Foto: Streitberger Foto: Schwarzwälder-Bote

Flüchtlinge zeigen, was sie aus ihrer Heimat mitgebracht haben

Von Nadine Klossek

Kiki Streitberger und Ursula Häne stellen in Rottweil Fotografien von Flüchtlingen aus. Dabei erzählen nur die Hände und mitgebrachten Gegenstände, was für ein Mensch sich hinter dem Foto verbirgt.

Rottweil. Shahed ist fünf Jahre alt. Sie floh von Syrien über das Mittelmeer nach Deutschland. Ihre Puppe Aia war die ganze Flucht über bei ihr. Shaheds Vater hat ihr die Puppe geschenkt, als sie ein Jahr alt war. "Sie ist mein Freund", erklärt die Fünfjährige. Es ist alles, was dem kleinen Mädchen aus ihrer Heimat bleibt.

Geschichten wie diese verbergen sich hinter den Fotografien der gebürtigen Rottweilerin Kiki Streitberger. Die Ausstellung "Travelling Light" zeigt die Habseligkeiten von Flüchtlingen. Was haben sie aus ihren Heimatländern mitgebracht? Welche Geschichte steckt beispielsweise hinter einem Schal, der auf den ersten Blick unscheinbar wirkt? Ebendiese Fragen hat sie auch Ahmad gestellt. Einem Flüchtling, den sie in Aldingen traf und mit dem das Projekt begann.

Die Gegenstände seien laut Streitberger so angeordnet, wie manche Menschen vor dem Urlaub die Klamotten auf dem Bett verteilen, um sicher zu gehen, dass sie nichts vergessen haben. "Der Unterschied ist, dass diese Menschen nie die Möglichkeit hatten, ihren Gegenständen so viel Zeit zu widmen", meint die Fotografin und fügt hinzu: "Ich hoffe, dass der Betrachter sich zu einem gewissen Grad selbst in diesen Bildern wiederfindet. In einem Gegenstand oder in einem Satz." So wolle sie zeigen, dass die Menschen nicht so verschieden sind, wie es auf den ersten Blick scheint.

Kleinigkeiten werden zu Gegenständen von unschätzbarem Wert

Neben Streitberger stellt auch Ursula Häne aus der Schweiz unter dem Titel "Mitgenommen" ihre Fotografien aus. Diese zeigen nur die Hände der Flüchtlinge und einen Gegenstand, den sie bei sich tragen. Von einem Ring über ein Kreuz, ein Buch oder eine Gebetskette bis hin zum Brautkleid sind die unterschiedlichsten Habseligkeiten darunter.

Auch leere Hände werden ihr oft entgegengestreckt

"Ich suchte nach einem Weg, anstelle eine Person abzubilden, etwas persönliches von diesen Menschen zu zeigen. ›Etwas‹, das einer Person eine Präsenz gibt, ohne ihr Gesicht zu zeigen", erklärt die Künstlerin ihre Motivation.

Die Arbeit hat einen bleibenden Eindruck bei den Fotografinnen hinterlassen. "Oft kam es mir so vor, wie wenn mir jemand seinen Schatz zeigt", meint Häne. Auch leere Hände seien ihr oft entgegengestreckt worden. Streitberger erging es ähnlich. Auf die Frage, welche Geschichte sie am meisten beeindruckt hat, antwortet sie: "Wahrscheinlich war es Alaa, der über sein mitgebrachtes Zeugnis sagt: ›Das Zeugnis ist mein letztes von Zuhause. Ich habe es mitgebracht, weil ich den Leuten hier zeigen möchte, dass ich nicht dumm bin.‹"

Vorurteile abbauen, Geschichten erzählen, persönliche Eindrücke schaffen – das ist auch die Intention der Veranstalter. "Oft haben die Leute wenig Ahnung, was eigentlich auf der Flucht passiert", meint Frido Ruf von der katholischen Erwachsenenbildung. Das wolle man ändern. Aus diesem Grund habe man die Doppelausstellung geplant. Geschichten wie die von Shaheds Puppe – so die Hoffnung – sollen den Besuchern den Mensch hinter dem Wort Flüchtling näher bringen.

Die Doppelausstellung "Menschen auf der Flucht" findet vom 3. bis 17. März in der Galerie Etage 2, Untere Hauptstraße 53, statt. Sie ist Montag bis Freitag und sonntags von 16 bis 19 Uhr sowie samstags von 11 bis 16 Uhr geöffnet. Auch eine Besichtigung nach Vereinbarung ist möglich. Veranstalter sind der Freundeskreis Asyl Rottweil und die katholische Erwachsenenbildung. Parallel finden Veranstaltungen statt, die sich um das Thema Flüchtlinge drehen. Weitere Informationen gibt es bei Frido Ruf, Telefon 0741/24 61 25, oder unter www.keb-rottweil.de.