Auch wenn der Landkreis relativ gut dasteht, gibt es genug Menschen, die per Definition als armutsgefährdet gelten. Symbolfoto: Gebert Foto: Schwarzwälder-Bote

Soziales: Auslöser sind oft Arbeitslosigkeit und Schicksalschläge / Sozialamt fördert Betroffene individuell­­

In einem reichen Land wie Deutschland sollte es keine Armut geben – sollte man meinen. Doch auch im Kreis Rottweil gibt es Menschen, die nur mit Mühe Geld für genug Essen oder neue Kleidung aufbringen können.

Rottweil. Eine eindeutige Definition für Armut gibt es nicht. Sozialdezernent Bernd Hamann zieht die Armutsgrenze bei 60 Prozent des durchschnittlichen Nettoeinkommens. Das entspricht im Kreis Rottweil rechnerisch 979 Euro im Monat für Alleinstehende. Arbeitslosengeld II – im Volksmund Hartz IV – plus Zuschuss zum Wohnen und weiteren Leistungen entspricht etwa dieser Grenze zur Armutsgefährdung.

Im Dezember erhielten im Landkreis Rottweil nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit 3132 Arbeitslose und Arbeitssuchende Hartz 4. Das sind seit 1. Januar 409 Euro für alleinstehende Arbeitslose plus Miete und Heizkosten für eine kleine, "angemessene" Wohnung. Für Kinder gibt es je nach Alter Geld obendrauf. Nicht viel, aber in Deutschland muss niemand auf der Straße leben. Aber der Sozialdezernent weist auch darauf hin: "Letztendlich müssen die Leute zum Sozialamt kommen, Hilfe beantragen und Hilfe annehmen."

Armut in Deutschland kann viele Ursachen haben, erklärt Hamann. Schicksalsschläge wie Krankheit oder Scheidung beispielsweise. Gerade Alleinerziehende haben finanziell oft zu kämpfen. "Vereinbarkeit von Arbeit und Familie klingt einfach. Von einem Gehalt, oft sogar aus Teilzeitarbeit, aber mehrere Kinder mitzuversorgen ist es ganz und gar nicht", findet der Sozialdezernent. Als Hauptgrund für Armut in Deutschland nennt Bernd Hamann die Arbeitslosigkeit. "Leider ist es oft so, dass einem Armut in die Wiege gelegt wird. Ich kenne Familien, die über Generationen hinweg Hilfe benötigen, andere aber schaffen es aus der Armut heraus."

Doch was hilft gegen Armut? "Bildung und Ausbildung sind ganz wichtig und bilden eine gute Grundlage", weiß Hamann aus Erfahrung. Seit annähernd 30 Jahren betreut er Menschen an der Armutsgrenze.

Amt motiviert zu Bildung

Das Sozialamt motiviert zur Bildung und die Eltern zur Förderung ihrer Zöglinge – das beginne schon im Kleinkindalter. "Vieles kommt natürlich auf das persönliche Schicksal an. Deswegen schauen wir uns die Hintergründe an und fördern individuell", erklärt Hermann die Arbeit der Mitarbeiter des Sozialamts. Menschen mit geringem Einkommen können beim Sozialamt zusätzlich Hilfe in besonderen Lebenslagen, wie Bestattungskosten oder einen Zuschuss zur Miete, beantragen – das gilt auch für erwerbstätige Personen, die sonst keine Hilfe vom Staat benötigen. So wurden laut Sozialbericht des Landkreises Rottweil im Jahr 2015 in Rottweil und Schramberg 836 Anträge für Wohngeld bewilligt und mit 1 069 755 Euro gefördert. In 21 Fällen wurde Beihilfe für Bestattungskosten gewährt.

Darüber hinaus gibt es viele karitative Einrichtungen, die auf unterschiedliche Weise helfen, die Armut in Deutschland einzudämmen.

Neben Geldleistungen gibt es vom Sozialamt auch Hilfen, im Bereich der Alltagsbewältigung. In verschiedenen Maßnahmen des Jugendamts lernen Jugendliche Sozialkompetenzen, die für den Bildungsweg wichtig sind, sowie Hilfe im Schulalltag.

Die Jugendberufshilfe zielt beispielsweise auf die Vermittlung junger Leute in den Arbeitsmarkt ab. Dank eines florierenden Arbeitsmarktes und jährlich vielen gemeldeten Ausbildungsstellen (2015: 1113 Ausbildungsplätze im Kreis Rottweil), sind die Chancen gut und ein weiterer Schritt raus aus der Armut. Außerdem greift für einkommensschwache Familien das Bildungs- und Teilhabepaket. Dies beinhaltet beispielsweise finanzielle Zuschüsse für Nachhilfe, Schulmittagessen oder Aufenthalte im Schullandheim. Letztendlich sind alle Programme darauf ausgelegt, früher oder später längerfristig ohne Unterstützung auszukommen.

Während viele Mutmaßen, dass die Armut im Land immer weiter zunehmen würde, sieht Bernd Hamann das anders. Er berichtet von mehr oder minder konstanten Zahlen, was Hilfsbedürftige betrifft. "Es geht uns auf jeden Fall nicht schlechter als vor 20 Jahren."

Obwohl jeder einzige Mensch an der Armutsgrenze einer zu viel ist und jeder sein eigenes Päckchen zu tragen hat, stehe der Kreis Rottweil rein zahlenbasiert gut da. Die Arbeitslosenquote ist relativ niedrig: Im Dezember 2016 betrug sie in Rottweil laut Bundesagentur für Arbeit 2,7 Prozent, 1,4 Prozent der Erwerbsfähigen waren auf Hartz IV angewiesen. Zum Vergleich: Der Durchschnittswert der Arbeitslosenquote in Baden-Württemberg betrug zum gleichen Zeitpunkt 3,6 Prozent, 2,1 der Erwerbslosen bezogen Hartz IV.

Die Zahlen für Hilfeleistungen stiegen laut dem statistischen Landesamt Baden-Württemberg jedoch an, als 2015 der erste Schwung Flüchtlinge nach Deutschland kam – Menschen, in deren Heimatland sich Armut anders definiert als hierzulande. Während 2014 laut des statistischen Landesamts 576 Personen im Landkreis Regelleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhielten, wurden 2015 1364 Asylsuchende unterstützt.

Der Anstieg zeigt sich auch in der Nachfrage im Tafelladen. Während 2013 83 Berechtigungsscheine für Personen aus Rottweil und den umliegenden Städten und Dörfern neu ausgestellt wurden, bekamen im Jahr 2015 163 Menschen erstmals die Berechtigung, vergünstigte Lebensmittel zu kaufen.

Abschließend stellt sich für Sozialdezernent Hamann die Frage, inwieweit man Menschen zur Hilfe zwingen kann. Letztendlich sei jeder seines eigenen Glückes Schmied, man müsse sich nur trauen, Hilfe anzunehmen. "Unsere Gesellschaft vergisst niemanden."