Johannes Vöhringer leitet den Chor beim Konzert in der Predigerkirche. Fotos: Hildebrand Foto: Schwarzwälder-Bote

Konzert: Erweiterer Chor der Predigerkirche und Sinfonietta Tübingen führen Stabat Mater auf

Weltoffen, über allen Religionen stehend überzeugte die Aufführung des mächtigen Oratoriums Stabat Mater für Chor und Orchester von Karl Jenkins, das er unter dem Eindruck des Nahostkonflikts in den Jahren 2006 und 2007 komponiert hat.

Rottweil (hf). Die Leiden der Menschen in Palästina und Israel, ebenso das Leiden der Zivilbevölkerung durch die Kriege in Syrien, Irak oder aktuell im Jemen stehen im Mittelpunkt dieses Werks und werden mit dem Leid der Mutter Christi, der Mater dolorosa, kontrastiert. Das aus dem 13. Jahrhundert stammende Gebet "Stabat Mater" bildet die Grundlage des zwölfteiligen Werks und wird durch Texte aus dem arabischen Raum erweitert. Der lateinische Eingangssatz, das Cantus lacrimosus, offenbarte bereits die Größe des Werks. Nach zartem Beginn des Orchesters, weichem Einsatz des Chores und hinzukommendem Schlagzeug, einem arabischen Tambourin, wurde das Bild der Tränen eindringlich besungen.

Schreie der Kinder und der Mütter

Unter dem hochkonzentrierten Dirigat von Kirchenmusikdirektor Johannes Vöhriger steigerte sich der erweiterte Chor der Predigerkirche zu einem vollen Klangkörper und die Sinfonietta Tübingen unter Konzertmeisterin Lilo Rück erwies sich als differenziert musizierendes Orchesterensemble mit herausragenden solistischen Partien einzelner Bläser.

Einen deutlichen Akzent setzten die in die lateinischen Gebete eingeschobenen Texte in verschiedenen Sprachen. Hier fügte die Solistin Jeschi Paul mit ihrer archaisch-erdig klingenden Ethnostimme einen völlig neuen Klangcharakter hinzu. In ihrer Klage "Lament" über die Schreie der Kinder und der Mütter nach Tod und "Schatten in ihren Herzen" vermittelte die Solistin durch ihre vibrierend hohe Stimmlage eindrücklich das Leiden "um diese Welt", weich übernommen durch das Englisch Horn (Ludwig Schneider).

Das "Sancta Mater" setzte mit voller Wucht des ganzen Orchesters ein: Posaunen, Trompeten und Hörner in tiefer Vibration, begleitet vom gleichförmigen Anschlag des arabischen Tambourin, während der Chor sich in breitem Klangvolumen steigernd das Mitleiden zum Ausdruck brachte. Als Kontrast beeindruckte das Gedicht des persischen Mystikers al Rumi in aramäischer Sprache: "Nun besteht mein Leben nur aus Weinen".

Abwechselnd und einfühlsam übernahmen Oboe, Klarinette und Querflöte die klagende Stimme von Jeschi Paul, und äußerst zurückgenommen untermalte der Chor die über ihm liegende Solostimme.

Ein Höhepunkt im Werk ist die Verwendung mehrerer Sprachen (hebräisch, lateinisch, aramäisch, griechisch) im siebten Satz: "Und die Mutter weinte". Im Rückgriff des Komponisten auf die babylonische Sprachenvielfalt verweisen Chor und Orchester in dem choralartig komponierten Satz auf den einenden Ausdruck des Leidens. Während das "Virgo Virginum" durch das Pizzikato der Streicher fast mühelos leicht erschien, geriet das anonyme Lied in seiner arabischen Klangfarbe der Solostimme und der wunderbar klaren Klangführung Ludwig Schneiders am Englisch Horn unter den dumpfem Trommelschlägen geradezu schwermütig.

Ein überwältigendes Schlussgebet

Äußerst lieblich, im Charakter eines Wiegenliedes, sang der Chor das Ave verum. Die einzelnen Chorstimmen setzten präzise nacheinander ein, von den Streichern in hohen, von den Bläsern in tiefen Lagen begleitet, bevor im "Paradisi gloria" alle zum überwältigenden Schlussgebet anhoben: rasche Tempi, rhythmisch sich aufbäumende Passagen, fanfarenartige Stringenz der Posaunen, schwere Tonfülle des Chores und ausholendes Schlagwerk.