Ein Zahnarzt darf sich nicht als Arzt für Zahmedizin bezeichnen, stellt das Landgericht Rottweil fest. (Symbolfoto) Foto: dpa

Schlussstrich zu "Missbrauch von Berufsbezeichnungen". In Berufung Teilerfolg für 51-Jährigen. Mit Kommentar

Kreis Rottweil - "Arzt für Zahnmedizin": Ist diese Bezeichnung missverständlich? Spiegelt sie falsche Tatsachen wider? Nein, meint der unvoreingenommene Normalbürger. Vielleicht doch, sagt der Jurist, und runzelt die Stirn. So lädt ein Fall aus der Region über viele Jahre zu intensiver Griffelspitzerei ein, zu der am Donnerstag vor dem Landgericht Rottweil ein Schlusspunkt gesetzt wurde.

Mit einem anonymen Schreiben war der mit allen Qualifikationen ausgestattete gut angesehene Zahnarzt aus einer Donautal-Gemeinde vor geraumer Zeit angeschwärzt worden wegen des angeblichen Missbrauchs von Berufsbezeichnungen. Der 51-jährige Angeklagte, der vor einigen Monaten vom Amtsgericht Tuttlingen in erster Instanz zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen a 90 Euro verurteilt worden war und dagegen Berufung einlegte, hatte sich bereits vor gut zehn Jahren von einem Webdesigner eine Homepage gestalten lassen, in dem der Dienstleister auch ein Logo mit der umstrittenen Begrifflichkeit unterbrachte. Er habe die Gestaltung gut gefunden und sich keine weiteren Gedanken dazu gemacht, ließ der Zahnmediziner bei der Berufungsverhandlung unter dem Vorsitz von Richter Rainer Frank wissen. Dieser machte deutlich, dass sich zu dem Fall kontrovers ("›Arzt‹ ist ein geschützter Begriff"; andererseits deutete er durchaus Sympathie für die vom Anwalt des Beklagten dargestellte Position an, dass die Sachlage kaum den Schluss zulasse, dass da jemand eine falsche Kompetenz vortäuschen wollte) diskutieren lasse. Auch bei Zahnärzte-Kammern und Bezirksärztekammer reagierte man offenbar weit weg von eindeutigen und hieb- und stichfesten Positionen. So lavierend sei die Anzeige schließlich bei der Staatsanwaltschaft gelandet, erklärte der Verteidiger der Beklagtenseite.

Zahnarzt darf Bezeichnung nicht mehr tragen

Mit einem Augenzwinkern versuchte Frank die Einstellung des Verfahrens gegen Auflagen anzubahnen. Und das sehr erfolgreich: Nach einer längeren Besprechung bei der Beklagtenseite stimmten alle Prozessbeteiligten dem vom Gericht gemachten Vorschlag zu: Der Zahnarzt darf die Bezeichnung "Arzt für Zahnmedizin" ab sofort nicht mehr in Papierform (Schriftverkehr, Visitenkarten) in Umlauf bringen. Auf seiner Homepage muss die beanstandete Bezeichnung bis 15. Oktober "ausradiert" sein. Zudem geht eine Geldbuße von 1000 Euro auf Wunsch des Beklagten an die Klinik Tannheim der Deutschen Kinderkrebsnachsorge.

Zähneknirschend stimme man dieser Verfahrensbeendigung zu, sagte dessen Verteidiger Thomas Heinze. Sein Mandant hatte sichtlich Mühe, einigermaßen gute Miene zum Schlussakkord der in seinen Augen mit viel Haarspalterei verbundenen Affäre zu machen. Immerhin gebe es ja die Geldzuwendung für einen guten Zweck, ließ der Verteidiger nicht ohne Süffisanz wissen.

Kommentar: Auweia!

Von Winfried Scheidel

Ist das ein Täuschungsmanöver, wenn ein Zahnarzt in der Öffentlichkeit als "Arzt für Zahnmedizin" firmiert? Gibt es tatsächlich potenzielle Zahnweh-Patienten, die angesichts der nicht alltäglichen Berufsbezeichnung davon ausgehen, dass sie sich nach einer Füllung auch noch wegen einer verstauchten Hand oder einem entzündeten Knie behandeln lassen können? Der gesunde Menschenverstand spricht deutlich gegen eine solche verquere Ansichtssache. Der jetzt – gegen Auflagen – mit der Einstellung des Verfahrens abgehandelte Fall gegen einen Zahnarzt aus der Region macht auch sonst viel Staunen: Berufskammern wollten dazu über Jahre keine klaren Positionen beziehen. So wird schließlich der Staatsanwalt mit ins Boot geholt, um mit deutscher Gründlichkeit einer ziemlich belanglosen Sache auf den Grund zu gehen. Das nennt man mit Kanonen auf Spatzen schießen!

Seite 3: Umfrage zum Thema

(nk). Bei einer Umfrage in der Rottweiler Fußgängerzone antworten auf die Frage, was sie unter einem Arzt für Zahnmedizin verstehen, 15 von 20 Befragten mit "Zahnarzt". Eine Frau meint jedoch, ein Arzt für Zahnmedizin mache mehr zahnchirurgische Sachen. Eine andere sagt, ein solcher Arzt mache Zahnimplantate und Prothesen. Zwei Männer verstehen darunter einen Zahnchirurgen, ein kleines Mädchen meint: "Das ist jemand, der Zähne komplett neu einsetzt."