Gut 20 Häftlingen sitzen in der JVA Rottweil ein. Drei Außenstellen gehören dazu. (Symbolfoto) Foto: dpa

Häftling berichtet vom Leben hinter Gittern in Rottweil. Blick nach draußen: Zusehen, wie Test-Turm wächst.

Rottweil - Die Samstage und Sonntage sind am schlimmsten. Während die Menschen draußen sich auf die arbeitsfreie Zeit freuen, herrscht drinnen Trübsal: Zwischen 7.15 und 8.15 Uhr ist Hofgang, die restlichen 23 Stunden über bleiben die Zellen in der JVA Rottweil zu. "Das ist das, was nagt", sagt Mirko Müller (Name von der Redaktion geändert). "Das ist heftig."

Der 41-Jährige sitzt wegen Drogendelikten seit Ende Juni in Rottweil ein. Wenn es gut läuft, wird er Ende Dezember entlassen. So lange bestimmt der Gefängnisalltag sein Leben. Dabei hat Müller es noch gut erwischt: Er arbeitet als Reiniger. Mehr Freiheiten hat kaum ein Häftling. Müllers Tage sind durchgetaktet. Um 5.30 Uhr steht er auf, um 6 Uhr verteilt er Frühstück an die anderen Insassen. Gegessen wird in den Zellen. Anschließend putzt er, macht die Wäsche und entsorgt den Müll. Was immer anfällt. Ab 11.45 Uhr verteilt er Mittagessen, dann wird gespült. Zudem gibt es eine Stunde Freigang im Hof mit Tischtennis, Basket- oder Volleyball. So vergehe die Zeit schnell. Und dennoch nicht schnell genug. Das richtige Leben bleibt draußen. "Das einzige, das ich mitgekriegt habe, ist, wie der Turm gewachsen ist." Denn der ist selbst durch die Gitterstäbe vom Gefängnis aus gut zu sehen.

Für Mirko Müller ist es nicht der erste Gefängnisaufenthalt. Zuletzt saß er 2006 ein. Seinen Rückfall erklärt er sich dadurch, dass er wieder in falsche Kreise geraten sei. "Der Drang nach Freiheit ist schon da", sagt er offen. "Aber ich hab Bockmist gebaut: Jetzt muss ich dafür gerade stehen."

Müller ist einer von 23 Häftlingen, die am Tag unseres Gesprächs in Rottweil einsitzen. Die Zahl ändere sich aber fast täglich, sagt Jennifer-Catrin Rietschler, die die JVA seit Juni leitet. Das derzeitige Gefängnis wurde im Jahr 1861 gebaut. Zu ihm gehören die Außenstellen Hechingen, Villingen und Oberndorf. In Rottweil gibt es nur männliche Insassen. Sie sitzen entweder in Untersuchungshaft oder verbüßen Freiheitsstrafen von maximal sechs Monaten. In Einzelfällen kann von dieser Regelung abgewichen werden. Mirko Müller ist so ein Einzelfall. Er stammt aus einer Stadt im Schwarzwald-Baar-Kreis. Eigentlich hätte er seine Strafe in Freiburg verbüßen sollen. Rottweil allerdings ist näher an zu Hause. Laut Vollstreckungsplan für das Land sollen Häftlinge wohnortnah untergebracht werden, erklärt Rietschler. "Wohnortnah in Anführungszeichen", fügt Michael Eich, geschäftsführender Sozialarbeiter, hinzu. Denn wo es kein Gefängnis gibt, ist natürlich auch keine Unterbringung möglich. Wer aus dem Landgerichtsbezirk Rottweil stammt und mehr als sechs Monate sitzt, komme in der Regel in die JVA nach Offenburg oder Rottenburg.

Die Außenstellen mitgerechnet, gibt es insgesamt 88 Haftplätze für Gefangene in der JVA Rottweil mit einer nach den Vorgaben "menschenwürdigen Unterbringung". Das ist in alten und kleinen Gefängnissen nicht so leicht machbar. In Rottweil beispielsweise sind in vielen Zellen keine separaten und extra abgelüfteten Sanitärbereiche vorhanden. Deshalb sei eine Mehrfachbelegung nur mit Einverständnis des Gefangen möglich. In manchen Räumen leben drei Häftlinge.

Mirko Müller "wohnt" allein. Gesellschaft vermisst er in seiner Zelle nicht. Wohl aber das direkte Tageslicht. Durchs Milchglasfenster kann er nicht richtig rausschauen. Überhaupt ist es schwierig, mit denen auf der anderen Seite der Mauer in Kontakt zu bleiben. Müller hat einen dreijährigen Sohn. Der Junge glaubt, sein Vater sei auf Montage. Müller will nicht, dass der Junge ihn besuchen kommt. "Die halbe Stunde wär zu wenig." Denn mehr als zweimal eine halbe Stunde im Monat haben die Häftlinge nicht. Die Besuchszeiten dauern bis 17 Uhr – wer arbeiten muss und nicht freinehmen kann, schafft das schwerlich.

Weil das Besuchszimmer klein ist, sind drei Gäste auf einmal das Maximum. Das wird dann schwierig, wenn ein Mann eine Frau und drei Kinder hat. In größeren Anstalten gebe es auch Eltern-Kind-Gruppen, um eben solche Besuche zu ermöglichen. Dort gebe es auch ganz andere "Behandlungsmöglichkeiten", sagt Michael Eich. In Rottweil beispielsweise wollen mehr Häftlinge arbeiten, als die Werkstatt Plätze bietet. Und der Sportraum werde derzeit am Montag, dem Transporttag, umfunktioniert zum Transportraum. Dann war’s das mit Sport.

Weil auch Telefonieren für die Häftlinge nur sehr eingeschränkt möglich ist, hält Mirko Müller über Briefe Kontakt zu seinen Angehörigen. "Da macht man auf Retro", meint er und erzählt, der erste Brief sei gar nicht so einfach gewesen, so ganz ohne automatische Spracherkennung wie bei Whatsapp.

Aber Handys sind hinter Gittern natürlich tabu. Anders, als Filme das oft vermitteln, wird das Licht jedoch abends nicht mehr zwangsausgeschaltet, auch der Fernseher läuft, solange ein Häftling Lust darauf hat. "Der Freiheitsentzug ist die Strafe", erklärt Rietschler. Nicht besonders schlechte Haftbedingungen. "Wir wollen ja modernen Strafvollzug", ergänzt der Sozialarbeiter. Gerade bei jungen Gefangenen zeige sich, dass eine Berufsausbildung die beste Prävention sei, um nicht wieder straffällig zu werden.

Mirko Müller hat Glück: Er hat draußen einen Arbeitsplatz auf dem Bau, an den er zurückkehren kann. Das Erste, was er machen will, wenn er rauskommt, ist allerdings etwas anders: "Zu meinem Sohn gehen."