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Zimmertheater startet mit "Elefantenmensch" in Spielzeit / Auch Regisseur feiert Premiere in Rottweil

Rottweil. Die Spielzeit 2016/17 am Zimmertheater Rottweil startet am kommenden Freitag, 14. Oktober, mit "Elefantenmensch" in der Regie von Jens Schmidl. Beginn der Vorstellung ist um 20 Uhr. Im Interview spricht der Regisseur über das Stück, die Inszenierung und die Rolle des Theaters.

Herr Schmidl, am Freitag hat Ihre Inszenierung "Der Elefantenmensch" am Zimmertheater Rottweil Premiere. Der Zuschauer kennt Sie noch nicht...

Ich bin geboren in Lörrach, wohne aber in Berlin. Ein flüchtiger Baden-Württemberger (lacht). Ich arbeite seit 25 Jahren als Regisseur und habe hier im Süden – in Freiburg, Heidelberg, Heilbronn, Konstanz, Ulm, Schwäbisch Hall – inszeniert. Ich stelle immer wieder fest, dass ich viel im Süden arbeite.

Gibt es denn kein Theater, an dem Sie lange bleiben möchten?

In Freiburg habe ich vier Jahre lang, in Konstanz fast fünf Jahre gearbeitet. Aber als freier Regisseur möchte man nach so einer Zeit einfach weiterziehen. Am Theater muss man in gewisser Weise ein Nomade sein.

Ihre momentane Station ist Rottweil. Wie kam die Zusammenarbeit mit dem Zimmertheater zustande?

Normalerweise arbeite ich an größeren Stadt- und Staatstheatern. Ans Zimmertheater führte mich eine ganz lange Freundschaft mit Peter Staatsmann und Bettina Schültke (Intendanten). Wir kennen uns noch vom Theaterwissenschaftsstudium in Berlin her. Immer wieder waren wir in Kontakt, ich habe beobachtet, was sie machen. Und dann bekam ich einen interessanten Vorschlag. Und weil ich das Stück "Der Elefantenmensch" sehr mag, habe ich zugesagt.

Wie sind Ihre ersten Eindrücke vom Zimmertheater?

Eine ganz tolle Atmosphäre. Dadurch, dass das Theater keinen großen Apparat hat, alle Wege kurz sind, entsteht ein gemeinschaftliches Arbeiten. Diese flache Hierarchie ermöglicht auch künstlerisch andere Arbeitsprozesse: Die Schauspieler können sich hier stärker einbringen. Mir macht dieses gemeinsame Arbeiten mit den Schauspielern Spaß.

Sie sagen, dass Sie das Stück "Elefantenmensch" mögen. Warum?

Die Geschichte ist spannend: Den Elefantenmenschen hat es wirklich gegeben, und das Stück ist eine Auseinandersetzung mit Normalität. Es erzählt von dem Versuch herauszufinden, ob es für solch einen monströs hässlichen Menschen überhaupt eine Form der Normalität geben kann. Im 19. Jahrhundert wusste man noch nicht, dass diese Deformierung eine Krankheit ist, sondern man glaubte, dass es eine Möglichkeit des Menschseins sei. Der Elefantenmensch sollte nicht öffentlich auftreten, weil er ungeheure Emotionen hervorrief. Es ist also ein so hässlicher Mensch, dass er nicht unter andere Menschen gehen kann. Er muss sich vor den Blicken verbergen. Dr. Treves, der Arzt, entdeckt den Elefantenmenschen in einer Freakshow, in der er seinen Körper gegen Geld ausstellt, bringt ihn ins Krankenhaus und ermöglicht ihm da ein neues Leben. Es ist im Grunde genommen ein Inklusionsversuch eines abstoßenden Menschen. Die Geschichte erzählt, wie der Elefantenmensch Stück für Stück an die "Normalität" herangeführt wir. Äußerlich deformiert, innerlich mit Gefühlen, Sensibilität und Intelligenz ausgestattet, hat er auch menschliche Bedürfnisse und stellt die Frage nach einer Frau. Es gibt im Stück eine Begegnung mit einer Schauspielerin, die sich mit ihm unterhält und diese unglaubliche Entdeckung macht: Dass der Elefantenmensch ein brillanter Denker und ein Künstler ist, der überragende Gedanken produzieren kann. Dieser Elefantenmensch hat einen unmittelbaren Zugang zur Welt, der andere Menschen in der Begegnung mit ihm glücklich macht und mit seiner Haltung zur Welt berührt. Man empfindet Glück, wenn man sich mit ihm einlässt.

Wie klappt die Zusammenarbeit mit den Schauspielern?

Sehr gut und sehr produktiv: Wir spielen das Stück nur mit vier Leuten, und sie haben zwölf Figuren zu bewältigen. Die Mittel dafür zu erfinden, gelingt uns sehr gut.

Wie kann man einen "Elefantenmenschen" glaubhaft darstellen? Ist es kostümtechnisch eine Herausforderung?

Wie der Elefantenmensch aussehen wird, bleibt unser großes Geheimnis bis zur Premiere.

Was bedeutet eine Premiere für Sie?

An der Premiere wird das Stück zum ersten Mal der Öffentlichkeit gezeigt. Die Probenzeit ist sehr intensiv, und als Regisseur ist man nach der Premiere ganz einsam. Die Arbeit ist getan, die Schauspieler schaffen es auch ohne den Regisseur und sie sollen ihn auch abschaffen. Sie müssen die Figuren jetzt mit ihrer eigenen Autorität vertreten. Das Ziel einer Inszenierung ist ja, dass man etwas schafft, was man nicht nur mit Worten erzählen kann. Es ist wichtig, Momente zu schaffen, die über die Sprache hinausreichen. Es ist harte Arbeit. Und ob es gelingt, ist auch eine Glückssache. Es kann aber nur gelingen, wenn ein Ensemble ähnliche Fragen an die Welt stellt.

Ist das Theater heute noch in?

Das Theater ist sehr gefährdet. Es ist einer der wenigen Orte, wo sich Leute treffen, um Erfahrungen zu machen. Zu Hause einen Film zu schauen ist was anderes, als sich mit 200 Leuten in einen Raum zu begeben. An welchen anderen öffentlichen Orten treffen sich Menschen, um sich mit so komplexen Fragen auseinanderzusetzen wie im Theater? Gleichzeitig bin ich sicher, dass das Theater nie untergehen wird. Das Spiel gehört zum Menschen wie die Musikalität. Theater ist wichtig, vielleicht hoffnungslos altmodisch, aber trotzdem sehr schön.  Die Fragen stellte Tatsiana Zelenjuk.