Im Prozess wegen versuchten Mordes sind vor dem Rottweiler Landgericht insgesamt sechs Verhandlungstage anberaumt. Foto: Nädele

47-Jähriger verletzt Frau lebensgefährlich mit Jagdmesser. Stich laut Täter durch "falsche Bewegung".

Rottweil/Aldingen - Versuchter Mord als Tat eines Enttäuschten, vielleicht auch Verzweifelten? Oder ein Messerstich, der gar nicht so gemeint war? Wollte der 57-jährige Täter, der am 13. Dezember 2015 seine 42-jährige Frau mit einem Jagdmesser lebensgefährlich am Hals verletzte, diese "nur" bedrohen und einschüchtern, weil sie ihn, der sich offenbar so schnell erregen konnte, wieder einmal gereizt hatte. Einige Wochen zuvor war sie mit den beiden jüngsten Kindern ausgezogen, während der älteste Sohn im Haus der beiden Eheleute zusammen mit dem Vater die Stellung zu halten versuchte?

Am zweiten Verhandlungstag vor der ersten Schwurgerichtskammer am Landgericht Rottweil stand eine Erklärung des Angeklagten im Vordergrund. Den Text las er aus dem Laptop eines seiner beiden Anwälte ab. Er habe mit dem Messer nur drohen wollen, als sich seine Frau unverhofft zur Seite bewegt habe, sei die Schneide mit ihrem Hals in Berührung gekommen. Er bedauere das Geschehen, entschuldige sich dafür bei seiner Frau und seinen Kindern. Er wisse aber auch, dass er die psychischen Schäden nicht mehr gut machen könne.

So redet der Angeklagte über einige Minuten. Vermutlich hat ihm sein Anwalt Kristian Frank die Worte zurechtgelegt, die wohl auch hinweisen sollen auf eine Aktion im Affekt, nachdem seine Frau sich kurz zuvor wieder einmal aus ihrer beiden Eigentum – dieses Mal einem Schuhregal – bedient habe. Der älteste Sohn habe es auf Geheiß der Mutter abgebaut und in deren Auto gebracht, als diese gekommen sei, um den jüngsten Sohn vom Wochenende beim Vater abzuholen.

Als das Statement abgegeben ist, versucht der Vorsitzende Karl-Heinz Münzer nochmals mit Nachfragen, zur persönlichen Situation des Beschuldigten, seinen Lebensumständen und seine Lebensgefühl etwas in Erfahrung zu bringen. Nach kurzer Zeit lässt Frank – wie bereits am ersten Verhandlungstag – wieder wissen, dass sein Mandant gegenwärtig für keine spontanen Aussagen zur Verfügung stehe. Kurz vor diesem erneuten anwaltlichen Stoppsignal hatte der Angeklagte davon gesprochen, sich um die Jahreswende 1914/15 – nach einer Herzoperation und damit verbundener Arbeitsunfähigkeit – psychisch verändert zu haben. Zuvor sei alles gut gewesen.

Als die Kammer zu solchen und ähnlichen Aussagen doch nachzuhaken versucht, zum Beispiel dazu, dass die Frau bereits früher aufgrund offenbar schwieriger Lebensverhältnisse aus gemeinsamen Wohnungen ausgezogen und bei ihren Eltern untergekommen sei, blockt Anwalt Frank entschieden ab. Der Mandant soll sich möglichst nicht in Widersprüchen verheddern, scheint das dringende Ansinnen der Verteidigung zu sein.

Auch dem von Münzer gemachten Vorschlag, zu dem vom Messertäter eingeräumten seelischen Problemen den zum Prozess herbeigezogenen psychologischen Gutachter explorieren zu lassen, tritt der Anwalt strikt entgegen.

Emotionen zeigt der Angeklagte gestern, als seine Heirat im Jahr 2006 – gut zehn Jahre nach dem Kennenlernen seiner zweiten Frau, als zwei Kinder mit ihr längst auf der Welt sind – zur Sprache kommt. Kurz zuvor war seine Mutter verstorben. Er habe eigentlich nie mehr heiraten wollen. Wieso schließlich doch? Der 57-Jährige zuckt mit der Schulter.

Auf Nachfrage des Gerichts sagt der Angeklagte, dass die Beziehung zu seiner Frau erst nach Eintritt seiner bald mit der OP verbundenen Krankheit in die Brüche gegangen sei. Hoffnungen auf einen Neuanfang habe er sich nach ihrem Auszug im November 2015 dann keine mehr gemacht.

Wieder einmal muss sich eine Kammer am Landgericht Rottweil anhand vieler Indizien und Zeugenaussagen ein Bild zu machen versuchen zur Bewertung eines dramatischen Vorfalls. Gestern waren vor allem Befragungen von Notärztin, Rettungsassistenten und Polizisten zur Verletzung und zum Tatortbild angesagt, heute könnte das Augenmerk auch auf Aussagen zur Familiensituation und zum Umfeld des Angeklagten gelegt werden, der im Übrigen der im Rahmen der Anklage eingeführten Behauptung widerspricht, auch mal als russischer Soldat Dienst in Afghanistan getan zu haben.