Spritzbesteck ins Haus zu holen.

Eigentlich sei alles perfekt gewesen, schildert der Vorsitzende Bernd Ayasse: ein barrierefreies Ladengeschäft, ebenerdig, größer als das Büro in der Villinger Gerberstraße 70, in einem Mehrparteienhaus. Schriftlich habe die Zusage für den 1. Juni schon auf dem Tisch gelegen, also machte sich die Aids-Hilfe daran, die Fühler nach Förderungen auszustrecken und Anträge zu stellen. Nur die Unterzeichnung des Mietvertrags stand noch aus. Doch statt des Vertrags kam am Dienstag die Absage: Eine Eigentümerin einer anderen Wohnung des betreffenden Hauses in Rottweil habe "ein Veto" eingelegt, weil sie befürchtete, dass "hier dann lauter Spritzen rumliegen".

In Ayasses Augen totaler Blödsinn – "wir machen ja nicht einmal Substitution, sondern verweisen an die Fachstelle Sucht". Ganz abgesehen davon, dass Drogensüchtige nur einen sehr geringen Anteil der Hauptklientel der regionalen Aids-Hilfe stellten. In den meisten Fällen (zehn von 16 in 2012) handele es sich bei "ihren" HIV-Positiven um "MSM", Männer, die Sex mit Männern haben – Heterosexuelle, zwischen 20 und 40 Jahre alt oder über 60, die sich selbst nicht als schwul bezeichnen, oft sogar verheiratet sind und Kinder haben", schildert Ayasse.

"Ich würde mich am liebsten reinklagen", sagt er mit Blick auf das gescheiterte Mietverhältnis in Rottweil kämpferisch. Der Anwalt des Vereins sehe sogar gute Chancen dafür, da durch die schriftlich erfolgte Zusage Schadensersatzansprüche bestünden.

Für ihre Klienten bietet die Aids-Hilfe vieles: Besprechung von Testierungsergebnissen nach positivem Befund, Präventionsberatung, Vermittlung von Therapiemöglichkeiten, Beratung zu Sozialrecht, Informationen zu Symptomen, Medikamenten und der Erkrankung bei Nicht-Therapie, dem immunologischen Verlauf, und sie geht auf die Patienten-Arzt-Beziehungen ein oder auf die allgemeine Gesundheitsförderung und weist den Weg zu Schwerpunktärzten – "hoffentlich bekommen wir am Zentralklinikum endlich einen". Darüber hinaus fungiert sie als Schnittstelle zu verschiedenen Selbsthilfegruppen, etwa der erst im Februar gegründeten Hepatitis Selbsthilfegruppe, der Plusgruppe HIV.

Ganz aktuell aber hat die Aids-Hilfe Schwarzwald-Baar-Heuberg einmal selbst Unterstützung dringend nötig, und das gleich an mehreren Fronten. Eine Hiobsbotschaft erreichte Ayasse am vergangenen Freitag: Der Hauptsponsor kürze seine Zuwendungen von 400 auf 100 Euro im Monat. Den finanziell ohnehin bescheiden ausgestatteten Verein mit seinen 35 Mitgliedern trifft das empfindlich, "uns fehlen mal eben 3600 Euro im Jahr". Ein Verlust, den man andererseits kompensieren könnte, fände die Aids-Hilfe Schwarzwald-Baar-Heuberg an anderer Stelle endlich Gehör: im Landesverband Aids-Hilfe Baden-Württemberg.

Die regionale Aids-Hilfe will wie die meisten anderen endlich dazu gehören, aber die Aufnahme werde seit 2010 vehement verweigert, oft mit fadenscheinigen Argumenten und sogar nachdem man ein aufwendiges Moderationsverfahren über sich habe ergehen lassen. Einen Sockelbetrag von 10 000 Euro jährlich würde die Aufnahme im Landesverband für die regionale Aids-Hilfe bedeuten, meint Ayasse und glaubt: Das wäre ein Segen, "damit wir die Aids-Hilfe hier nicht nur halten, sondern auch ausbauen können", denn das will man nicht nur in Rottweil, sondern auch in Tuttlingen, auf jeden Fall tun.

Immerhin keimt Hoffnung, denn der Vorsitzende der Aids-Hilfe Stuttgart, Franz Kibler, habe sich in der Debatte rund um den Landesverband und das Sozialministerium – für das eine Mitgliedschaft im Landesverband Maßstab für finanzielle Förderungen sei – für den 2006 in Villingen gegründeten Verein stark gemacht und gefordert: "Ihr könnt die nicht weiterhin ignorieren, die sind mittlerweile sieben Jahre alt". Und auch der FDP-Bundestagskandidat Marcel Klinge sei nicht nur Mitglied geworden, sondern habe sich schriftlich an das Ministerium gewandt.