Der Flüchtlingsstrom reißt nicht ab. Dies stellt vor allem Städte und Gemeinden vor große Herausforderungen. Foto: Endig

Bis zum Jahresende rechnet die Landkreisverwaltung mit einem weiteren starken Anstieg der Flüchtlingszahlen.

Rottweil - Die Zahl der Flüchtlinge steigt an – und mit ihr der Bedarf an Wohnraum. Auch im Landkreis Rottweil. Für die Kommunen ist das belastend, sowohl finanziell als auch räumlich. Laut Landratsamt ist nicht auszuschließen, dass auf Container oder Turnhallen zurückgegriffen werden muss.

Bis Ende des Jahres sollen die Zahlen von derzeit 814 (Stand 31. Juli) auf insgesamt 1400 Flüchtlinge im Landkreis ansteigen. Die Zahlen lägen deutlich über den Prognosen, wie Volker Weber vom Sozialamt im Landratsamt Rottweil bestätigt. Tendenz weiter steigend. "Für ganz Baden-Württemberg rechnet das Land mit insgesamt 68.000 bis Ende des Jahres", so Weber.

Aktuell gehe das Landratsamt vor allem einem Hauptgeschäft nach: dem Suchen und Finden von dezentralen Unterkünften. "Wir bekommen viele Angebote", sagt der Mitarbeiter des Kreissozialamts. "Da ist alles dabei, ob privat oder Unterkünfte der Kommunen." Nicht jede sei jedoch geeignet. "Oft muss man bauliche Maßnahmen einleiten, da brauchen wir natürlich dann eine Vorlaufzeit."

Das erlebt gerade beispielsweise die Gemeinde Zimmern: Sie richtet eine leer stehende Wohnung in einem von Vereinen genutzten kommunalen Gebäude her, um dort Flüchtlinge unterzubringen. Darüber hinaus ist sie im Kontakt mit privaten Eigentümern leer stehender Wohnungen und Häuser.

Die IG Bauen-Agrar-Umwelt hat vor diesem Hintergrund neue Wege in der Flüchtlingsunterbringung gefordert. Die Gewerkschaft schlägt den Bau von Wohnungen vor, die zunächst für Einwanderer und später als Sozialwohnungen genutzt werden. Hierfür sollen private Investoren gewonnen werden.

"Von einem solchen Kombi-Modell könnte der Kreis Rottweil auf lange Sicht enorm profitieren", sagt Meinrad Schmidt. Der Bezirkschef der IG-Bau Südbaden sieht dafür zwei Gründe: "Einerseits müssen die Menschen, die ein Bleiberecht bekommen, anständig untergebracht werden. Zum anderen sind Sozialwohnungen Mangelware. Seit Jahren schrumpft ihr Bestand", kritisiert Schmidt.

Denkbar sei bei diesem Vorhaben ein Programm mit steuerlichen Anreizen oder einer gezielten Investitionszulage für private Investoren oder Wohnungsbaugesellschaften. Demnach könnten die neu errichteten Gebäude für einen festen Zeitraum Flüchtlingen zur Verfügung stehen – mit einem garantierten Mietpreis. Im Anschluss würden sie als Sozialwohnungen genutzt – etwa mit einem Wohnberechtigungsschein.

"Flüchtlinge sind die Mieter von morgen. Denn ein Großteil von ihnen wird längerfristig im Kreis Rottweil bleiben", sagt Schmidt. Angesichts steigender Einwanderungszahlen sei beim Neubau zügiges Handeln gefragt. Dabei dürfe die Bürokratie nicht im Weg stehen. "Die Schaffung neuen Wohnraums ist eine Aufgabe aller. Besonders der Bund und die Länder stehen hier in der Verantwortung", so der Gewerkschafter.

Die Wohnraumbeschaffung ist ein Wettlauf mit der Zeit, denn die Landeserstaufnahmestellen (Lea) sind voll mit Flüchtlingen, die anhand des Königsteiner Schlüssels – je nach Einwohnerzahl – auf die Kommunen verteilt werden. Zuletzt sind zwölf Syrer in Deißlingen-Lauffen in einem Haus der Gemeinde untergekommen. "Wir versuchen immer mehr, Privatleute mit einzubinden", sagt Weber. Doch aufgrund der rapide ansteigenden Zahl der Flüchtlinge könne auch er nicht ausschließen, dass der Landkreis Rottweil auf Container oder Turnhallen zurückgreifen müsse. "Wir haben das im Hinterkopf", bestätigt er.

Auf die Frage nach der Herkunft der Flüchtlinge erläutert Weber, dass auch der Kreis Rottweil klar im Bundestrend liege. "Die größte Gruppe der Flüchtlinge kommt aus Syrien und dem Kosovo." Die Gruppe der Westbalkan-Länder – also Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kroatien, Kosovo, Mazedonien, Montenegro und Serbien – mache dabei sogar 43 Prozent aus. "Bei den Syrern sind es 20 Prozent", so Weber.

Doch nicht nur die Kommunen und das Landratsamt sehe erheblich wachsende Aufgaben auf sich zukommen. Auch in der Arbeit der ehrenamtlichen Kreise verändere sich etwas. "Wir bekommen viel Rückmeldung von Freundeskreisen und Unterstützerkreisen", berichtet Volker Weber. "Und die hohe Zahl ist natürlich auch für sie belastend." Er sei froh, dass die Ehrenamtlichen zur Verfügung stehen, denn ohne sie wäre die Arbeit kaum machbar.

Die katholische Erwachsenenbildung im Kreis Rottweil bietet zum Beispiel bei ihren Veranstaltungen kostenlose Plätze für Asylbewerber an. Auch habe es einen Kurs für Ehrenamtliche, die im Bereich Flüchtlinge tätig seien, gegeben, wie Ursula Deiber von der katholischen Erwachsenenbildung berichtet.

"Der Kurs ›Mein Engagement für Asylsuchende" war sehr gut besucht". Vor allem aus Schramberg und Aldingen seien Teilnehmer gekommen.