Andreas Geyer (Mitte) erhielt für seine Soli an der Klarinette viel Applaus vom Publikum. Foto: Rath Foto: Schwarzwälder-Bote

Theaterstück "Die Jüdin von Toledo" feiert Premiere in der Rottenburger Zehntscheuer / Interreligiöser Dialog steht im Mittelpunkt

Von Annika Rath

Rottenburg. In der Zehntscheuer ist es noch hell. Die Musiker und Schauspieler gehen vom Eingang her in Richtung Bühne. Auf den ersten Blick sehen sie aus wie Zuschauer, die zu spät gekommen sind. "Meinst du, hier kann man Musik machen?", fragen sie. Und: "Sollen wir die Geschichte zusammen erzählen?" Es wird dunkel. Die beiden Sängerinnen des Ensembles "Asamblea Mediterranea" fangen an zu singen, schließlich kommt der Chor auf die Bühne.

Am Wochenende feierte das Theaterstück "Die Jüdin von Toledo" in der Zehntscheuer Premiere. Bei der Produktion des Tübinger Theaters Gobelin wirkten neben den professionellen Schauspielern und dem Musikensemble "Asamblea Mediterranea" auch 24 Bürger und Bürgerinnen aus Rottenburg und Tübingen mit. Diese Vermischung setzte Janne Wagler, die Regie führte und die künstlerische Leitung hatte, spannend im Theater um: Der Zuschauer hatte nicht nur am Anfang, sondern auch immer wieder während des Stückes das Gefühl, Teil der Geschichte zu werden.

Die Geschichte spielt zwar im Jahre 1199 in der spanischen Stadt Toledo. Besonders gelungen ist aber die Vermischung zwischen Professionalität und Hobby, Schauspielern und Zuschauern, Bühne und Raum, weil ein Thema im Mittelpunkt steht, das auch 800 Jahre später nicht an Aktualität verloren hat: der interreligiöse Dialog.

Gefördert wurde das Projekt von der Stadt Rottenburg, dem Förderverein "Synagoge Baisingen", dem "Verein Freunde der jüdischen Kultur Esslingen" und dem Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Forschung Baden-Württemberg.

König Don Alfonso von Kastilien, authentisch gespielt von Christoph Baindner, ist auf einen Friedensvertrag eingegangen und darf deshalb keine Kreuzzüge machen. Währenddessen verliebt er sich in die Tochter seines Ministers Jehuda Ibn Esra. Dieser ist vom Judentum zum Islam konvertiert. Seine Tochter Rachel (Luisa Mansueto) ist zwischen Thora und Koran aufgewachsen und verkörpert die Vereinbarkeit unterschiedlicher Weltreligionen.

Sieben Jahre lang geht die Liebe zwischen dem so ungleichen Paar gut. Doch dann beginnt Königin Dona Leonor – deren Eifersucht Saskia Ottschofski durch ihr Schauspiel beeindruckend zur Geltung bringt – zusammen mit ihrem Hofrat Don Manrique (Volker Kracht) einen Rachefeldzug.

Die andalusische Stadt Toledo – einerseits ein Ort, an dem die Integration und das Zusammenleben unterschiedlicher Religionsgemeinschaften gelingt. Andererseits macht er auch deutlich, dass sich durch einzelne politische Entscheidungen, persönliche Beweggründe und Beeinflussung der Bevölkerung ein solch positives Zusammenleben wandeln kann. Plötzlich sind es Hass, Aggressionen und Vorurteile, die die Gemeinschaft prägen.

Diesen Wandel stellt der Chor eindrucksvoll dar. Die Schauspieler sind in schwarz gekleidet, sodass die einzelnen Individuen übergangslos zu einer Masse zu werden scheinen. Sie sprechen, mal singen sie im Chor, dann wechseln sich Frauen- und Männerstimmen ab. So entsteht eine Dynamik, die die widersprüchliche Öffentlichkeit repräsentiert. Untermalt werden die Veränderungen zusätzlich vom Ensemble "Asamblea Mediterranea." Die Musiker sind mal leise, mal laut, mal spielen sie zusammen, mal alleine. Sie lassen das Publikum in eine andere Zeit eintauchen.

Die Kreuzzüge, die im Namen des Christentums am Ende des 12. Jahrhunderts geführt wurden, sind Geschichte. Trotzdem lassen sich Parallelen zu dem heutigen islamischen Dschihad ziehen. Am Ende des Stücks flehen die drei Weisen, nämlich der christliche Domherr Don Rodrigue, der arabische Schriftgelehrte Musa und der Vorsteher der jüdischen Gemeinde von Toledo, Don Ephraim, den König an, für Frieden zu sorgen.

"Dies steht für den Wunsch des Ensembles, dass wir Menschen, die wir heute gegeneinander aussichtslose Kriege führen, den Mut finden, aus der Spirale von Vergeltung und Rachegelüsten herauszutreten", so Janne Wagler. Genau 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges bekommt das Datum der Premiere so eine ganz neue, nach Frieden rufende Bedeutung.