Das steile Stück hoch von der Neckarburg haben sie geschafft: Jetzt passieren die beiden Radfahrer den geplanten JVA-Standort auf dem Esch (links im Bild). Foto: Schickle Foto: Schwarzwälder-Bote

Miriam Freudenberger moderiert die Begleitgruppe zur Vorbereitung des Bürgerentscheids zum Gefängnisbau

Rottweil. In der sogenannten "Begleitgruppe" zum geplanten Gefängnisneubau sind Befürworter und Kritiker des Vorhabens vertreten (wir berichteten). Die Diskussion in der Gruppe zur Vorbereitung des Bürgerentscheids am 20. September moderiert Miriam Freudenberger, Geschäftsführerin der Allianz für Beteiligung. Wir sprachen mit ihr:

Frau Freudenberger, was ist die Allianz für Beteiligung und warum braucht man eine solche Einrichtung?

Die Allianz für Beteiligung ist ein Netzwerk von Akteuren in Baden-Württemberg, die sich für eine Stärkung der Bürgerbeteiligung und der Zivilgesellschaft einsetzen. Eine solche Einrichtung ist wichtig, weil sich viele Bürger zu gesellschaftlichen und politischen Themen vor Ort engagieren. Hier kommen wir ins Spiel: Zum einen bieten wir Bürgerinitiativen, Vereinen und Verbänden über unser Netzwerk die Möglichkeit, ihre Erfahrungen zum Thema Bürgerbeteiligung auszutauschen und sich gegenseitig zu unterstützen. In unseren Veranstaltungen können sie gute Beispiele der Beteiligung kennenlernen und im Rahmen unserer Förderprogramme haben sie die Möglichkeit, Strukturen für mehr Bürgerbeteiligung vor Ort zu schaffen.

Wie finanziert sich die Allianz für Beteiligung?

Die Geschäftsstelle der Allianz für Beteiligung wird aus Mitteln des Landeshaushalts finanziert. Für unsere Veranstaltungen, Projekte und Angebote werben wir separate Gelder ein. Gegenwärtig haben wir für Projekte zur Beteiligung von Jugendlichen beziehungsweise Migranten zum Beispiel Fördergelder von der Robert Bosch Stiftung und der Baden-Württemberg Stiftung erhalten. Auch die Breuninger Stiftung und die Führungsakademie Baden-Württemberg unterstützen die Arbeit der Allianz für Beteiligung seit ihrer Gründung. Den Impuls zur Gründung hat Gisela Erler, Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung in Baden-Württemberg, im Jahr 2012 gegeben.

Was ist die Begleitgruppe und worin besteht die Aufgabe der Allianz für Beteiligung hier in Rottweil?

Die sogenannte "Begleitgruppe" hat sich auf Einladung der Stadt Rottweil gebildet. In der Gruppe arbeiten Befürworter und Kritiker des Gefängnisbaus mit. Ziel der Begleitgruppe ist es, die Zeit bis zum Bürgerentscheid am 20. September in Rottweil gemeinsam zu gestalten und trotz der Kontroverse um den Standort "Esch" ein gutes Miteinander in der Bürgergesellschaft zu pflegen. Die Diskussion soll keine Gräben zwischen Befürwortern und Standortkritikern aufreißen. Sie möchte außerdem erreichen, dass möglichst viele Menschen beim Bürgerentscheid ihre Stimme abgeben. Deshalb hat sich die Gruppe darauf verständigt, die Bürger in Rottweil in den nächsten Wochen über das geplante Bauvorhaben zu informieren, zum Beispiel mit einem Flyer und einer Info-Veranstaltung in der Stadthalle. Die Gruppe möchte auch aufzeigen, warum eine Beteiligung am Bürgerentscheid wichtig ist, und wie ein Bürgerentscheid überhaupt funktioniert. Als Geschäftsführerin der Allianz für Beteiligung habe ich die Moderation der Begleitgruppe übernommen, die sich bis zum Bürgerentscheid in regelmäßigen Abständen trifft.

Wie sehen Sie die Rolle der Begleitgruppe im Zusammenhang mit Entscheidungen der Verwaltung und des Gemeinderats?

Es geht darum, sich darüber auszutauschen, wie die Debatte vor dem Bürgerentscheid geführt werden soll. Die Gruppe hat keinen Einfluss auf Entscheidungen der Verwaltung und des Gemeinderats. Allerdings kann hier mit den Mitgliedern der Verwaltung und des Gemeinderats im Konsens verabredet werden, wie man vorgehen will.

An welchem Punkt sehen Sie Ihre Aufgabe als erfüllt an?

Als Allianz für Beteiligung haben wir beim Thema "Gefängnisbau in Rottweil" keine eigenen Interessen. Deshalb können wir als neutraler Mittler die Begleitgruppe moderieren und sie dabei unterstützen, bis zum Bürgerentscheid Aktionen und Maßnahmen zur Information der Bürger auf den Weg zu bringen. Meine Aufgabe ist also bereits vor dem Bürgerentscheid erfüllt.

Werden Institutionen wie die Begleitgruppe oder die Allianz für Beteiligung bei politischen Entscheidungen in den Kommunen künftig an Bedeutung gewinnen?

Bei Beteiligungsprozessen können Begleitgruppen eine vermittelnde Rolle spielen. In diesen Gruppen wird gemeinsam mit Befürwortern und Kritikern besprochen, wie ein solcher Prozess aussehen kann. In den Gruppen ist eine externe Moderation, wie sie die Allianz für Beteiligung nun in Rottweil übernommen hat, sehr wichtig, um die Kommunikation und den Arbeitsprozess in der Gruppe zu strukturieren. Die politische Entscheidung über das Vorhaben fällt aber weiterhin der Gemeinderat oder, wie in Rottweil, die Bürger per Bürgerentscheid.

In welchen Fällen ist es sinnvoll, eine Begleitgruppe einzuschalten?

Beteiligungsprozesse, wie auch Zukunftswerkstätten oder Runde Tische, gelingen dann, wenn die Debatte auf Augenhöhe stattfindet. Das Verfahren soll fair und ausgewogen sein, damit es auch Akzeptanz findet. Gerade wenn viele Beteiligte im Spiel sind, macht es Sinn, Organisations- und Verfahrensfragen in einem kleinen Kreis zu besprechen. Dieser Kreis muss seine Arbeit transparent machen. Alle Akteure sollten sich über die Teilnehmer der Begleitgruppe vertreten fühlen. Und meine Erfahrung mit Beteiligungsprozessen zeigt: je früher eine solche Gruppe im Prozess gebildet wird, desto besser. u Die Fragen stellte Peter Schönfelder.

Miriam Freudenberger ist seit Juli 2013 Geschäftsführerin der Allianz für Beteiligung. Dort setzt sie sich unter anderem dafür ein, Beteiligungsprojekte in Baden-Württemberg sichtbar zu machen und miteinander zu vernetzen. Zuvor war sie beim Beratungsunternehmen IFOK tätig, das auf die Gestaltung von Beteiligungsprozessen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft spezialisiert ist. In ihrer Promotion an der Universität Mannheim hat sie untersucht, was Bürgerdialoge in der Europäischen Union zur Entstehung einer europäischen Öffentlichkeit beitragen können.